Nicht alle benötigen zusätzliche Proteine. Doch je nach Ernährungsgewohnheiten ist eine Zugabe sinnvoll.
Proteine galten zu Beginn der Ernährungsforschung in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Kraftquelle der Muskeln. Verantwortlich für diese Ansicht war die damalige Koryphäe der Naturwissenschaft, der Chemiker Justus von Liebig. Schon zu seinen Lebzeiten bewiesen aber Forschende aus Zürich, dass Kohlenhydrate und Fette die Energiequelle der Muskeln sind – und nicht die Proteine.
Als Bau- und Regelstoffe behalten die Proteine dennoch eine herausragende Bedeutung. So ermöglicht erst eine gute Struktur der Muskeln, die massgebend von den Proteinen abhängig ist, eine optimale Leistungsfähigkeit wie auch Funktion des gesamten Stoffwechsels. Ist dies Grund genug, jede Mahlzeit mit Proteinen anzureichern, wie immer wieder suggeriert wird?
Zu den Proteinen gibt es leider viele Fehlansichten. Eine betrifft die erforderliche Menge an Proteinen, die wir täglich konsumieren sollten. Oft liest man, der Bedarf betrage 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Der Konsum dieser Menge reicht aber nur aus, um den täglichen Abbau von Körperprotein zu kompensieren. Für optimale Körperfunktionen benötigt man zweifelsfrei mehr. Im Sport empfiehlt man schon lange um die 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Für alle anderen ist nur eine geringfügig niedrigere Menge von rund 1,2 bis 1,4 Gramm pro Kilogramm sinnvoll.
Eine solche Zufuhr an Proteinen kann man mit Grundnahrungsmitteln erreichen – sofern die Lebensmittelwahl nicht eingeschränkt ist. Wer aber bewusst proteinreiche Lebensmittel meidet, zum Beispiel Milchprodukte oder Fleisch, wird es schwer haben. Dann sind zusätzliche Proteine, im Sinne eines Plans B, durchaus sinnvoll. So lassen sich Müesli, Joghurts oder auch Suppen gut mit Proteinpulver anreichern.
Dies wäre auch in der Schweiz keine schlechte Idee. Denn bereits vor rund zehn Jahren konsumierten mehr als ein Viertel der Erwachsenen sogar weniger als das Minimum von 0,8 Gramm Protein. Ohne Aufklärung zum sinnvollen Proteinbedarf werden wohl weiterhin viele eine suboptimale Menge konsumieren.
Der Ernährungswissenschafter Paolo Colombani ist Präsident des unabhängigen Kompetenzzentrums Notabene Nutrition.
Ein Artikel aus der «»