Donald Trump will mit Grönland ein Rohstoffparadies entdeckt haben. Diese Woche reist zum zweiten Mal eine US-Delegation auf die Insel, um das ersehnte Land zu inspizieren. Doch hat Grönland wirklich das, was sich Trump erträumt? Fraglich, sagen Experten.
Der Ort, an dem die wenigsten Träume in Erfüllung gehen, liegt in einem unscheinbaren Gebäude am Stadtrand von Nuuk. Drinnen sitzt Bent Olsvig Jensen in seinem Büro und dreht einen Stein in seiner Hand. Jensen hat vielleicht den schwierigsten Job in Grönland: Er ist der Geschäftsführer von Lumina Sustainable Materials, einem der beiden Bergbauunternehmen, die derzeit Minen auf der Insel betreiben.
In den letzten Wochen wurde Grönland von den Medien zu einem Eldorado für die Bergbauindustrie stilisiert. Es gibt dort tatsächlich vieles, was nicht nur das Herz des amerikanischen Präsidenten Donald Trump begehrt: seltene Erden, Niob, Zirkonium – kritische Rohstoffe, die von der Wirtschaft dringend benötigt werden und bei denen der Westen heute von China abhängig ist.
Doch es gibt Gründe, weshalb Bent Olsvig Jensen in Grönland einer der wenigen Vertreter seiner Branche ist.
I. Probleme, Probleme, Probleme
«Ausländische Medien bezeichnen den Bergbau in Grönland als Abenteuer», sagt Jensen. «Aber Abenteuer haben ein glückliches Ende. Ich sehe nicht, dass sich die Industrie in Grönland so entwickeln wird.»
Die grönländische Regierung hat das Land auf seine Rohstoffe untersuchen lassen. Das Resultat: Viele kritische Mineralien kommen entlang der Küste vor. Abgebaut wird heute keines davon. In der Mine von Lumina wird Anorthosit gewonnen, ein Gestein, dessen Mineralien unter anderem für Glasfasern, Lack und Zement verwendet werden. Nicht unbedingt das, was sich Trump von Grönland erhofft.
Das Problem: «Nur weil wir wissen, dass da etwas ist, wissen wir noch lange nicht, wo wir eine Mine platzieren sollen», sagt Jensen. Um die Lagerstätten zu bestimmen, brauche es gründlichere Explorationen – also Bohrungen, die Tausende von Metern in den Boden reichten. Die Kosten dafür sind hoch, das Ergebnis ungewiss. Oft vergingen Jahre, und Dutzende, wenn nicht Hunderte Millionen von Dollar würden verbraucht, bis ein Standort definiert sei.
Jensen sagt: «Auf jede Mine, die in Betrieb geht, kommen hundert gescheiterte Projekte.»
Er muss wissen, wovon er spricht. Lumina begann 2013 mit Explorationen in Grönland. Der wirtschaftliche Erfolg lässt noch auf sich warten. Im letzten Geschäftsjahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Verlust von 161 Millionen dänischen Kronen (22 Millionen Euro).
Bergbau ist nicht nur in Grönland ein riskantes Geschäft, und der Branche fehlt es weltweit an Kapital für langfristige Investitionen. Doch auf der arktischen Insel sind die Bedingungen besonders schwierig. Die Winter sind lang und kalt. Vier Fünftel der Insel sind von einem Eisschild bedeckt. Zwischen den Siedlungen gibt es keine Strassen. Die Mineralien werden über den Seeweg transportiert, doch das ist nur während sechs Monaten möglich, wenn das Meer nicht gefroren ist. «Jede Art von Infrastruktur ist in Grönland exorbitant teuer», sagt Jensen.
Um die Kosten zu senken, beschafft Lumina so viele Leistungen wie möglich lokal. Das gilt auch für das Personal: 32 von 42 Mitarbeitenden des Unternehmens stammen aus Grönland. Zwischen 2021 und 2023 gab der Betrieb laut Jensen 138 Millionen dänische Kronen (18 Millionen Euro) auf der Insel aus für Löhne, Steuern, Essen, Benzin, Flüge, Hotels und Anwälte.
