Der Wettkampf ums Zürcher Stadtpräsidium und um Plätze in der Stadtregierung hat begonnen. Der aktuelle Stand.
Die neusten Entwicklungen
- Mit dem Kantonsrat Tobias Langenegger hat am 24. März der erste SP-Kandidat für einen Stadtratssitz seine Kandidatur offiziell angekündigt – explizit als Stadtrat, nicht als Präsident.
- Die SVP tritt mit ihrem Co-Präsidenten Ueli Bamert für den Stadtrat an. Dies gab die Partei am Mittwoch, 19.März, bekannt. Anders als zuletzt setzt sie nicht auf zwei, sondern nur auf einen Kandidaten. Ums Stadtpräsidium bewirbt sich die Volkspartei nicht.
- Am Dienstag, 18. März, hat die GLP bekanntgegeben, dass die Kantonsrätin Monica Sanesi nicht mehr für eine Stadtratskandidatur zur Verfügung stehe. Noch am Freitag, 7. März, hatte die Partei mitgeteilt, dass sie einen zweiten Sitz im Stadtrat anpeile. Neben ihrem bisherigen Stadtrat Andreas Hauri wollte sie entweder Sanesi oder die Gemeinderätin Serap Kahriman ins Rennen schicken. Nun bleibt nur noch Kahriman übrig. Über die definitive Nomination entscheiden die Parteimitglieder.
- Am Montag, 3. März, hat die SP zur Medienkonferenz mit Corine Mauch ins Cabaret Voltaire geladen. Die Stadtpräsidentin hat entschieden, 2026 nicht mehr anzutreten. Auch André Odermatt, Vorsteher des Hochbaudepartements, gab bekannt, dass er abtrete. Die Partei will die beiden Sitze mit neuen Kandidaturen verteidigen.
- Filippo Leutenegger (FDP) tritt nicht mehr als Stadtrat an, wie er am Mittwoch, 26. Februar, in einem Interview mit der NZZ ankündigte. Er wolle sich auf das Präsidium der kantonalen FDP konzentrieren, das er ebenfalls innehat. Um seine Nachfolge bewerben sich mehrere Kandidaten.
- Daniel Leupi (Grüne) hat am Montag, 27. Januar, seine erneute Kandidatur angekündigt. Leupi muss von seiner Partei erst nominiert werden. Das dürfte Formsache sein. Auch um die Wiederwahl muss er kaum fürchten. Leupi sagt, es gelte die Angriffe vom Kanton auf die städtischen Finanzen abzuwehren, von denen der Stadt grosser Schaden drohe. Da brauche es «ein gewisses Gewicht» auf der Position des Finanzvorstehers.
- Der Stadtrat hat beschlossen: Die Wahlen finden am 8. März 2026 statt. Das Datum eines allfälligen zweiten Wahlgangs ist der 10. Mai.
Die Wahlen in der Übersicht
Mit total 83 Amtsjahren ist die Zürcher Regierung überaltert. Deshalb stehen 2026 Veränderungen an. Zuallererst beim Präsidium, denn Corine Mauch (SP) verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Ebenso die Stadträte Filippo Leutenegger (FDP) und André Odermatt (SP).
Anders als 2022, als mit Simone Brander (SP) lediglich eine Stadträtin neu bestellt wurde, gibt es 2026 eine grössere Rochade. In den Parteien bringen sich mögliche Kandidatinnen und Kandidaten in Stellung.
Im Stadtrat stellt die SP heute 4 Sitze, die Grünen 2, die FDP 2; 1 Sitz wird von der GLP gehalten.
Zürich bekommt nach 17 Jahren eine neue Stadtpräsidentin oder einen neuen Stadtpräsidenten. Aber wen? Lange Zeit hiess es, der Finanzvorstand Leupi wolle Mauch unbedingt beerben. Gegenüber den Tamedia-Zeitungen machte er kürzlich aber klar, dass er das Präsidium nicht anstrebe – und auch nie angestrebt habe.
Bei der FDP hat der Stadtrat Michael Baumer, Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe, Ambitionen auf das Präsidium angemeldet. Unter Bürgerlichen gibt es aber auch Stimmen, die sich dafür eine Kandidatin oder einen Kandidaten von ausserhalb des traditionellen Parteiengefüges wünschen. Eine Figur wie Christian Jott Jenny, Theatermann und Gemeindepräsident von St. Moritz zum Beispiel, der von einer Allianz von SVP bis GLP getragen werden könnte.
Doch unter normalen Umständen wird die Frage nach der Mauch-Nachfolge nicht bei den Grünen oder den Bürgerlichen entschieden. Sondern in der SP, der mächtigsten Partei der Stadt. Das Präsidium ist seit 34 Jahren in ihrer Hand.
