Israels Militär hatte das Nasser-Spital am Donnerstag auf der Suche nach Geiseln gestürmt. Die Aktion dauert offenbar an. Derweil stellt Israel der Hamas ein Ultimatum.
Fünf Tage nach der Stürmung des Nasser-Spitals in Khan Yunis waren die israelischen Streitkräfte (IDF) offenbar auch am Montag immer noch auf dem Gelände des zweitgrössten Spital im Gazastreifen aktiv. Nach einer tagelangen Belagerung waren die IDF am vergangenen Donnerstag auf das Gelände vorgedrungen, da sie dort laut eigenen Angaben die Leichen von am 7. Oktober verschleppten Geiseln vermuteten. Hunderte von schutzsuchenden Zivilisten und Patienten mussten fliehen, teilweise offenbar unter heftigem Beschuss.
Soweit bekannt, hat die Armee bislang noch keine getöteten Geiseln entdeckt. In einer Erklärung vom Sonntag hiess es, man habe Medikamente gefunden, die für entführte Israeli vorgesehen gewesen seien. Die mit Namen beschrifteten Schachteln seien verschlossen gewesen und hätten die Geiseln offensichtlich nicht erreicht. Zudem seien «Hunderte von Terroristen und andere Terrorverdächtige» in dem Spital festgenommen worden. Einige hätten sich als medizinisches Personal ausgegeben.
Im Spital seien auch «grosse Mengen an Waffen» gefunden worden. In der Nähe des Spitals will die Armee auch ein Auto entdeckt haben, das angeblich am 7. Oktober aus dem Kibbuz Nir Oz gestohlen worden war. Die Hamas bestreitet, dass sie das Spital für militärische Zwecke nutzt. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
70 Spitalangestellte festgenommen
Am Sonntag teilte ein Sprecher des mit der Hamas verbundenen Gesundheitsministeriums im Gazastreifen mit, dass das Nasser-Spital den Betrieb habe einstellen müssen. Weil die Generatoren ausgefallen seien, würden die Räume mit Abwasser überschwemmt, und die Versorgung von Patienten auf der Intensivstation sei nicht mehr möglich. Es mangle ausserdem an Sauerstoff, deshalb seien bereits acht Patienten im Nasser-Spital gestorben. Laut palästinensischen Berichten sind 70 Spitalangestellte festgenommen worden, unter ihnen der Leiter der Intensivstation. Auch einige Patienten seien mit Lastwagen der Armee an unbekannte Orte gebracht worden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach am Sonntag ebenfalls davon, dass das Spital nicht mehr funktionsfähig sei. In einer Mitteilung führte dies WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus direkt auf den israelischen Angriff zurück. Dem Team der WHO sei es nicht erlaubt worden, das Krankenhaus zu betreten, um den medizinischen Bedarf zu beurteilen. Dennoch sei es gelungen, Treibstoff auf das Spitalgelände zu schaffen. Laut Ghebreyesus befinden sich nach wie vor 200 Patienten im Spital, wovon 20 dringend in andere Spitäler verlegt werden müssten. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters konnten am Montag 14 Patienten evakuiert werden.
Ein Sprecher der IDF hingegen liess am Sonntag verlauten, nach seinem Wissen sei das Spital weiterhin in Betrieb. Der Hauptgenerator des Spitals werde derzeit repariert, zudem seien am Samstag Benzin und Sauerstoff geliefert worden. «Es ist in unserem besten Interesse, dass das Krankenhaus weiter funktioniert», sagte er.
Selbst wenn das Nasser-Spital noch funktionieren sollte, befindet sich die Gesundheitsversorgung im Gazastreifen in einer katastrophalen Lage. Von einst 36 Kliniken in dem Gebiet sind wohl nur noch fünf teilweise in Betrieb. Manche wurden durch die Kämpfe beschädigt, andere wurden evakuiert oder können wegen Mangels an Treibstoff oder Medikamenten keine Behandlungen mehr vornehmen. Seit Kriegsbeginn sind die IDF mehrfach in Spitäler vorgedrungen, weil die Hamas diese angeblich für terroristische Aktivitäten nutzt.
Geiseln sollen bis zum Ramadan zurückkehren
Während sich die heftigsten Kämpfe nach wie vor auf Khan Yunis konzentrieren, bereitet sich Israel auf eine Offensive gegen Rafah vor, die südlichste Stadt im Gazastreifen. Diese Ankündigung hatte international Besorgnis ausgelöst, weil dort rund 1,4 Millionen Menschen Zuflucht suchen. Nun hat sich erstmals ein Mitglied des israelischen Kriegskabinetts dazu geäussert, wann diese Offensive beginnen könnte – und der Hamas ein Ultimatum gestellt.
Am Sonntag sagte Ex-General Benny Gantz: «Wenn unsere Geiseln bis zum Ramadan nicht zu Hause sind, werden die Kämpfe überall weitergehen, auch im Gebiet von Rafah.» Der muslimische Fastenmonat Ramadan beginnt dieses Jahr voraussichtlich am 10. März. Gantz betonte, dass Israel bei einer Offensive gegen Rafah die Evakuierung der Zivilbevölkerung ermöglichen werde. Zuvor hatte Netanyahu die IDF angewiesen, konkrete Pläne für ein solches Vorhaben auszuarbeiten.