Design-Referenzen
Hotelzimmer werden wieder individueller. Bereits beim Aufwachen soll man erkennen, in welcher Stadt man zu Besuch ist – darauf legen besonders Luxushotels wert.
Paris? Peking? Puerto Rico? Wer in einer der bekannten grossen Hotelgruppen absteigt, weiss oft kaum, wo er ist, es sieht immer irgendwie ähnlich aus. Corporate Identity nennt sich das – der Wiedererkennungseffekt gilt als hohes Gut in der internationalen Hotellerie. Neuerdings zeigt sich allerdings ein anderer Trend: Der Gast soll die Stadt, in der er sich befindet, auch in seinem Schlafzimmer erspüren können.
Paris Suite, Le Bristol, Paris
Das Le Bristol muss eigentlich nichts tun, um als Pariser Hotel empfunden zu werden. Das Haus an der edlen Shopping-Meile Rue du Faubourg Saint-Honoré ist eine Institution, die Art-Deco-Fassade mit ihren rot-weissen Marquisen weltberühmt und das Image des Hauses in Sachen «à la parisienne» kaum zu überbieten.
Gleich hinter der altmodischen Drehtür beginnt eine Welt mit opulenter Pracht, gedämpfter Geräuschkulisse und sehr vielen dienstbaren Geistern, die dem Gast das Leben so angenehm wie nur möglich machen. Eine Welt, die spätestens seit Woody Allens Blockbuster «Midnight in Paris» auch Menschen bekannt ist, die in den Ferien eher nicht diese Preisklasse buchen.
Trotzdem hat es sich das bald hundertjährige Gästehaus nicht nehmen lassen, seiner Paris-Suite ein kostspieliges «revamp» zu spendieren. Erhalten geblieben sind die zarten Pastelltöne und der Geist von Louis XVI, neu dazugekommen ist ein erfrischender Hauch von Zeitgeist, der die 160 Quadratmeter grosse Wohnfläche jung, modern und, ja, schon fast cool wirken lässt.
Dabei waren etablierte Meister am Werk: Die honigfarbenen Eichenböden wurden von denselben Handwerkern verlegt, die auch im Schloss Versailles gearbeitet haben, die verspielten Tapeten und Gardinen wurden von der Pariser Textil-Ikone Maison Pierre Frey entworfen. Die Grundfarbe – ein helles «bleu ciel» – vermittelt Leichtigkeit und widerspiegelt den oft gleichfarbigen Himmel der französischen Kapitale.
Die Suite befindet sich im sechsten Stock des Hotels, an der Ecke der Avenue Matignon und Rue du Faubourg Saint-Honoré, von ihrem umlaufenden, schmiedeeisernen Balkon sind der Eiffelturm und die Champs Élysée zu sehen. Im geräumigen Wohnzimmer stehen neben wertvollen Antiquitäten auch richtig bequeme Sofas, an den Wänden hängen historische Stiche und moderne Kunst.
Wer möchte, kann sich von Küchenchef Eric Frechon ein Drei-Sterne-Menu auf den eigenen Esstisch servieren lassen oder eine Portion Entenleber-Tartines mit einem Glas Champagner an der Bar bestellen und den Tag ganz pariserisch unter einheimischen Stammgästen ausklingen lassen.
oetkercollection.com, Suite Paris ab 15 750 Euro
«Portrait Milano», Mailand
Das Seminar des Mailänder Erzbischofs – immerhin mitten im Stadtzentrum zwischen dem lebhaften Corso Venezia und der exklusiven Einkaufsstrasse Via Sant’Andrea gelegen – durften einst nur Befugte betreten. Dann fast zwei Jahrzehnte lang überhaupt niemand mehr.
Erst als vor gut einem Jahr das Hotel Portrait Milano seine Türen öffnete, wurde der Palazzo wieder für die Öffentlichkeit zugängig. Die Mailänder entdeckten den majestätischen, von einer eleganten Kolonnade gesäumten Platz und auch das Luxushotel, das hier entstanden war.
Jetzt kommen sie in Scharen, vor allem an die schicke Hotelbar und ins Restaurant des Hotels. Das hat einen Grund: Sie fühlen sich hier zu Hause, die Räume passen zu ihnen. So auch das ganze Hotel und insbesondere die Borromeo Suite, die elegante unverfälschte «milanesità» verströmt.
