Früher tranken vor allem Bauarbeiter ihren Kaffee aus robusten Thermoskannen. Durch geschicktes Influencer-Marketing sind die Becher nun zum Verkaufsschlager geworden.
Thermobecher sind eigentlich eine gute Sache. Man spart Geld, weil man unterwegs nichts zu trinken kaufen muss, man handelt nachhaltig, weil man auf umweltschädliche Plastikflaschen verzichtet, und praktisch sind die Becher ausserdem, weil sie Getränke lange warm bzw. kalt halten.
Mitglieder der Generation Z und auch die Millennials haben den Gebrauch der Becher kultiviert. «Hydrated» zu sein, also genug Wasser zu trinken, ist für die jungen Leute eine Art Religion, genauso wie Yoga, Achtsamkeit, Nachhaltigkeit und früh schlafen zu gehen.
Das Problem ist nur: Der Wille, die Umwelt zu schützen, mag da sein, aber ab und zu will sich der Mensch eben auch etwas Neues und Schönes kaufen. Hier kommt der Stanley-Cup ins Spiel.
Lange Warteschlangen vor dem Verkaufsstart
Dabei handelt es sich übrigens nicht um die Trophäe im Eishockey. Der Stanley-Cup, um den es hier gehen soll, ist ein praktischer Thermobecher aus Edelstahl. Er ist das neue Must-have der Generation Z, vor allem bei Frauen ist er beliebt. Mit einer Höhe von etwa 26 Zentimetern und einem Fassungsvermögen von 1,2 Litern wirkt er fast so gross wie ein Eimer; an der Seite ist ein Griff und im Deckel ein eingebauter Trinkhalm. Der Preis: 45 Dollar.
Inzwischen gibt es den Stanley-Cup in allerhand bunten und pastelligen Farben und Sondereditionen, auch Stars wie Adele trinken aus dem Becher. Ein limitiertes Modell in Pink, das im Januar in den USA in einer Kooperation mit Starbucks auf den Markt kam, war in Minuten ausverkauft. Inzwischen wird es auf Ebay für 200 Dollar verkauft. Am ersten Tag hatten Kunden vor den Läden campiert, und als die Türen geöffnet wurden, kam es teilweise zu Chaos. Wenige Wochen später wurde in Kalifornien eine Frau gefasst, die 65 Becher in ihrem Kofferraum hatte. Sie soll sie in verschiedenen Läden gestohlen haben.
Eine robuste Kanne für Bauarbeiter und Outdoor-Fans
Im Jahr 1913 hatte der Amerikaner William Stanley jr. eine erste Version des Bechers entworfen; sie ähnelte einer klassischen Thermoskanne. Damals nahmen sie vor allem Bauern und Bauarbeiter mit zur Arbeit, im Zweiten Weltkrieg tranken aus den robusten Kannen auch Piloten ihren Kaffee. Ab dann fristete der Becher ein Nischendasein und war nur bei Outdoor-Fans beliebt.
Der neue Boom begann 2016, als Stanley den «Quencher» auf den Markt brachte, einen Becher, der 1,2 Liter fasste. Zunächst verliefen die Verkäufe schleppend, doch durch geschicktes Marketing zogen sie bald an.
Der Stanley-Cup übersteht sogar einen Unfall
Einen ersten kleineren Ansturm gab es, nachdem Bloggerinnen der Plattform «The Buy Guide» den Becher empfohlen hatten. Ins Astronomische schossen die Verkaufszahlen dann durch ein Video einer Frau namens Danielle.
Im vergangenen Herbst hatte die 37-Jährige mit ihrem Auto einen Unfall. Auf Tiktok zeigte sie ein Video vom Inneren ihres Wagens: Sitze und Armaturen waren völlig verkohlt, nur der Stanley-Cup sass noch nahezu unversehrt in seiner Halterung. Als die Frau ihn schüttelte, hörte man sogar noch das Klackern der Eiswürfel. Eine bessere Werbung gibt es nicht.
Das Video ging viral und wurde millionenfach angeschaut. Es erreichte schliesslich auch den Stanley-Chef Terence Reilly, der sich die Chance für gelungenes Marketing nicht entgehen liess. Reilly hatte zuvor bei Crocs gearbeitet und dort schon die klobigen Sandalen populär gemacht. Reilly nahm mit der Verunfallten Kontakt auf und spendierte ihr nicht nur einen neuen Becher, sondern auch ein neues Auto.
Warum ist der Becher so beliebt? Vielleicht, weil man sich an ihm festhalten kann, wenn man morgens zur Universität oder zur Arbeit geht. Mit einer Trageschlaufe kann man ihn sich sogar umhängen. Ein treuer Begleiter, der jederzeit ein leckeres Getränk bereithält, wenn es in der Welt zu ungemütlich wird, und der auch noch gut aussieht.
Deshalb sei es eigentlich auch egal, ob wir uns einen neuen Stanley-Cup oder den Heiligen Gral kauften, heisst es beim amerikanischen TV-Sender CNN. Denn die Hoffnung sei immer dieselbe: dass erst mit einem neuen, noch schöneren Trinkgefäss unser Leben endlich perfekt ist. Der Preis ist da nur noch Nebensache.