Der offensichtliche Kandidat wäre der Sozialvorstand Raphael Golta, gemäss den Wahlen 2022 der viertbeliebteste Stadtzürcher Politiker nach Mauch, Leupi und Odermatt.
Golta sagte am Montag (3. März), dass er das Amt als Sozialvorsteher abgeben wolle, dass er aber in anderer Funktion im Stadtrat bleiben möchte. Das Amt des Stadtpräsidenten würde ihn «reizen». Nun wolle er erst in seinem politischen Umfeld Gespräche führen, ehe er einen Entscheid über eine Kandidatur fälle.
Es dürfte in der SP mehrere Kandidaturen geben, fürs Stadtpräsidium wie für den Stadtrat. Die interne Ausmarchung ist auf den Frühsommer angesetzt.
Mit den Rücktritten von Corine Mauch (SP), Filippo Leutenegger (FDP) und André Odermatt (SP) werden drei Sitze im neunköpfigen Gremium frei.
Die erneute Kandidatur angekündigt haben Andreas Hauri (GLP), Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements, sowie Michael Baumer (FDP), Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe.
Die Tiefbauvorsteherin Simone Brander und der Sozialvorsteher Raphael Golta (beide SP) treten ebenfalls nochmals an, wobei Golta das Departement wechseln will.
Auch Daniel Leupi (Grüne) will im Amt bleiben. Offen ist somit einzig, ob auch seine Parteikollegin Karin Rykart, Sicherheitsvorsteherin, nochmals antritt. Davon ist auszugehen.
Für die Parteien birgt die Ausgangslage Risiken. Das gilt vor allem für die FDP. Die Partei mit einem Wähleranteil von 17,5 Prozent bei den Wahlen 2022 braucht zwei Stadtratssitze, wenn sie im rot-grün dominierten Stadtrat zumindest ein gewisses Gegengewicht bilden will. Baumer, nach dem Rücktritt von Filippo Leutenegger der einzige erneut kandidierende FDP-Stadtrat, wurde 2022 nur knapp gewählt, 1205 Stimmen lag er vor Walter Angst von den Alternativen.
Interessant ist die Frage, ob die Stadtregierung die politischen Vorlieben der Bevölkerung überhaupt abbildet – auch wenn die Stadtratswahlen Personenwahlen sind und die Sitze am Wahltag deshalb nicht proportional verteilt werden. Hier zeigt sich ein klares Bild: Rot-Grün ist mit total sechs Sitzen deutlich übervertreten. Auch die FDP liegt mit zwei Sitzen etwas mehr über dem Wert, den der Wähleranteil rechtfertigen würde.
Am grössten ist das Missverhältnis bei der SVP, die einen Neuntel der Wählerinnen und Wähler vertritt, aber seit Jahrzehnten keinen der neun Sitze im Stadtrat innehat.
Wer könnte Leutenegger ersetzen? Der bestgewählte liberale Stadtzürcher bei den Nationalratswahlen 2023, Andri Silberschmidt, ist aus der Stadt weg ins Säuliamt gezogen. Und die Gesundheitspolitikerin Bettina Balmer fokussiert sich lieber auf den Nationalrat.
Ein valabler Kandidat wäre der städtische Parteipräsident Përparim Avdili. Ein albanischer Secondo als Kandidat würde der Partei in der Stadt Zürich Sympathiepunkte bringen. Ambitionen hat dem Vernehmen nach auch Flurin Capaul, der redegewandte Gemeinderat aus Wiedikon.
Parteiintern wird allerdings der Ruf nach einer Kandidatin neben Baumer laut. Bei den letzten Wahlen kandidierte die Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel und blieb chancenlos. Momentan hält sie sich auf Anfrage bedeckt.
Aus der FDP-Gemeinderatsfraktion soll Marita Verbali, Unternehmerin und Spitalplanerin, Ambitionen hegen. Nicht zur Verfügung stehen hingegen Yasmine Bourgeois und Martina Zürcher, wie sie auf Anfrage der NZZ sagen.
Kaum ernsthafte Sorgen um Sitzverluste im Stadtrat muss sich die SP mit 28,6 Prozent Wähleranteil machen. Dort ist das parteiinterne Gerangel entscheidender als der Wahltag selbst. Wer vernetzter und beliebter ist in der Partei, gewinnt.
Mauch und Odermatt gelten als politische Zwillinge. Sie, die gleich alt sind und am gleichen Tag geheiratet haben, treten auch am selben Tag zurück. Bei der Partei, die streng auf korrekte Geschlechtervertretung achtet, wird somit ein Frauen- und ein Männersitz frei.
