Der frühere Direktor von Swiss Ski will an die Spitze des Schweizer Sport-Dachverbandes. In der Westschweiz formiert sich die Kandidatur von Sergei Aschwanden.
Im kommenden November endet die Amtszeit von Jürg Stahl als Präsident von Swiss Olympic. Der 55-jährige Winterthurer löste 2017 Jörg Schild an der Spitze des Schweizer Sportdachverbandes ab. Die Bilanz seiner zwei Amtsperioden ist durchzogen. In Sportkreisen hatte man sich grösseren politischen Support vom ehemaligen SVP-Nationalrat erhofft.
Bereits Ende Februar hatte der Leichtathletikverband Swiss Athletics Ruth Metzler als Nachfolgerin für Stahl ins Rennen geschickt. Zumindest auf dem politischen Parkett ist die Ostschweizerin noch profilierter als der abtretende Präsident. 1999 wählte die vereinte Bundesversammlung die damals 35-jährige Ostschweizerin als jüngste Magistratin seit 124 Jahren in die Landesregierung. Doch nach nur vier Jahren als Vorsteherin des Justiz- und Polizei-Departements musste sie der erstarkten SVP und ihrem Doyen Christoph Blocher weichen.
Seither ist es ruhig geworden um die politische Senkrechtstarterin. Metzler kehrte in die Privatwirtschaft zurück, übernahm einen Lehrauftrag der Universität St. Gallen und verschiedene Verwaltungsrat- und Beratungsmandate. Daneben leitete sie von 2005 bis 2008 auch die Stiftung Schweizer Sporthilfe.
Gesucht wird eine harte Hand mit klarer Linie
Die ambitionierte Läuferin kennt sich also durchaus aus in der Welt des Sports. Trotzdem gibt es in einigen grossen Verbänden Zweifel, ob Metzler tatsächlich das Profil dazu hat, Swiss Olympic in die Zukunft zu führen. Der Verband, so die weit verbreitet Meinung, brauche eine harte Hand mit klarer Linie, der sich nicht mit repräsentativen Aufgaben zufriedengibt, sondern den Verband durch starke Führung in die Zukunft lenkt. Deshalb präsentierte Swiss Ski, einer der politisch bedeutsamsten Schweizer Sportverbände, am Mittwoch Markus Wolf als Gegenkandidat zu Ruth Metzler.
Der 50-jährige Bündner war von 2014 und 2019 Direktor von Swiss Ski und etablierte sich als solcher nach turbulenten Jahren mit einigen Führungswechseln als zweite starke Figur neben dem führungsstarken Präsident Urs Lehmann. Gegenüber der NZZ würdigte Lehmann Wolfs Leistungen bei dessen Rücktritt mit den Worten: «Ich hätte gerne früher einen Direktor wie Markus Wolf neben mir gehabt.» Das war gewissermassen der Ritterschlag für die Führungspersönlichkeit.
Wolf zog sich damals nach sechs Jahren freiwillig und vor allem zugunsten seiner Familie aus dem aufreibenden Job zurück. Seine Nachfolge übernahm der Luzerner Bernhard Aregger. Wolf hatte zuletzt verschiedene Mandate in der Privatwirtschaft; bis Ende 2023 war er während vier Jahren CEO des Tourismusunternehmens Weisse Arena in Laax. Aktuell ist er unter anderem Präsident Stifungsrat des Verbands der Schweizer Sportartikel-Liefernaten und Verwaltungsrat der Bündner Krankenversicherung ÖKK. Vor seiner Zeit bei Swiss Ski war Wolf aber auch Chef des Jugend- und Erwachsenensport im Bundesamt für Sport (Baspo) und Leiter Sportförderung des Kantons Graubünden.
Nun fühlt er sich offensichtlich bereit für eine nächste Spitzenposition im Schweizer Sport. Auf die Frage, was er denn als Präsident von Swiss Olympic erreichen möchte, sagt er: «Der Schweizer Sport braucht eine neue Strategie 2040, die definiert, für was man eigentlich stehen will und wohin man den Sport entwickeln will. Nach Meinung vieler Verbände hat die Bürokratie überhandgenommen und es hat sich ein administrativer Wasserkopf gebildet.» Er sagt, als Präsident würde er einen aktiveren Führungsstil pflegen.
Auch Sergei Aschwanden liebäugelt mit einer Kandidatur
Der Schweizer Sportdachverband steht vor wegweisenden Monaten. Im vergangenen Jahr scheiterte der Versuch, sich dem IOK als Veranstalter der Olympischen Winterspiele 2030 anzubieten. Den Zuschlag erhielt die Region Alpes de la Méditerranée um Nizza, 2034 wird Salt Lake City Gastgeber der Spiele sein. Als Trost garantierte das IOK den Schweizer Bewerbern die Gelegenheit, in den sogenannten «privilegierten Dialog» um die Spiele 2038 zu treten. Das heisst: Wenn die Schweiz bereit ist und auch will, kann sie die Spiele haben. Mit potenziellen Konkurrenten soll gar nicht gesprochen werden.
Doch so verlockend das Angebot klingt, so offen die Türe zu sein scheint: Es liegt noch viel Arbeit vor einer allfälligen Schweizer Olympia-Kandidatur. Um diese zu realisieren, braucht es einen Kopf, der sowohl sportlich wie auch wirtschaftlich breit vernetzt ist. Markus Wolf scheint besser in dieses Profil zu passen als Ruth Metzler. Er hat die schwierige Aufgabe an der Spitze von Swiss Ski mit Bravour erledigt und dabei auch den stärksten Schweizer Olympia-Promotoren Urs Lehmann von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt.
Lehmann ist es nun auch, der Wolf zusammen mit anderen Exponenten des Schweizer Sports zu einer Kandidatur um das Swiss Olympic Präsidium animiert haben soll. Swiss-Ski hat ihn nun nominiert, Swiss Cycling, Swiss Unihockey und Swiss Hockey tragen die Kampagne mit.
Mit dem Bekenntnis von Markus Wolf, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen, dürfte Bewegung in den Kandidatur-Prozess kommen. Wolf ist nicht der einzige potenzielle Gegenkandidat für Ruth Metzler. Mit einer Kandidatur liebäugelt auch der ehemalige Judoka Sergei Aschwanden. Der mittlerweile 38-jährige Romand mit einem Urner Vater und einer kenyanischen Mutter hatte 2008 an den Sommerspielen in Peking Olympia-Bronze gewonnen. Seit 2017 sitzt er für die FDP im Grossen Rat des Kantons Waadt.
Der Schweizer Sport steht vor einem aufregenden Herbst, weil es gleichzeitig auch an der Spitze des Baspo zu einem Wechsel kommen wird. Die beiden letzten Präsidenten von Swiss Olympic kamen aus der Politik. Beide erfüllten die Erwartungen nur zum Teil. Die Zeit scheint deshalb reif, das Dossier wieder in die Hände eines Sportlers zu legen. Noch bleibt den drei Kandidaten Zeit, um sich in Position zu bringen. Stahls Nachfolge wird an der ordentlichen Versammlung des Sportparlaments am 22. November dieses Jahres geklärt.