Doch Grönland hat längst nicht alles, was es für den Bergbau braucht. Auf der Insel leben nur 57 000 Menschen. Spezialgeräte, Ersatzteile, Geologen und teilweise auch Bauarbeiter müssen aus dem Ausland eingeflogen werden. «Nuuk erlebt gerade einen Bauboom, und wir kämpfen um die gleichen Arbeitskräfte», sagt Jensen.
Auch Jensen selbst stammt ursprünglich aus Dänemark. Er kam 1996 als Lehrer nach Grönland, arbeitete später ein Jahrzehnt in der Fischindustrie. Zum Bergbau stiess er 2011, als er Geschäftsführer der mittlerweile nicht mehr existierenden Firma True North Gems Greenland wurde.
Grönland hatte erst ein Jahr zuvor mit dem Selbstverwaltungsgesetz die Hoheit über seine mineralischen Rohstoffe erhalten. Davor war Dänemark, zu dessen Königreich Grönland gehört, für die Explorations- und Abbaulizenzen zuständig gewesen. Jensen sagt: «Die Dänen hatten viel Erfahrung mit Bergbau, aber die grönländische Regierung musste von Grund auf neu anfangen.»
Für Jensen bedeutete das: warten. «Jedes Mal, wenn wir einen Antrag einreichten, war es das erste Mal, dass sich die Behörden mit diesem spezifischen Problem beschäftigten.» 2014 erhielt True North Gems schliesslich als erstes Unternehmen von der grönländischen Regierung eine Abbaulizenz. Es nahm im Dezember 2015 im Südwesten der Insel eine Mine für Rubine und Saphire in Betrieb. 2016 meldete das Unternehmen Konkurs an, der Abbau liess sich nicht rentabel betreiben.
Der Grund: In Grönland gebe es zu viel Bürokratie, sagt Jensen. «Es ist Gift für Investitionen, wenn sich die Regierung und die Ämter nicht an Zeitpläne halten.» Manchmal ändert sich die Ausgangslage auch grundlegend.
Im Dezember 2021 verabschiedete die grönländische Regierung ein Gesetz, das den Abbau von Uran im Kvanefjeld-Gebiet verbietet. Dies führte dazu, dass dem australischen Unternehmen Energy Transition Minerals (ETM) die Abbaugenehmigung verweigert wurde. Dies, obwohl die Firma bereits 2007 eine Explorationsgenehmigung erhalten und alle Bedingungen der Behörden erfüllt hatte. ETM hat die grönländische Regierung auf 7,5 Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt. Für Grönland ist die Klage denkbar schlechte Werbung.
II. Falsche Vorstellungen
Anruf bei Cyril Chelle-Michou, Professor für Erd- und Planetenwissenschaften an der ETH Zürich. Trumps Interesse kann er sich auch nicht recht erklären. «Geologisch gesehen ist Grönland vergleichbar mit Schweden, Finnland oder Kanada», sagt Chelle-Michou. Es stimme zwar, dass es in Grönland Lagerstätten seltener Erden und anderer kritischer Rohstoffe gebe. «Aber wir wissen wenig über ihre Grösse und darüber, ob ihr Abbau wirtschaftlich ist.»
Der plötzliche Hype um Grönland zeuge von falschen Vorstellungen und fehlendem Wissen: «Es existiert ein weitverbreiteter Irrglaube, dass es einen Mangel an entdeckten Lagerstätten gibt.» Die falsche Vorstellung werde von der Bergbauindustrie befeuert – in der Hoffnung, Investoren für ihre Explorationsprojekte zu finden.
Doch gerade seltene Erden sind gar nicht so selten, wie der Name vermuten lässt. In Schweden entdeckte 2023 das staatliche Bergbauunternehmen LKAB das bis dahin grösste Vorkommen dieser Mineralien in Europa. Ein Jahr später vermeldete das norwegische Unternehmen Rare Earths Norway einen noch grösseren Fund. «Diese Lagerstätten könnten einen signifikanten Anteil des europäischen Bedarfs für einige Jahrzehnte decken», sagt Chelle-Michou.
