Eine Kandidatur von ausserhalb der klassischen Parteipolitik soll die Mitte-rechts-Allianz einen – inklusive GLP. Es wäre ein Novum.
In weniger als einem Jahr wird in der Stadt Zürich gewählt – und die Chance auf einen Umbruch ist so gross wie seit vielen Jahren nicht mehr. Seit klar ist, dass Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) das Amt nach 17 Jahren abgibt und auch der SP-Mann André Odermatt nicht mehr antritt, wittern Bürgerliche und Politiker von Mitte-Parteien die Möglichkeit, die rot-grüne Dominanz zu brechen. Und zugleich das prestigereiche Präsidium zu kapern.
Hoffnung gibt den Bürgerlichen, dass Zürich nicht ganz so links ist, wie es anhand der politischen Entscheide manchmal scheint. Im Stadtparlament haben die drei linken Parteien SP, Grüne und AL nur eine knappe Mehrheit. Dem Mitte-rechts-Lager, wenn es denn gemeinsam stimmt, fehlt lediglich eine Stimme. Es besteht aus FDP, SVP, GLP und Mitte/EVP.
Im Stadtrat lautet das Verhältnis 6:3 für die linken Parteien. Da ist die Idee, dieses Verhältnis zumindest auf 5:4 zu verändern, keine Phantasterei. Und während Bisherige in der Stadt Zürich selten abgewählt werden, sind nach dem ebenfalls angekündigten Rücktritt von Filippo Leutenegger drei Sitze neu zu vergeben.
Die Allianz mit der GLP wäre ein Novum
Die SP hat mit dem Sozialvorsteher Raphael Golta einen natürlichen, linken Nachfolger von Mauch aufgebaut. Für einen Wechsel im Präsidium braucht es die richtige Kandidatin, den richtigen Kandidaten. Und eine Allianz, die zusammenhält.
Aber kann ein breites Bündnis von SVP bis GLP überhaupt funktionieren? Kann man sich trotz den grossen politischen Differenzen für eine gemeinsame Präsidiumskandidatur zusammenraufen? In der Vergangenheit gab es das noch nie.
Die FDP ist die treibende Kraft für eine breite Allianz, auch wenn dies offiziell niemand bestätigen will. Öffentlich festgelegt hat sich die SVP: Sie verzichtet bewusst auf einen Kandidaten fürs Präsidium in der «Hoffnung auf eine überparteiliche Kandidatur», wie der Co-Parteipräsident Ueli Bamert kürzlich gesagt hat.
Der Wahlkampfleiter der Mitte, Markus Hungerbühler, sagt, die Frage sei «Gegenstand von Diskussionen». Es sei aber «sicher schlau», wenn man sich auf eine Kandidatur einigen könne.
Doch es braucht auch die GLP. Steht sie abseits, sind die Erfolgschancen schlecht. Kandidieren die Grünliberalen gar ebenfalls fürs Stadtpräsidium, verteilen sich die Stimmen von Mitte-rechts auf zwei Kandidaten. Dann dürfte die SP mit ihrem mutmasslichen Kandidaten Raphael Golta durchmarschieren.
Auffällig ist, dass die GLP den Entscheid über eine Präsidiumskandidatur auf den Sommer verschoben hat. Man kann daraus schliessen, dass im Hintergrund Gespräche laufen.
Die GLP-Co-Präsidentin Selina Frey sagt gegenüber der NZZ, eine Empfehlung müsse auch mit Blick auf den Gemeinderatswahlkampf Sinn ergeben. Heisst: Es muss eine Person sein, die die GLP-Wählerschaft nicht vor den Kopf stösst. Das schliesst rechte Hardliner aus.
Frey sagt weiter: «Unsere Entscheidung hängt stark vom Profil des Kandidierenden ab.» Ziel müssten «mehrheitsfähige Entscheide» im Stadtrat sein. Eine Stadtpräsidentin oder einen Stadtpräsidenten zu wählen, der oder die politisch isoliert sei, sei nicht zielführend. Eine Kandidatur von GLP-Stadtrat Andreas Hauri schliesst die Partei nicht aus.
Wer könnte sonst die grosse Figur sein, die das Mitte-rechts-Lager einigt? Ein Gerücht hält sich hartnäckig: Es sei eine Figur, die ausserhalb des Politalltags in der Stadt Zürich stehe.
Die Logik dahinter: Eine solche Kandidatur werden die anderen Parteien eher unterstützen als einen typischen FDP-Politiker aus dem Gemeinderat. Dass es aber jemand mit Bezug zur FDP sein muss, ergibt sich aus deren Rolle als führende Oppositionspartei.