Bei den Frauen schwebt die Nationalrätin Jacqueline Badran über allen, aber sie hat schon mehrfach eine Kandidatur erwogen, sich dann aber immer aus beruflichen Gründen dagegen entschieden. Und ihre Ratskollegin Min Li Marti hat 2021 bei der SP-internen Kandidatenausmarchung gegen Simone Brander eine bittere Niederlage eingezogen. Das spricht für die Nationalrätin Céline Widmer.
Am 24. März hat Tobias Langenegger in den Tamedia-Zeitungen seine Kandidatur offiziell angekündigt – als Stadtrat, nicht als Präsident. Der 39-Jährige sitzt seit 2015 im Kantonsrat, seit 2022 ist er Co-Präsident der SP-Fraktion. Das wichtigste Ziel sei es, die «Verdrängung» ärmerer Gesellschaftsschichten aus der Stadt zu stoppen. Langenegger ist treibende Kraft hinter der kantonalen Wohninitiative, die den Gemeinden Vorkaufsrechte für Liegenschaften gewähren soll.
Ambitionen auf den «Männersitz» dürfte auch Kantonsrat Andrew Katumba hegen, der sich dezidiert für eine bessere Vertretung von Politikern mit Migrationshintergrund ausspricht. In der Stadt bringt sich für die allfällige Nachfolge von André Odermatt als Bauvorstand seit Jahren auch Marco Denoth in Stellung, ehemaliger Parteipräsident und Architekt von Beruf.
Auch die Stadtzürcher Grünen mit einem Wähleranteil von 14,3 Prozent dürften versuchen, einen dritten Sitz zu erreichen. Dafür kommt Anna-Béatrice Schmaltz infrage, Co-Präsidentin der städtischen Partei.
Schmaltz setzt sich für Tierschutz, für Queer- und für feministische Themen ein und dürfte in der Partei starken Rückhalt geniessen. Eine andere mögliche Kandidatin ist Selma L’Orange Seigo, Präsidentin der kantonalen Partei. Auf Anfrage zieht sie «grundsätzlich eine Kandidatur in Betracht».
In der Stadt werden die freien Sitze in der Regierung auch bei anderen Parteien Begehrlichkeiten wecken. Logisch ist eine zweite Kandidatur aus Sicht der GLP mit 13 Prozent Wähleranteil: Hauri hat als ihr bisheriger Kandidat beste Wiederwahlchancen, zu verlieren hat sie nichts.
Die GLP will einen zweiten Sitz. Bei den letzten Wahlen habe man im Stadtparlament lediglich einen Sitz weniger als die Grünen erzielt, die doppelt im Stadtrat vertreten seien.
Am Dienstag, 18. März, hat die Partei bekanntgegeben, wessen Name voraussichtlich neben Hauri auf dem Stadtratsticket stehen wird: der von Gemeinderätin Serap Kahriman. Über die Kandidatur entscheiden die Parteimitglieder am Donnerstag, 20. März.
Die Mitteilung der Grünliberalen kam überraschend. Keine zwei Wochen zuvor hatte die Partei nämlich angekündigt, dass sie neben Kahriman auch Kantonsrätin Monica Sanesi ins Rennen um den Platz neben Hauri schicke. Wie aus der Medienmitteilung vom Dienstag hervorgeht, hat die 52-jährige Sanesi sich nun «aufgrund von unvorhersehbaren familiären Umständen» aus dem Rennen zurückgezogen.
Zuvor wurde die Nationalrätin Corina Gredig als mögliche Kandidatin gehandelt. Sie sagte auf Anfrage, sie könne sich «grundsätzlich ein Exekutivamt im Kanton Zürich» vorstellen. Sie könnte damit für die Regierungsratswahlen 2027 zur Verfügung stehen.
Eher harzig dürfte die Kandidatensuche bei den Parteien am linken und am rechten Rand verlaufen. Die AL mit 6,6 Prozent Wähleranteil befindet sich im Umbruch – eine charismatische Figur wie Walter Angst hat sie derzeit schlicht nicht.
Die SVP mit 11,1 Prozent Wähleranteil ist sei 34 Jahren nicht mehr im Stadtrat vertreten, zahlreiche Kandidaten sind seither gescheitert. Nun tritt die Stadtpartei mit ihrem Co-Präsidenten Ueli Bamert an. Anders als zuletzt setzt sie nicht auf zwei, sondern nur einen Kandidaten. Ums Stadtpräsidium bewirbt sich die Volkspartei nicht.
Schlicht keine Rolle spielen werden die Mitte und die EVP mit weniger als 5 Prozent Wähleranteil.