Am Freitag soll der Bundesrat über das Verhandlungsmandat entscheiden. Die Parteien bringen sich in Stellung.
Die Beziehungskrise mit der EU dauert an. Am Freitag ist der nächste Schritt geplant: Der Bundesrat soll das definitive Mandat für die Verhandlungen mit der EU verabschieden. Das Vertragspaket steht, an den Eckwerten dürfte sich kaum etwas ändern, mit punktuellen Korrekturen ist nach der innenpolitischen Konsultation jedoch zu rechnen. Danach ist vieles offen.
Eines aber steht fest: Alle Parteien mit Ausnahme der SVP und der GLP, die den Deal vehement bekämpfen bzw. unterstützen, werden Mühe haben, sich intern auf eine Position zu einigen. Die FDP will sich festlegen, sobald das Verhandlungsergebnis vorliegt – dann aber in aller Breite und Tiefe. «Wir planen dafür eine spezifische Delegiertenversammlung oder einen eigens einberufenen Parteitag», sagt Thierry Burkart im Gespräch.
Der FDP-Präsident weiss, wie umstritten das Thema in seiner Partei ist. Deshalb will er, dass sich die Mitglieder dazu äussern können, bevor das Geschäft in den parlamentarischen Prozess geht – und somit auch lange bevor das Volk das letzte Wort spricht. «Auch diese komplexe Frage wird schliesslich mit einem Ja oder einem Nein beantwortet. Und diese Frage ist uns zu wichtig, um sie von oben zu diktieren. Die FDP wird sich in einem basisdemokratischen Prozess positionieren, um möglichst viele in den Entscheid einzubinden und schnell eine klare Position zu haben.» Von den Unterlegenen erwarte er danach eine gewisse Zurückhaltung im öffentlichen Diskurs – «aus Respekt vor dem Entscheid der Parteibasis».
«Unsensibel»
Während viele Befürworter auf Samtpfoten unterwegs sind, trommelt die SVP seit Wochen mit aller Kraft gegen den «Knebelungs»- alias «Unterwerfungs»- alias «Kolonialvertrag». Sie stört sich vor allem an den neuen Regeln zu Rechtsübernahme und Streitschlichtung, die in jenen Bereichen vorgesehen sind, in denen die Schweiz am EU-Binnenmarkt teilnimmt. Am Mittwoch hat der SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi nachgelegt: In einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen ruft er den Bundesrat auf, das Mandat abzulehnen, die Verhandlungen abzublasen.
Inhaltlich ist das nicht überraschend, auffällig ist aber, dass Aeschi im Beitrag primär als Präsident der Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) auftritt und nur in zweiter Linie als SVP-Fraktionschef. Das ist insofern speziell, als Aeschi nicht die Position der Kommission vertritt. Im Gegensatz zu Aeschi hat sich die WAK relativ deutlich – alle gegen die SVP – für die Verhandlungen ausgesprochen.
Aeschi betont, er weise im Interview auf die Haltung der Mehrheit hin. Im Bundeshaus rümpfen dennoch manche die Nase, andere ärgern sich. Der Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy, selber WAK-Mitglied, sagt, aus seiner Sicht spreche Aeschi im Interview primär als Fraktionschef. Der Auftritt sei «unsensibel»: Indem er sich stark auf die Kommissionsarbeit beziehe, vermische er die Funktionen. Hier erwarte er künftig eine striktere Trennung der Aufgaben.
Aeschi seinerseits erachtet seine Intervention als legitim, weil die Bedenken und die Skepsis in der WAK gross seien. «Die Mehrheit ist einfach davor zurückgeschreckt, Verantwortung zu übernehmen und auszusprechen, was eigentlich allen klar sein sollte: Dieses Vertragspaket hat in der Schweiz keine Chance.» Das gelte nicht nur für die WAK: Auch wenn sich nun praktisch alle Verbände bis hin zu den Gewerkschaften für neue Verhandlungen aussprächen, sei angesichts ihrer Forderungen klar, dass das Paket scheitern werde.
Mitte will schnell vorwärtsmachen
Das sehen nicht alle so. Die National- und Ständeräte der Mitte-Partei, die im europapolitischen Poker eine wichtige Rolle spielen dürften, sich aber inhaltlich ebenfalls nicht alle einig sind, haben diese Woche eine vertiefte Diskussion über das Dossier geführt. Sie hörten nicht nur den Staatssekretär Alexandre Fasel und den Chefunterhändler Patric Franzen an, sondern auch den Regierungsrat Markus Dieth als obersten Vertreter der Kantone, die das Paket prominent unterstützen.
Nach der Aussprache hinter verschlossenen Türen gab die Mitte-Fraktion bekannt, sie befürworte «rasche Verhandlungen». Das mag man als Hinweis an den Bundesrat lesen, schnell vorwärtszumachen – und allenfalls das Stromabkommen, bei dem sich viele Fragen stellen, erst später abzuschliessen. Denn parteipolitisch dürfte der Fall für Mitte, FDP und SP klar sein: Niemand von ihnen hat ein Interesse daran, dass dieses dornenreiche Thema ausgerechnet im Wahljahr 2027 ins Parlament kommt, geschweige denn an die Urne.