Genaueres ist nicht in Erfahrung zu bringen. Der Stadtparteipräsident Përparim Avdili will sich auf Anfrage nicht dazu äussern.
Allerdings wäre gerade für die FDP der Angriff auf das Stadtpräsidium nicht ohne Risiko zu haben. Die FDP muss ihre beiden Stadtratssitze erst einmal verteidigen, zumal Filippo Leutenegger nicht mehr antritt. Geht der zweite Sitz verloren, droht in der Exekutive die totale Marginalisierung mit noch einem verbleibenden Sitz – die Wahl des Bisherigen Michael Baumer vorausgesetzt.
Rot-Grün hat es leichter
Rot-Grün hat es viel leichter in Stadtratswahlen. Das hat mit dem Wahlmodus, der Stärke der SP und der rot-grünen Zusammenarbeit zu tun. Um Zürcher Stadtrat zu werden, muss man über 50 Prozent der Stimmen erreichen – de facto reicht aber wegen der vielen leeren Stimmzettel ein Drittel. Dies entspricht ungefähr dem Wähleranteil der SP in der Stadt, zuletzt 28,6 Prozent.
Zudem können die Genossen auf die Stimmen der grünen Wählerschaft zählen. Und deshalb haben auch Kandidaten der Grünen (14,3 Prozent Wähleranteil) jeweils gute Chancen. Dieses Bündnis mit gemeinsamen Empfehlungen für den Stadtrat sei auch jetzt wieder geplant, wenn auch noch nicht definitiv, sagt Eticus Rozas, Co-Präsident der Grünen.
Und auch mit den Stimmen der kleinsten linken Partei, der AL (6,6 Prozent) werden SP und Grüne voraussichtlich rechnen dürfen. Sie hat noch nicht entschieden, ob sie für den Stadtrat antritt.
Von links droht den Bürgerlichen also einmal mehr scharfe Konkurrenz.
Bei der FDP kann ein Kandidat hingegen fix nur mit Stimmen der eigenen Partei mit 17,5 Wähleranteil rechnen – sowie mit einigen Stimmen der SVP (11,1 Prozent). Darüber hinaus muss er sie von verschiedener Seite zusammenklauben.
FDP-Wähler sind nicht immer gewillt, einen SVP-Kandidaten zu unterstützen – und umgekehrt. Die Unterschiede sind grösser als unter den linken Parteien, die in vielen Fragen austauschbar wirken. Allerdings könnte dieses Mal das Bündnis mit der SVP besser funktionieren, weil die SVP mit ihrem Präsidenten Ueli Bamert einen gemässigten Kandidaten aufgestellt hat.
Klar ist: Kommt die Figur von ausserhalb des Politbetriebs, ist es wahrscheinlich, dass die FDP mit drei Kandidaten antritt. Dies bringt das Risiko mit sich, dass sich die Kandidaten untereinander Stimmen abjagen.
Hüten dürften sich die Mitte-rechts-Parteien, sich hinter einem Parteilosen zu scharen. Sollte nämlich der Sturm auf das Stadtpräsidium scheitern, ist es ein realistisches Szenario, dass der Stadtpräsidiumskandidat wenigstens als Stadtrat gewählt wird – womöglich zulasten der anderen Parteien. Das gab es bereits: 1998 hätte Monika Weber vom Landesring der Unabhängigen die «Figur von aussen» sein sollen. Sie wurde aber nur Stadträtin – das Nachsehen hatte Hans Wehrli von der FDP.
Gewagt wäre auch ein Stadtpräsidiumskandidat von ausserhalb, der in der Stadt kurzfristig «eingebürgert» wird. Auch dies haben die Bürgerlichen schon durchgespielt, 1994 mit dem FDP-Mann Andreas Müller aus Adliswil als überparteilichen Präsidentschaftskandidaten. Ihm wurde von den Linken das Label «Müller-Adliswil» angehängt. Er unterlag dem SP-Mann Josef Estermann.
Die geheimnisvolle Person von aussen, sollte sie noch auftauchen, dürfte deshalb nicht ganz so exotisch sein, wie man sich vorstellen mag. Sondern aus dem freisinnigen Dunstkreis stammen. Entscheidend wird sein, ob sich die anderen Parteien – und vor allem auch die GLP – damit anfreunden können.
Es dürfte die entscheidende Frage im Kampf um das Zürcher Stadtpräsidium sein.