Ihr Stil trägt die Handschrift des Architekten und Interior Designers Michele Bönan und ist eindeutig von den Mailänder Wohnzimmern der 1950er Jahre inspiriert: Mit einheimischem Walnussholz vertäfelte Wände waren damals sehr en vogue, ebenso wie grosszügig eingesetzte Rattan-Paneele, die den Räumen eine rhythmische Linearität und eine originelle Grafik verleiht.
Der Fussboden besteht aus naturbelassenem Lärchenholz und ist in einem typisch nordeuropäischen Dielenmuster verlegt. Bei den Farbelementen dominieren Rot und Grün – die beiden Komplementärfarben sind häufig in Mailänder Häusern zu finden und eng mit der Stadt und ihrem Wappen verbunden. Der leuchtende Rotton, der immer wieder auftaucht, ist zudem eine Hommage an Kardinal San Carlo Borromeo, der dieses Seminar 1564 gründete.
Doch Mailand ist nicht nur für seine Geschichte bekannt, sondern vor allem für die prägenden Elemente seiner Gegenwart: Design und Mode. Beides ist im Hotel vertreten und weist nicht zuletzt auf die Gastgeberfamilie Ferragamo hin. Die Lungarno Collection, zu der das «Portrait» gehört, ist Teil ihres Firmenimperiums, dessen genialer Gründer Salvatore Ferragamo gewissermassen für das Zusammentreffen der beiden Welten steht.
lungarnocollection.com, Suite ab 13 000 Euro
Hakawati Suite, 25hours Hotel One Central, Dubai
Die 25hours Hotels haben wie kaum eine andere Hotelgruppe von Anfang an auf offensichtliches Lokalkolorit gesetzt. In Dubai wohnt man mit Blick auf die Emirates Towers und das Museum of the Future, nur drei Metro-Stationen von Downtown Dubai, dem Burj Khalifa und der Dubai Mall entfernt.
Die Geschichte und Geschichten der Region widerspiegeln sich im Design des Hotels, Gäste erleben hier, wie die Mythen und Traditionen alter Beduinenvölker zum Leben erweckt werden – schon die 434 Zimmer und Suiten in den Varianten Bedouin, Glamping und Farmstay versprechen Orient-Flair.
Erst recht die 228 Quadratmeter grosse Hakawati-Suite, die dem arabischen Geschichtenerzähler in der Wüste gewidmet ist. Sie punktet mit Doppelbadewanne, Sheikh-Size-Bett (dreifaches Kingsize), einem Esstisch für zehn Personen, zwei Bars (indoor und outdoor), DJ-Corner, Tanzfläche, Kamin und einem atemberaubenden Blick auf das Museum of the Future. So weit die Hardware.
Die Software ist ein von viel abgewetzt wirkendem Holz, Terrakotta getünchten Wänden sowie orientalisch gemusterten Teppichen und bunten Kissen geprägtes 1001-Nacht-Wüstenzelt-Ambiente, unterbrochen von azurblauen Mosaikwänden, vertikalen Gärten und zeitgeistorientiertem Mobiliar.
Hier treffen die alte Beduinenkultur auf trendiges Dubai-Glam, arabisches Kunsthandwerk auf westliche Kreativität, Bodensitzkissen und breite Daybeds auf coole Barhocker und Schindelhauer Fahrräder – also Dinge, die auf gestern verweisen, und solche, die ganz von heute sind.
Weiterhin bietet das Hotel ein paar aussergewöhnliche Extras, etwa die 5000 Bücher in der märchenhaften «Fountain of Tales»-Bibliothek, das Moonlight Cinema unter freiem Himmel, den weltweit ersten «25hours»-Pool mit der Monkey Pool Bar auf dem Dach des Gebäudes und die erste gemischte Outdoor-Sauna der Vereinigten Arabischen Emirate.
25hours-hotels.com, Suite ab 15 000 AED (ca. 3500 Franken)
Signature-Houses, Rosewood, München
Wie jedes Hotel der Rosewood-Gruppe bezieht sich auch das im vergangenen Herbst eröffnete Münchner Haus auf den Standort. Natürlich hilft der imposante historische Palast der alten Bayerischen Staatsbank und die Lage im Herzen der Altstadt.
Doch München und vor allem Bayern widerspiegeln sich auch in den Farben und Materialien, die das zeitgeistorientierte Interieur prägen: Viel Holz, Leder und Stein erinnern daran, dass die Alpen nicht fern sind. Ganz besonders ist der «sense of place» in den fünf nach Mitgliedern der Wittelsbacher-Familie benannten Signature-Houses zu sehen.
