Der Hörsystemehersteller hat im abgelaufenen Geschäftsjahr Marktanteile verloren. Die Hoffnungen ruhen nun auf der im kommenden Herbst lancierten neuen Technologieplattform. Angesichts der Bewertung kann sich Sonova keinen Flop leisten.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Der Stäfner Hersteller von Hörsystemen, Sonova, ist ein Qualitätsunternehmen, das seit einiger Zeit jedoch etwas vom Erfolgspfad abgekommen ist. Als globaler Marktführer bei Hörgeräten zeichneten ihn in der Vergangenheit kontinuierliche Marktanteilsgewinne sowie eine herausragende Rentabilität aus.
Das Zeug dafür, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird, hat er weiterhin. Sonova-Aktien haben in einem Schweizer Wertschriftenportefeuille ihren Platz verdient.
Gutes Unternehmen in einer schwachen Phase
Doch in den vergangenen zwei Jahren kumulierten sich bei Sonova die Rückschläge. Vor allem der Verlust eines Grossauftrags in den USA – es ist ein offenes Geheimnis, dass es die Grosshandelskette Costco ist – schmerzte. Rund 4% des Umsatzes gingen so auf einen Schlag verloren.
Hinzu kamen Qualitätsprobleme bei einigen Geräten, was die Zufriedenheit bei den Grosshändlern schmälerte. Auch in der Preispolitik hatte das Sonova-Management dieses Mal keine glückliche Hand. Die mit Blick auf die Teuerung um 6% höheren Listenpreise kamen in einem allgemein schwächeren Marktumfeld nicht gut an. Bis jetzt hätten die verlorenen Marktanteile nicht zurückgewonnen werden können, musste Konzernchef Arnd Kaldowski an der heutigen Telefonkonferenz eingestehen.
Die am Dienstag vorgelegten Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr 2023/24 (per Ende März) fielen durchwegs unter den Vorjahreswerten aus. Der Umsatz ging um 3% auf 3,6 Mrd. Fr. zurück und die Ebita-Marge fiel um 140 Basispunkte auf 20%. Auch die Kapitalrendite (Roce) von 17,7% lag deutlich unter dem Vorjahreswert von 20,8%. Nicht zu vergessen ist, dass schon das Geschäftsjahr 2022/23 unter dem Vorjahr ausgefallen war.
Beschönigte Zahlen erfüllt
Sich mit allen erdenklichen Bereinigungen in einem besseren Licht zu präsentieren, ist eine Unsitte, der sich auch Sonova nicht entziehen will. Dass die Entwicklung in Lokalwährung ein besseres Bild der operativen Leistung zeigt, mag ja vernünftig sein, wenn die Rechnung in der Hartwährung Franken erstellt wird. Auch um Rückstellungen und akquisitionsbedingte Aufwendungen bereinigte Zahlen sind mittlerweile gang und gäb. Meiner Ansicht nach gehören sie eigentlich zu den normalen Dingen der operativen Tätigkeit eines Unternehmens. Doch den verlorenen Grossauftrag von Costco herauszurechnen, damit die Jahresveränderungen in den positiven Bereich zurückkehren, finde ich doch etwas gar dreist.
Auf dieser stark bereinigten Basis hat das Unternehmen die Markterwartungen weitgehend erfüllt, was mit Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde. Die Kursavancen am Dienstag dürften mit der zuversichtlichen Prognose für das angebrochene Geschäftsjahr zusammenhängen.
Für 2024/25 wird ein um 6-9% höherer Umsatz in Lokalwährung sowie ein um 7-11% besserer bereinigter Gewinn auf Stufe Ebita in Aussicht gestellt. Das ist eine sportliche Ansage.
Bis zur Lancierung der neuen Geräteplattform – was bei Sonova alle zwei Jahren passiert – werde Sonova lediglich im Rahmen des Marktes wachsen, sagte Kaldowski. Erst danach soll sich das Umsatzwachstum beschleunigen und auch wieder Marktanteile zurückerobert werden. Wie schon in der Berichtsperiode wird also auch in der laufenden Periode die zweite Hälfte besser als die erste ausfallen.
