Die Regierung will mehr als drei Dutzend persönliche Angaben von Touristen und verärgert damit die Reisebranche. Diese fürchtet den Vormarsch der staatlichen Datenkrake – und ist damit nicht allein.
Mit einem neuen Meldegesetz hat Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska die mächtige Tourismusbranche gegen sich aufgebracht. Ab dem 2. Dezember müssen Reisende in Spanien beim Einchecken in Hotels, bei der Anmietung einer Ferienwohnung, auf Campingplätzen oder beim Autoverleih obligatorisch viele persönliche Daten angeben, darunter die Kontonummer, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer. Wenn die Dienstleister sich weigern, drohen Bussgelder von 600 bis zu 30 000 Euro.
Bis zu 42 Angaben müssen Touristen machen, die dann direkt in die Datenbank des spanischen Innenministeriums eingespeist werden. Bisher reichte oft einfach eine Kopie des Passes oder Personalausweises, doch in Zukunft ist das nicht genug. Nur Katalonien und das Baskenland bleiben von der Regelung ausgeschlossen.
Terrorbekämpfung im Vordergrund
Dies sei eine wichtige Massnahme, allfällige terroristische Bedrohungen zu erkennen und dem organisierten Verbrechen Einhalt zu gebieten, so verteidigte Grande-Marlaska das Gesetz.
Die neuen Regeln sollen auch Minderjährige schützen, indem genau überprüft wird, in welcher Beziehung sie zu den Erwachsenen stehen und ob sie gegebenenfalls eine Vollmacht ihrer Erziehungsberechtigten vorlegen müssen. So will man dem Missbrauch von Minderjährigen vorbeugen. Trotz all diesen Erhebungen bleibe die Privatsphäre der Menschen aber weiterhin gewahrt, versprach der Minister.
Doch genau daran gibt es Zweifel. Die spanische Datenschutzorganisation AEPD forderte, dass das Ministerium auf die Daten nur zugreifen dürfe, wenn ein berechtigter Verdacht vorliege. In der spanischen Öffentlichkeit wird zudem vor dem Vormarsch von «Big Brother»-Zuständen gewarnt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Regierung von sämtlichen Reisenden wissen wolle, wann die Kreditkarte ablaufe, wie die internationale Kontonummer IBAN laute oder bei welcher Bank die Gäste ein Konto hätten.
Schlangen beim Check-in befürchtet
In der Hotelbranche ist man entsetzt über das neue Meldegesetz, denn Spanien ist das einzige Land Europas, das eine derart umfassende Regelung einführen will. Lange Schlangen beim Check-in dürften fortan an der Tagesordnung sein, ganz zu schweigen vom Mehraufwand für das ohnehin schon chronisch überforderte Personal. Spanien bricht Jahr für Jahr neue Touristenrekorde: Allein im vergangenen Jahr strömten 85 Millionen Feriengäste ins Land – und dabei sind die einheimischen Reisenden noch nicht einmal mitgezählt.
Bei den Reisebüros und den Autovermietern, die die Daten bereits bei der Reservierung erheben müssen, fürchtet man ebenfalls einen beträchtlichen Mehraufwand. Denn laut Branchenzahlen werden 40 Prozent der Reservierungen geändert oder ganz storniert. «Das bedeutet, dass wir Hunderttausende von Änderungen am Tag vornehmen müssen», so Ramón Estalella, Generalsekretär des spanischen Dachverbands für Hotels -und Ferienapartments Cehat. Zudem könnten Hoteliers und Vermieter der Ferienwohnungen die Daten nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen, müssten aber trotzdem dafür bürgen.
Auch in einigen europäischen Ländern ist man besorgt über das neue Meldegesetz, dessen Inkrafttreten zuvor dreimal verschoben wurde. Das Gesetz sei völlig untauglich und offenkundig nicht gut für den Tourismus, sagte Piet Demeyere, ein Sprecher von TUI, der belgischen Zeitung «Le Soir». Auch die «Daily Mail» warnte die Briten bereits davor, sensitive Daten preisgeben zu müssen. Derzeit sind die Briten noch vor den Deutschen die wichtigste Besuchergruppe in Spanien.
Das Innenministerium hat derweil noch keine Angaben dazu gemacht, wie lange diese Daten gespeichert bleiben und ob sie an andere staatliche Institutionen weitergegeben werden.