Das kleinste davon ist Prinzessin Ferdinande gewidmet. Es befindet sich auf der 2. Etage und weist als Besonderheit einen voll verglasten Salon auf, der die historische Glasbrücke, die das Gebäude mit dem nebenan gelegenen Parkhaus verbindet, bespielt.
Die Schwarz-Weiss-Fotos an den Wänden zeigen Nahaufnahmen vom Monopteros im Englischen Garten, dem Eisbach oder der Maximiliansbrücke. Anderswo hängen farbenfrohen Bilder von glamourös gestylten Berühmtheiten, die mit München in Verbindung standen. Über dem breiten Bett sind etwa König Ludwig und Kaiserin Elisabeth mit Schloss Neuschwanstein im Hintergrund zu sehen.
In den Regalen stehen Bücher, die extra für die Houses ausgesucht wurden – etwa ein Bildband über Bayerns Könige, der «World Atlas of Beer» oder ein Führer durch die Gemälde der Münchner Pinakotheken. Personalisiert und sehr münchnerisch ist auch das sahneweisse, modern gestylte Porzellan der Minibar. Es stammt von der Porzellanmanufaktur Nymphenburg und ist mit den Initialen der «Bewohner» geschmückt – bei Prinzessin Ferdinande also PF.
KM steht dagegen für König Maximilian, Namensgeber des mit 250 Quadratmetern grössten und mit einem Preis ab 20 000 Euro pro Nacht teuersten der Houses, PA für das Prinzessin-Auguste-House, das mit zwei phantastischen Aussenbereichen punktet: einer riesigen Terrasse mit antiken Statuen und Blick über München und einem kleinen Balkon, der nur durch die Dusche betreten werden kann.
rosewoodhotels.com, House ab 3500 Euro
Paradeplatz-Suite, «Mandarin Oriental Savoy», Zürich
Seien wir ehrlich: Ein Blick aus dem Fenster und vom lang gezogenen Balkon, der fast die ganze Gebäudefront der 5. Etage einnimmt, reicht. Man weiss, wo man ist. Selbst wenn es der erste Besuch in Zürich ist. Sprüngli, UBS, Credit Suisse, die Tram-Insel mit ihrem ovalen Flachdach für wartende Fahrgäste – das kann nur der Paradeplatz sein, das Herzstück der Bahnhofstrasse und Knotenpunkt zwischen Bahnhof, Altstadt und See.
Im 17. Jahrhundert hiess der Platz «Säumärt» (Schweinemarkt), weil hier der Viehmarkt stattfand. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde er in «Neumarkt», 50 Jahre später in «Paradeplatz» umbenannt. Nachlesen kann man das alles im Buch «Zürich – ein historisches Porträt», das neben dem Bildband «Secret Places Schweiz» auf dem Kaminsims liegt.
Kamin? Bücher? Balkon? Das neu eröffnete «Mandarin Oriental Savoy» stellt den Anspruch, den Gästen ein Zuhause zu bieten, das sich möglichst privat und heimelig anfühlt. Wer sich in der Paradeplatz-Suite wie bei sich zu Hause fühlt, darf allerdings beneidet werden. Denn die Räume – Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, insgesamt 92 Quadratmeter – atmen mit ihrem matt schimmernden Parkett, den zarten handbemalten Seidentapeten und weich geschwungenen Samtsofas den schlichten Luxus jener Orte, die es nicht nötig haben, zu protzen.
Die optischen Andeutungen auf Zürich sind subtil: Die matten Blautöne vom See, die Grüntöne von den Kirchendächern und das Grau des Asphalts und der Gebäude finden sich an Teppichen, Polstern und Gardinen wieder, grossformatige Fotos zeigen den Zürichsee im goldenen Abendlicht, handbemalte Seidentapeten und Seidenkunstwerke erinnern daran, dass die Stadt eine Seidenhochburg gewesen ist.
Dazu: das historische italienische Gourmetrestaurant Orsini, eine ebenso traditionsreiche Brasserie mit klassischer französisch-schweizerischer Küche und – ab April – eine sensationelle Rooftop-Bar mit Cocktails und asiatischem Fingerfood.
mandarinoriental.com, Paradeplatzsuite ab 6500 Franken