Machen die USA ihre Ankündigung wahr, gleich hohe Zölle wie das Ausland zu verlangen, muss das für die Schweiz kein Unglück sein. Selbst der Bauernverband zeigt sich gelassen.
Nur als Gedankenspiel: Man nehme die Regierung Trump II beim Wort. Vor Wochenfrist verkündete das Weisse Haus, dass die USA künftig gleich hohe Importzölle verlangen würden, wie das Ausland für Einfuhren von amerikanischen Gütern verlange. «Nicht mehr, nicht weniger», betonte Trump.
Das würde in manchen Fällen nicht etwa zu Zollerhöhungen führen, sondern zu Zollsenkungen. Zwei englische Handelsökonomen haben dieser Tage vorgerechnet, dass beim Vergleich USA – EU die Amerikaner immerhin bei über 1600 von 5600 untersuchten Tariflinien höhere Zölle erheben als die EU. Gemessen am Total der Importzölle im Verhältnis zum Gesamtwert der Einfuhren war die EU allerdings gemäss Daten der Welthandelsorganisation (WTO) für 2023 etwas protektionistischer – mit Durchschnittszöllen von 2,7 Prozent gegenüber 2,2 Prozent in den USA.
Wie du mir, so ich dir nicht
Die Schweiz kommt in diesem Vergleich aber besser weg als die USA, mit einem Durchschnittszoll von 1,7 Prozent. Und heute dürfte dieses Bild noch günstiger aussehen, denn die Schweiz hat 2024 einseitig alle Importzölle auf Güter ausserhalb des Agrar- und Fischereisektors (Industriezölle) abgeschafft.
Die USA müssten jetzt also gemäss ihrer eigenen Rhetorik mindestens gegenüber der Schweiz auch alle Industriezölle abschaffen. Viel wahrscheinlicher ist aber bei Vollzug des Trump-Plans eine Asymmetrie: Wo die USA tiefere Zölle haben als das Ausland, erhöhen sie die Zölle, und wo sie tiefere Zölle haben, ändern sie nichts. Das entspräche dem typischen Handeln einer Grossmacht, die sich um internationale Regeln foutiert. Zumal die amerikanische Regierung neben den ausländischen Zöllen auch kreativ noch gewisse ausländische Steuern für US-Firmen «anrechnen» will.
Die Schweiz wäre auf den ersten Blick bei spiegelbildlichen Zollaufrechnungen der Amerikaner im Agrarsektor potenziell stark betroffen. Gemäss WTO-Daten verhängte die Schweiz 2023 auf Agrarimporten im Mittel einen Zoll von fast 25 Prozent, was deutlich über den Werten der EU und der USA lag.
Laut Handelsstatistik exportierte die Schweiz 2024 Agrargüter für knapp 1,6 Milliarden Franken in die USA, während sich die Importe in diesem Sektor auf 310 Millionen Franken beliefen. Gemäss einer Auswertung des zuständigen Bundesamts vom Dienstag entfielen 97 Prozent der Schweizer Agrarausfuhren in die USA auf sechs Produktehauptgruppen (vgl. Grafik). Schaut man noch genauer in die bilaterale Agrarhandelsstatistik, fällt das Gros der Schweizer Ausfuhren auf vier Produktegruppen: gerösteter Kaffee (wohl vor allem Nespresso-Kapseln), Getränke, Käse und Schokolade.
Bei den Importen aus den USA spielen unter anderem diverse zubereitete Lebensmittel, Früchte, Wein/Likör, Fische, Rindfleisch sowie Fette eine bedeutende Rolle. Auf die zehn wichtigsten Produktehauptgruppen entfielen 2024 über 85 Prozent aller Agrarimporte aus den USA. Die Bandbreite der Schweizer Zölle auf Importe von amerikanischen Gütern in diesen zehn Hauptgruppen reichte von 0 bis 7,6 Prozent. Der handelsgewichtete Durchschnitt betrug 2,1 Prozent. Das liegt laut WTO-Daten für 2023 nahe beim Durchschnittszoll von 1,9 Prozent für Schweizer Agrarausfuhren in den USA. Aus dieser Sicht hätten die helvetischen Agrarexporteure von spiegelbildlichen amerikanischen Zöllen nicht viel zu befürchten.
Käse im Fokus
Der Schweizer Bauernverband zeigte sich am Dienstag auf Anfrage nicht sonderlich beunruhigt. Einige starke Exportsektoren im Agrarbereich wie etwa Kaffeekapseln und Schokolade betreffen nicht direkt die Bauern, sondern die Lebensmittelindustrie. Die einzige für die Bauern direkt bedeutende Produktegruppe bei den Agrarexporten in die USA betrifft laut dem Verband den Käse – und dort hätten die Bauern nichts gegen gemeinsame Zollsenkungen einzuwenden. Ungemütlich wären aber höhere ausländische Zölle für Schweizer Käseexporte.
Die hohen Schweizer Zölle betreffen vor allem jene Agrarsektoren, in denen die Schweizer eine inländische Produktion haben, aber wo sie international nicht konkurrenzfähig sind und deshalb auch kaum exportieren. Eine deutliche Senkung der Importzölle bei den bisher stark geschützten Sektoren wäre laut dem Bauernverband denn auch «inakzeptabel».
Vergleicht man die durchschnittlichen Importzölle der Schweiz und der USA bei den gleichen Produktegruppen, zeigen sich die Unterschiede zum Teil sehr deutlich – mit weit höheren Schweizer Zöllen etwa für gewisse Milchprodukte, Fleisch, Gemüse, Fette/Öle und Getränke.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ob und allenfalls wie die Regierung Trump ihren verkündeten Zollplan umsetzen wird, ist wie so vieles andere noch völlig offen. Schon ziemlich klar ist dagegen, dass die USA allein mit höheren Zöllen ihr Aussenhandelsdefizit nicht wesentlich senken und schon gar nicht wegbringen können.
Dagegen sprechen zum einen die Lehrbücher der Ökonomen. Vereinfacht gesagt: Ein Aussenhandelsdefizit hat direkt wenig bis nichts mit der Höhe von Zöllen zu tun, sondern es spiegelt vielmehr die Tatsache, dass ein Land weniger spart, als es konsumiert/investiert. Höhere Importzölle drücken auf die Kaufkraft der Konsumenten und könnten so im Prinzip den Konsum reduzieren. Doch gleichzeitig wirken solche Zölle faktisch auch als Exportsteuer. Denn ein grosser Teil der Importe geht nicht in den Endkonsum, sondern als Rohprodukt oder Halbfabrikat zur Weiterverarbeitung an Unternehmen. Diese haben bei höheren Zöllen höhere Produktionskosten, was die Preise im Inland erhöht und die Konkurrenzfähigkeit im Export schmälert.
Und sinkt wegen höherer Zölle die Nachfrage nach ausländischen Gütern, verteuert sich tendenziell die inländische Währung – was wiederum die Exportsektoren belastet. Hinzu kommt das Risiko von Gegenmassnahmen durch das Ausland.
Die Praxis der Zollerhöhungen unter Trump I bestätigte die Theorie. Die Aussenhandelsdefizite der USA wurden nicht kleiner, und der Zollstreit reduzierte die Einkommen im In- und Ausland.