Ob ein Rohstoff als kritisch gilt, hängt von zwei Faktoren ab: vom Versorgungsrisiko und der wirtschaftlichen Bedeutung. Dominiert ein einziger Anbieter den Markt, ist das Risiko hoch. Das ist umso kritischer, je wichtiger das Mineral für die Wirtschaft eines Landes ist. Welche Rohstoffe als kritisch gelten, unterscheidet sich von Staat zu Staat.
Auch wenn seltene Erden in Europa vorkommen, ist der Kontinent in hohem Masse von China abhängig. Das Land fördert 70 Prozent der Mineralien und ist für rund 90 Prozent der globalen Verarbeitung verantwortlich. Chelle-Michou sagt: «China dominiert den Markt nicht wegen der Geologie, sondern wegen der Kosten.»
Die Verarbeitung ist in China günstiger, weil dort laschere Umweltstandards und schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen. Diese Situation zu ändern, ist schwierig. Die kritischen Mineralien sind für die Industrie zwar extrem wichtig, doch der Markt für sie ist klein, und China hält die Preise tief. Die Exploration von Lagerstätten kostet dagegen viel und dauert Jahre. Ein riskantes Geschäft für Investoren.
III. «Drill, baby, drill!» zu rufen, reicht nicht
In Nuuk blickt Bent Jensen zuversichtlich in die Zukunft. Die Kleinfirma Lumina plant, Anlagen für die Verarbeitung der Mineralien in den USA und in Europa aufzuziehen, und hat in Grönland mehrere Explorationsgesuche eingereicht. Künftig wolle sich das Unternehmen auf kritische Mineralien und seltene Erden fokussieren. «Grönland allein kann das globale Rohstoffproblem natürlich nicht lösen, aber wir können einen Beitrag leisten.»
Lumina hat nicht vor, die Arktis so schnell zu verlassen. Laut Jensen gibt es einiges, was für Grönland als Standort spricht. Seine Lage zwischen den USA und Europa. Die Nordwestpassage, die durch den Klimawandel befahrbar werde und den Seeweg ans andere Ende der Welt erheblich verkürze. Die Erderwärmung werde auch den Abbau erleichtern. Und die Tatsache, dass Bergbau in Grönland noch unterentwickelt sei, bedeute auch, dass ein grosses ungenutztes Potenzial vorhanden sei.
Trump hat also nicht ganz unrecht, wenn er nach Grönland schielt. Doch «drill, baby, drill!» zu rufen, genügt nicht. Für Chelle-Michou und Jensen ist klar: Es bedarf europäischer und amerikanischer Investitionen, und zwar über die gesamte Lieferkette hinweg, wenn sich der Westen aus Chinas Abhängigkeit lösen will. Jensen sagt: «Da Trump ein Geschäftsmann ist, kann ich ihm nur raten, sich an die Arbeit zu machen.»
Neben der Anorthosit-Mine von Lumina gibt es im Süden der Insel derzeit noch ein weiteres aktives Bergwerk, in dem Gold abgebaut wird. In den letzten Jahren hat die grönländische Regierung Dutzende von Explorationslizenzen vergeben. Nur eine davon hält ein Unternehmen aus den USA.
Laut Cyril Chelle-Michou dauert es nach der Exploration zwischen 15 und 20 Jahre, bis eine Mine den Betrieb aufnimmt. In den nächsten Jahren dürfte das Interesse an den Mineralien weiter wachsen, denn für die Energiewende werden kritische Rohstoffe benötigt. «Die Transition soll jedoch 2050 abgeschlossen sein», sagt Chelle-Michou. «Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass die Entdeckungen in Grönland etwas dazu beitragen werden.»
Trump, die Medien und mögliche Investoren kommen also zu spät.