Durchzogene Diversifikation
Angesichts des hohen Marktanteils bei Hörgeräten versucht das Unternehmen seit Jahren, in verwandte Bereiche zu diversifizieren. Der erste Versuch mit Cochlea-Implantaten für stark beeinträchtigte Personen klappte nicht. Bisher hat dieser Bereich mehr Probleme und Kosten verursacht, als Gewinne generiert. Mit einem Umsatz von 240 Mio. Fr. macht er lediglich knapp 8% der Gruppeneinnahmen aus und erwirtschafte auch jetzt erst nur etwas mehr als halb so hohe Margen wie das Hörgerätegeschäft.
Vor zwei Jahren kaufte Sonova den Kopfhörerbereich von Sennheiser. Im ersten Jahr verlief es noch recht zufriedenstellend. Doch in der Berichtsperiode litt die Einheit unter einer schwachen Nachfrage sowie technischen Problemen. Weil die Qualität eines Batteriezulieferers nicht genügte, musste ein hochwertiges Sennheiser-Produkt während vier Monaten vom Markt genommen werden – bis ein neuer Lieferant gefunden wurde.
Laut Kaldowski sei mittlerweile eine Markterholung spürbar. Doch das zyklische, von der Konsumentenstimmung abhängige Geschäft mit Kopfhörern sei noch nicht zur Normalität zurückgekehrt, fügte er an. Es scheint, dass Sonova auch mit dieser Diversifikation (noch) nicht glücklich geworden ist. Mit einem Umsatzanteil von rund 7% ist es zudem noch zu gering, um eine Wirkung zu entfalten.
Von mehr Erfolg gekrönt ist der organische und akquisitorische Aufbau eines eigenen Einzelhandelsnetzes (Audiological Care). Mittlerweile erwirtschaftet dieser Bereich fast 39% der Einnahmen. Mit einem organischen Wachstum von 4,7% wusste es im Berichtszeitraum zu gefallen. Doch im Einzelhandel sind die Margen aufgrund höherer Marketingausgaben generell schmäler als bei den Hörgeräten, weshalb es die Rentabilität von Sonova in Summe eher etwas reduziert. Mit 35,6% befindet sich der Kostenanteil für Vertrieb und Marketing auf einem Mehrjahreshoch.
Finanziell eingeschränkt
Weitere Expansionsschritte muss Sonova vorsichtig angehen, denn die Bilanz lässt derzeit grössere Sprünge nicht zu. Die Nettoverschuldung ging zwar leicht auf 1,4 (1,5) Mrd. Fr. zurück. Doch die Verschuldungsquote (Nettoschulden im Verhältnis zum Gewinn auf Stufe Ebitda) befindet sich mit dem 1,5-Fachen am oberen Ende des Zielkorridors.
Die Dividende wird auf 4.30 Fr. pro Aktie gekürzt (i. V. 4.60). Wenn alles gut läuft, will Sonova in der zweiten Hälfte des neuen Geschäftsjahres wieder mit Aktienrückkäufen beginnen.
Ungeachtet aller Anstrengungen bleibt also das Geschäft mit Hörgeräten nach wie vor entscheidend, wie gut es Sonova geht. Die Erwartungen an die neue Technologieplattform sind hoch. Um diesen gerecht zu werden, muss das Unternehmen zunehmend mehr Mittel dafür investieren. Im vergangenen Geschäftsjahr steckte es 236 Mio. Fr. in die Forschung und Entwicklung. Das sind 60% mehr als vor fünf Jahren.
Management muss liefern
Mittel- bis langfristig ist Sonova weiterhin gut aufgestellt, um von den günstigen demografischen Trends im Hörgerätegeschäft zu profitieren. Vorerst fehlen jedoch Impulse, die den Aktien beständig Unterstützung geben könnten.
Zuerst muss das Unternehmen beweisen, dass es wieder Spitzenprodukte hat und erneut Klassenbester ist. Das erfordert noch etwas Zeit. Mit Blick auf die im Vergleich zur besser gewordenen Konkurrenz (GN Nord, Demant) stolzen Bewertung ist auch von dieser Seite wenig Unterstützung zu erwarten.
Kurzfristig erwarte ich keine grossen Sprünge der Sonova-Aktien.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Giorgio Müller