Vulkanausbrüche, Eiszeiten, Dürren: Verschiedene Male sollen Krisen unsere Vorfahren beinahe ausgerottet haben. Forscher streiten sich um drei mögliche Katastrophenszenarien.
Mehr als 8,1 Milliarden Menschen bevölkern derzeit die Erde. Der Homo sapiens dominiert den Planeten wie keine andere Spezies. Doch das war nicht immer so. Zu gewissen Zeiten lebten wohl nur einige tausend Individuen unserer Art. Die geringe genetische Vielfalt der heutigen Menschen weist darauf hin, dass wir alle von einer ziemlich kleinen Gruppe abstammen.
Laut manchen Archäologinnen und Paläoanthropologen stand es um den modernen Menschen einmal sogar so schlecht, dass er beinahe ausgestorben wäre. Über das Timing des knapp verhinderten Artentods sind die Experten aber uneins. Drei prominente Theorien haben sie hervorgebracht.
Schon der Homo heidelbergensis soll fast ausgestorben sein
Vor einem Jahr sorgten Forscher aus China für Aufsehen, als sie in «Science» verkündeten, schon vor 900 000 Jahren seien unsere Vorfahren fast von der Bildfläche verschwunden. Damals, lange vor der Entstehung des Homo sapiens, sei unsere Ahnenpopulation von zuvor knapp 100 000 um fast 99 Prozent geschrumpft: Nur noch 1300 Individuen hätten sich fortgepflanzt.
Das Forschungsteam analysierte das Erbgut von 3154 heute lebenden Menschen mit einer neuen statistischen Methode. Indem sie die verschiedenen Genome miteinander verglichen, wollten die Wissenschafter Rückschlüsse auf wichtige populationsbildende Ereignisse ziehen.
Der so von ihnen entdeckte Bevölkerungsrückgang betraf laut den Studienautoren den Homo heidelbergensis, aus dem erst später der Neandertaler, der Denisova-Mensch sowie der moderne Mensch hervorgegangen sein sollen. Als möglichen Grund für den Rückgang nennen die Forscher eine Vergletscherung und anhaltende Dürren. Die Kontrolle über das Feuer habe später womöglich dazu beigetragen, dass sich die Population wieder erholt habe.
Fand der Homo sapiens Zuflucht in Südafrika?
Forscher wie der amerikanische Archäologe Curtis Marean wiederum brachten die Hypothese auf, eine Kaltzeit habe den Homo sapiens erst später – vor etwa 150 000 Jahren – an den Rand des Aussterbens gebracht. Dabei verwiesen die Wissenschafter auf populationsgenetische Berechnungen, wonach damals vielleicht nur noch einige hundert Menschen gelebt hätten.
Laut Marean haben die letzten Vertreter unserer Art im Süden Afrikas überlebt, während Gletscher weite Teile der restlichen Welt überzogen. Belege dafür fand der Archäologe mit seinem Team in den Pinacle-Point-Höhlen an der Küste Südafrikas.
Dort stiessen die Forscher auf Überreste von Schalentieren, die die letzten Überlebenden auch in dieser kritischen Zeit aus dem Meer fischen konnten. Zudem vermutet Marean, dass sich die Menschen auch von grossen Säugern wie Antilopen oder Zebras und von Knollenpflanzen ernährten. Diese fanden sie in den Ebenen der Region, die selbst zu dieser Zeit von Gras bewachsen waren.
Die stärkste Eruption der Menschheitsgeschichte
Das spektakulärste Unglück, das unsere Art vielleicht fast in den Abgrund führte, ereignete sich jedoch vor 74 000 Jahren. Im Norden der Insel Sumatra brach der Vulkan Toba aus. Es war die stärkste Eruption eines Vulkans, die die Menschheit jemals erlebte. Asche verdunkelte den Himmel, die Erdtemperatur kühlte sich um mehrere Grad ab, viele Pflanzen verendeten.
Manche Forscher sind der Ansicht, dass nur wenige tausend Menschen die apokalyptischen Jahre überlebten, die auf den Ausbruch folgten. Dies soll wiederum im Süden Afrikas möglich gewesen sein. Tatsächlich herrschten auf dem Planeten damals harsche Bedingungen: Auch bei Tieren wie Schimpansen, Orang-Utans, Tigern und Geparden kam es zu drastischen Populationsrückgängen.
Lange war die Toba-Katastrophen-Theorie weit akzeptiert. In den vergangenen Jahren kamen aber Zweifel auf, ob sie für die Menschheit wirklich so verheerend war wie zunächst angenommen. Neuere archäologische Funde weisen auf das Überleben von Menschen in mehreren Weltgegenden hin. Selbst auf der Insel Flores, die nicht allzu weit von Sumatra entfernt liegt, soll der kleinwüchsige Frühmensch Homo floresiensis den Vulkanausbruch überstanden haben.
Es fehlen die Beweise
Auch an den anderen beiden Theorien gibt es Kritik. «Die Informationen, die in unseren Genen enthalten sind, lassen den Schluss nicht zu, dass die menschliche Population in den letzten 300 000 Jahren einmal auf wenige hundert Individuen geschrumpft ist», sagt der Populationsgenetiker Stephan Schiffels vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Je weiter man in der Zeit zurückgehe, desto schwieriger werde eine solche Schätzung. Die Arbeit seiner chinesischen Kollegen aus dem vergangenen Jahr hält er für fehlerhaft. «Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die menschliche Linie irgendwann einmal fast vor dem Aussterben stand. Beweisen lässt sich das aber nicht.»
Fest steht dafür, dass spätestens nach der Erfindung des Ackerbaus die Existenz der Menschheit nie mehr auf der Kippe stand: Vor etwa 11 000 Jahren nahm die Weltbevölkerung merklich zu. Der grosse Schub kam dann mit der Industrialisierung. Ab Anfang des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Menschen auf der Erde exponentiell an. Der Zuwachs wird laut Prognosen der Uno noch bis ins Jahr 2084 dauern – 10,3 Milliarden Menschen soll es dann geben. Danach wird die Menschheit wieder schrumpfen, weil die Zahl der Geburten pro Frau stetig abnimmt. Doch unsere Reserven sind gross. Aussterben werden wir nicht so bald.
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