Auf diese hochauflösenden Aufnahmen hat die Wissenschaft über 50 Jahre lang gewartet: der bisher kaum erforschte Lunar Horizon Glow. Schon die Apollo-Astronauten haben von diesem Lichtphänomen berichtet. Jetzt gibt es erstmals hochauflösende Bilder. Doch die Wissenschaft steht vor einem Rätsel: Anders als die Erde hat der Mond nämlich keine Atmosphäre und keine Wolken, die Licht streuen können. Damit dürfte es ein solches Leuchten auf dem Mond eigentlich gar nicht geben.
Der letzte Mensch, der den Lunar Horizon Glow beobachtet, ist der Astronaut Eugene Cernan. Er ist Teil der letzten bemannten Apollo-Mondmission im Jahr 1972. Kurz bevor die Sonne hinter dem Mond aufgeht, beobachtet er ein seltsames Lichtphänomen – und hält es in einer Skizze fest. Auf dem Mond würde man kein farbiges Leuchten wie auf der Erde erwarten. Trotzdem sieht Cernan ein sichelförmiges Licht entlang des Mondhorizonts.
Und er sieht schwache Strahlen, die an irdische Dämmerungsstrahlen erinnern. Diesen Effekt kann man sowohl beim Sonnenaufgang als auch beim Sonnenuntergang beobachten.
Christian Speicher: «Es ist nicht das erste Mal, dass das beobachtet wurde. Es gab schon in den sechziger Jahren eine Mondsonde, die da schon sehr unscharfe Bilder gemacht hat. Und auch schon in einer früheren Apollo-Mission hatten Astronauten schon mal was Ähnliches gesehen. Aber das war das erste Mal, dass jemand das so detailliert festgehalten hat.»
Die Analogkameras der Apollo-Missionen sind aber nicht dafür gemacht, schwache Lichtphänomene wie den Lunar Horizon Glow einzufangen. Spätere Mondmissionen haben andere Prioritäten oder technische Schwierigkeiten, das schwache Lichtphänomen einzufangen.
Cernans Skizze bleibt also lange die einzige Dokumentation des Leuchtens. Bis die private Mondsonde Blue Ghost des Unternehmens Firefly im März 2025 auf dem Mond landet. Sie ist ausgestattet mit hochauflösenden Kameras und schickt spektakuläre Bilder der Mondoberfläche zurück auf die Erde.
Aber wie genau entsteht nun der Lunar Horizon Glow? Es dürfte mit aufgewirbeltem Mondstaub zu tun haben.
«Der Mondstaub schwebt, weil er sehr feinkörnig ist. So ähnlich kann man sich das vorstellen wie Zementstaub. Das heisst, wenn er aufgewirbelt wird, dann hält er sich erst mal länger in der Luft und sinkt dann innerhalb von einigen Stunden wieder ab. Und das Erstaunliche jetzt ist, dass so beim Übergang von Tag zu Nacht auch dieser Staub aufgewirbelt wird, und zwar so viel und bis in Höhen von zehn Kilometern, und dann das Sonnenlicht streut. Und die Erklärung dafür ist, dass dieser Mondstaub elektrisch aufgeladen wird und dann abgestossen wird.»
Wieso der Mondstaub elektrisch aufgeladen wird, ist noch unklar. Es könnte mit UV-Licht oder mit Sonnenwind zusammenhängen. Mit den neuen Aufnahmen erhofft man sich, das Phänomen weiter zu entschlüsseln. Und mehr über Mondstaub herauszufinden, ist generell wichtig für die Raumfahrt.
«Der Mondstaub ist deswegen interessant, weil er eigentlich ein grosses Ärgernis auf dem Mond ist. Also setzt er sich faktisch an allen Oberflächen ab. Er gerät bei Astronauten in die Helme rein. Man hat ihn schon in den Lungen nachgewiesen, diesen Mondstaub.»
Der feine, aber scharfkantige Staub setzt sich auch auf wissenschaftlichen Instrumenten ab und trübt zum Beispiel die Sicht. «Und deswegen möchte man irgendwie mit der Sonde herausfinden: Unter welchen Bedingungen und auf welchen Oberflächen setzt sich Mondstaub ab? Und wie kann man das möglicherweise verhindern?»
Auch sonst macht die Blue Ghost Mission beeindruckende Bilder vom Mond und von der Erde. Nebst dem Sonnenuntergang nimmt die Sonde eine totale Sonnenfinsternis aus der Sicht des Mondes auf.
«Man sieht auf diesen Bildern, dass die Sonne fast vollständig verdunkelt wird. Das liegt daran, dass die Erde die Sonne fast vollständig verdeckt. Was man aber auch sieht, ist ein roter Ring, der sich um die Erde bildet. Und dieser rote Ring kommt dadurch zustande, dass von hinten das Sonnenlicht durch die Erdatmosphäre dringt und die Erdatmosphäre zum Leuchten bringt. Und das macht so einen roten Ring um die Erde.»
Und man sieht einen sogenannten Diamantring-Effekt. Den gibt es, weil die Sonne durch ein Tal der Erde scheint. Blue Ghost ist die erste private Sonde, die ganz auf dem Mond landen konnte.
«Die Sonde, die jetzt auf dem Mond gelandet ist, die ist mit zehn wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet. Eins dieser Instrumente besteht zum Beispiel aus einem Bohrer, mit dem man bis zu 3 Meter tief in den, in den Mondstaub reinbohren kann. Und man möchte rausfinden, wie sind da die Energieflüsse, wie ist die Wärme verteilt in der Mondoberfläche? Und daraus hofft man dann zum Beispiel Rückschlüsse auf die Entstehung des, des Mondes gewinnen zu können.»
Die Bilder und Daten der Sonde werden sicherlich noch ausführlich analysiert. Dort, wo die Sonde steht, ist mittlerweile die Mondnacht angebrochen. Und die dauert etwa zwei Wochen. Während dieser Zeit kann sich die Sonde über die Solarpanels nicht mehr aufladen. Sie bleibt also inaktiv. In der Mondnacht sinken die Temperaturen auf bis zu –180 °C. Das überlebt die Sonde wahrscheinlich nicht. Es gibt nur eine geringe Chance, dass sich die Sonde nach Sonnenaufgang wieder meldet.
Damit sind das auch vorerst die letzten Bilder, die wir vom Mond zu sehen bekommen.