Das historische Geschäftshaus am Zürcher General-Guisan-Quai wird ab Herbst umfassend saniert.
Die Distanz ist kurz, und doch ist es eine ausserordentlich aufwendige Zügelaktion: Im Herbst will der Versicherer Swiss Life seinen Hauptsitz in der Stadt Zürich vollständig räumen und ins Hochhaus zur Palme umziehen.
Damit verschieben sich die Arbeitsplätze von 850 Mitarbeitenden zirka 500 Meter weiter an den Bleicherweg im Stadtinneren – und von einer architektonischen Ikone in die andere.
Hintergrund des Umzugs sind umfassende Sanierungsarbeiten am historischen Hauptsitz am General-Guisan-Quai 40, wie ein Sprecher von Swiss Life erklärt. Im Fokus stünden dabei verschiedene Teile der Gebäudetechnik. Diese seien zuletzt vor zwanzig Jahren überarbeitet worden und müssten nun auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden.
Der Hauptsitz von Swiss Life wurde 1939 nach Plänen der Zürcher Architektenbrüder Otto und Werner Pfister fertiggestellt. Dass die Liegenschaft nun modernisiert werde, diene auch ihrem langfristigen Werterhalt, sagt der Sprecher.
Das ikonische Hochhaus zur Palme befindet sich dagegen erst seit 2017 im Besitz von Swiss Life. Der Kaufpreis dürfte zwischen 160 und 170 Millionen Franken betragen haben. Nun wird das Hochhaus zur Vorbereitung auf die Zwischennutzung ebenfalls saniert.
Der Hauptsitz und das Provisorium von Swiss Life mögen sich zwar in Gehdistanz zueinander befinden – doch architekturgeschichtlich stehen sie für Philosophien, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Während der Flachbau am General-Guisan-Quai noch der soliden Bauweise der Zwischenkriegszeit verpflichtet ist, verkörpert das Hochhaus zur Palme schon ganz die modernistische Leichtigkeit der fünfziger und sechziger Jahre.
Reihenweise Prestigebauten
Die Brüder Otto und Werner Pfister machen sich mit dem Grieder-Haus am Paradeplatz und dem Kaufhaus St. Annahof an der Bahnhofstrasse sowie dem Hauptsitz der Schweizerischen Unfallversicherung in Luzern kurz vor dem Ersten Weltkrieg einen Namen. Es sind eindrucksvolle Gebäude, die mit ihren detailreichen Verzierungen und den runden Formen noch dem Jugendstil verpflichtet sind.
Ab dem Jahr 1919 steigen die Brüder rasch zu den gefragtesten Zürcher Architekten der damaligen Zeit auf. Sie werden zu prägenden Gestaltern des modernen Zürcher Stadtbildes.
In der Zwischenkriegszeit erhalten sie eine Reihe von prestigeträchtigen Aufträgen. So werden sie mit einem umfangreichen, zwanzig Jahre dauernden Umbau des Hauptsitzes der Kreditanstalt am Paradeplatz betraut. Ihre Hauptwerke entwerfen und realisieren sie quasi nebenbei: den Zürcher Ableger der Nationalbank in der Stadthausanlage, die kantonalen Verwaltungsgebäude am Neumühlequai und den Bahnhof Enge.
1939 folgt der neue Hauptsitz der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt, der heutigen Swiss Life.
Ein scheinbar schwebender Turm
Bei Bauherren und Pressevertretern finden die Entwürfe der Brüder Pfister auch nach dem Zweiten Weltkrieg ungebrochen grossen Anklang. 1958 setzen sich die beiden mit dem Erweiterungsbau des Kunsthauses, dem Bührlesaal, ihr endgültiges Denkmal.
Jüngere Berufskollegen und vor allem die Vertreter des Neuen Bauens sehen die Pfister-Bauten dagegen zunehmend kritisch: Sie haben wenig übrig für deren massive Bauweise. Stattdessen sehnen sie sich nach leichten Strukturen und schnörkelloser Eleganz.
Ein erster Gegenentwurf zu den Visionen der Brüder Pfister entsteht ebenfalls 1939 und ganz in der Nähe des Swiss-Life-Baus. Das Kongresshaus des aufstrebenden Architekturbüros von Max Ernst Haefeli, Werner Max Moser und Rudolf Steiger gilt mit seinem schlanken Baukörper, der verglasten Fassade und dem behutsam aufgesetzten Dach als frühe Ikone des Neuen Bauens in der Schweiz.
Das Dreiergespann Haefeli, Moser und Steiger reduziert seine Formensprache in den nächsten Jahren noch stärker. Beim Universitätsspital erbringen sie den Beweis, dass sie filigrane Konstruktionen problemlos mit hoher Zweckmässigkeit zu verbinden wissen.
Den Büroturm am Bleicherweg stellen die Architekten auf einen ausladenden Sockelbau. Ein brillanter Kniff: Einerseits bildet der Sockel ein tragfähiges Fundament auf dem weichen Baugrund. Ausserdem kann aus der Ferne der Eindruck entstehen, die zwölf Geschosse mit einer Nutzfläche von beinahe 10 000 Quadratmetern schwebten bloss über den Strassen des Enge-Quartiers.
Nach einer höchst komplizierten Planungsphase kann das Hochhaus zur Palme 1964 endlich eingeweiht werden. Mit seinem sichtbaren Betongerüst, der integrierten Tankstelle und dem ersten Schnellrestaurant der Stadt steht es sinnbildlich für den Fortschrittsglauben jener Zeit.
Das Werk der drei Zürcher Architekten stösst auch unter ausländischen Kritikern auf Zustimmung. In Zürich dagegen fallen die Reaktionen ambivalent aus. Stadtpräsident Emil Landolt legt höchstpersönlich sein Veto ein, als das Gebäude die «Auszeichnung für gute Bauten» hätte erhalten sollen.
Nach zwei Jahren wird erneut gezügelt
Geht alles nach Plan, dauern die Sanierungsarbeiten am General-Guisan-Quai ungefähr zwei Jahre. Danach will Swiss Life erneut umziehen – und seine Belegschaft wieder ins Stammhaus verlegen.
Von da an will man das Hochhaus zur Palme mit 11 000 Quadratmetern Nutzfläche erneut auf den Markt bringen.