Wenn eine Branche satte Gewinne schreibt wie jetzt die Stromfirmen, gibt das eigentlich das Signal zum Investieren. Doch wenn man gegen alle neuen Anlagen ist, darf man sich über hohe Preise nicht wundern.
Da macht man die Faust im Sack. Die Schweizerinnen und Schweizer bezahlen im Schnitt 50 Prozent mehr für Strom als noch 2021, also vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Gleichzeitig schreiben die Stromkonzerne Rekordgewinne: Am Dienstag hat das Bündner Unternehmen Repower gemeldet, seinen Gewinn auf 300 Millionen Franken versechsfacht zu haben. Bei den Schwergewichten Alpiq, Axpo und BKW sieht es nach vielen mageren Jahren ähnlich aus. Der Grund ist klar: Die Strompreise hatten 2022 und 2023 wegen des Ukraine-Krieges und der Furcht vor einem Strommangel Rekordstände verzeichnet.
Mittlerweile hat sich die Lage an den Strommärkten etwas normalisiert, doch das kommt beim Konsumenten erst mit einer Verzögerung an, weil die Versorgungsfirmen oft gestaffelt Strom einkaufen. Mehr ärgern als über temporäre Gewinne der Produzenten sollte man sich aber darüber, dass man als Privathaushalt ganz dem jeweiligen Monopolisten vor Ort ausgeliefert ist. Wenn dieser teuer eingekauft hat, dann gute Nacht.
Warten auf staatliche Subventionen
Die Preishausse hat auch gezeigt, dass Stromkonzerne in Schwierigkeiten geraten können, wenn sie ihre ganze Produktion lange im Voraus an der Börse verkaufen. Der grösste unter ihnen, die Axpo, musste befürchten, die notwendige Liquidität nicht mehr aufzubringen, weshalb der Bund einen Rettungsschirm aufzog.
Dieser ist immer noch aufgespannt – und dies ist wirklich stossend. Der Bund liebäugelt nun damit, die grossen Firmen wie die Grossbanken unter ein «Too-big-to-fail»-Regime zu stellen und detailliert zu regulieren. Doch das wäre der falsche Weg. Wichtig ist, dass der produzierte Strom auch dann an den Markt kommt, wenn eine Firma in Schwierigkeiten gerät. Dafür eine Lösung zu finden, sollte machbar sein, so dass Stromfirmen weiterhin in Konkurs gehen können.
Wenn eine Branche satte Gewinne schreibt wie jetzt die Stromfirmen, ist das eigentlich ein gutes Signal. Denn es zeigt an, dass sich Investitionen in diesem Bereich lohnen. Also müssten neue Projekte nur so aus dem Boden spriessen. Doch von Aufbruchstimmung ist nicht viel zu spüren.
Repower realisiert zwar zwei alpine Solaranlagen, doch in diesem Bereich ist die Euphorie in der Schweiz längst verflogen. Im Mittelland wiederum sind grosse Solarkraftwerke tabu. Und bei der Wasserkraft muss man schon froh sein, wenn sie ihre Stärke behält.
So fallen in den nächsten Jahren viele Wasserkraftwerke an die Gemeinden zurück, weshalb die Energiekonzerne mit Investitionen zögern. Neue Kernkraftwerke sind ohnehin verboten, immerhin erwägt die Axpo die Betriebsdauer von Beznau zu verlängern. Dazu kommt der unübersichtliche Förderdschungel ohne klaren Fokus, so dass man zuweilen den Eindruck hat, jeder warte nur darauf, Geld vom Staat zu bekommen.
Keine Risiken für die Steuerzahler
Die Stromkonzerne investieren jedenfalls immer öfter im Ausland, in spanischen Solarstrom, in französische und deutsche Windkraft. Oder sie weichen ins Installationsgeschäft aus, wie das die BKW gemacht hat, die viele Ingenieurbüros zusammengekauft hat. BKW, Alpiq oder Axpo sind jedoch mehrheitlich oder ganz in öffentlichem Besitz. Dies passt somit nicht mehr zu ihrem Aktionsradius. Man stelle sich Kantonalbanken vor, die immer mehr im Ausland aktiv sind oder plötzlich Handy-Abos verkaufen.
Somit gilt es drei Dinge zu tun: Wer von Strommarkt spricht, muss die öffentliche Eigentümerschaft von Axpo & Co. überdenken. Risiken tragen besser private Akteure als die Steuerzahler. Zweitens gilt es die Haushalte von den Fesseln der Monopole vor Ort zu befreien. Drittens schliesslich muss sich jeder bewusst sein: Wenn man sich über die hohen Stromkosten ärgert, könnte das auch damit zu tun haben, dass man unter keinen Umständen eine grosse Solaranlage, einen Windpark oder – horribile dictu – ein Gas- oder Kernkraftwerk in der Nähe haben will.