Die Online-Bank reiht Rekordergebnis an Rekordergebnis und wächst rasant. Doch heute will sie mehr sein als bloss eine App für Börsen- und Krypto-Zocker.
Manchmal braucht es ein Bauwerk, um den Erfolg eines Unternehmens sichtbar zu machen. Doch auch nach vielen Jahren Vorbereitung steht der «Swissquote Campus» noch immer nicht. Der neue Hauptsitz der Online-Bank soll in der Waadtländer Gemeinde Gland entstehen. Dort ist Swissquote seit ihrer Gründung in den Neunzigerjahren Zuhause. Teil des Campus ist ein 60 Meter hohes Bürohaus mit 16 Etagen.
Aus städtischer Perspektive ein eher bescheidener Tower. Im Vergleich: die Roche-Türme in Basel sind dreimal höher. Doch jahrelang gab es in der Gemeinde Widerstand gegen das Vorhaben. «Ein überdimensionierter Turm in Gland, nein danke!», lautete der Slogan des Bürger-Komitees, das gegen das Projekt das Referendum ergriff. Die Argumente erinnern an Zürcher Diskussionen: Mehr Arbeitsplätze, mehr Verkehr, mehr Schattenwurf.
Ein Referendum gegen den Bau scheiterte zwar vor zwei Jahren. Doch es folgten Einsprachen gegen die öffentliche Präsentation des Projekts. Schliesslich sorgte die Stadtverwaltung dafür, dass das Vorhaben der Bevölkerung vorgestellt werden konnte. Weitere Einsprachen wurden abgewendet und Swissquote bekam schliesslich die Baugenehmigung. Der gesamte Prozess dauerte fünf Jahre.
Gestern sind die ersten Baumaschinen aufgefahren. Drei Jahre wird es dauern, bis die Gebäude stehen. «Ich bin sehr erleichtert, dass der Bau beginnen konnte, es hat viel Überzeugungsarbeit gebraucht», sagt Marc Bürki, Mitgründer und Konzernchef von Swissquote. Bei Bauprojekten müsse man auf der emotionalen Ebene argumentieren. Das sei etwas anderes als der Umgang mit Kunden und Investoren.
Einmalige Erfolgsgeschichte
Rationale Gründe für den Widerstand gibt es aus Sicht des Standorts wenige. Swissquote bietet in der Region über tausend hochwertige Jobs und ist die grösste Steuerzahlerin: 2023 gingen 38 Millionen Franken an die Allgemeinheit. Diese Steuereinnahmen dürften in den kommenden Jahren weiter steigen. Swissquote ist eine Erfolgsgeschichte, die in der Schweizer Finanzbranche ihresgleichen sucht.
Die Bank reiht Rekordjahr an Rekordjahr. Die als reiner Online-Broker und erstes Schweizer Fintech bekannt gewordene Swissquote machte 2023 einen Gewinn von 220 Millionen Franken, 40 Prozent mehr als ein Jahr davor. Mittlerweile verwaltet die Online-Bank Vermögen in Höhe von 58 Milliarden Franken. Mittlerweile nimmt die Bank im Ausland sogar etwas mehr Geld ein als im Heimmarkt.
Auch die Eigentümer von Swissquote wurden beglückt. Der Wert ihrer Aktien hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als versechsfacht. 2024 gehörte Swissquote ein weiteres Mal zu den erfolgreichsten Schweizer Aktien, die Dividende wird fast doppelt so hoch ausfallen. Die beiden Swissquote-Gründer, Marc Bürki und Paolo Buzzi, gehören gemäss Auflistung des Magazins «Bilanz» zu den 300 reichsten Schweizern.
Gefährliche Krypto-Welle
2024 folgt wahrscheinlich das nächste Rekordjahr. Denn obwohl es in der zweiten Jahreshälfte zu Zinssenkungen kommen könnte, soll es mit den Zinserträgen weiter nach oben gehen, mitunter weil unterschiedliche Währungen auf der Bilanz Schutz bieten. Auch die Einnahmen aus dem Handel mit Krypto-Anlagen dürften wieder zunehmen, zumal die Preise von Bitcoin, Ether und anderen Coins momentan durch die Decke gehen und viele neue Anleger anziehen.
Swissquote geht von einer Verdoppelung der Krypto-Vermögen aus, wobei sich diese noch weit vom letzten Spitzenjahr 2021 bewegen. Doch das sind konservative Annahmen. Gemäss Bürki sah Swissquote im Januar und Februar hohe Umsätze im Krypto-Bereich. Gehe es so weiter, wäre die Bank 2024 über den Zielvorgaben, sagt er.
Doch das Reiten auf der Krypto-Welle birgt auch Gefahren. Denn so schnell der Krypto-Markt steigt, so schnell kann er zusammenbrechen, wie zuletzt im Jahr 2022: «Wir sind gebrannte Kinder und bleiben vorsichtig», sagt Bürki. Er will deshalb nicht, dass Swissquote als Krypto-Aktie wahrgenommen wird. An der Börse könne das sonst zu einem Verhängnis werden.
Neobank Yuh bald profitabel
Swissquote profitiert derzeit aber nicht nur vom Krypto-Boom, sondern ist auch mit der Neobank Yuh, die sie mit der Postfinance betreibt, erfolgreich unterwegs. Mit dieser Finanz-App sollen vor allem Jüngere angesprochen werden. Seit der Lancierung 2021 sind 200 000 Konti und Vermögen von mehr als 1,5 Milliarden Franken zusammengekommen. Im kommenden Jahr soll Yuh profitabel sein, womit sich die Neobank von anderen Anbietern unterscheidet, die selten in den schwarzen Zahlen sind.
Swissquote will aber nicht nur die jüngere Kundschaft abholen, sondern sich auch von ihrem Image als Online-Broker für Börsen- oder Krypto-Zocker befreien. «Wir erfüllen alle Vorgaben einer Bank was Kapital und Prozesse betrifft. Wir werden aber noch nicht als solche wahrgenommen», sagt Bürki. Dabei bietet Swissquote nebst dem Handel auch klassische Bankdienste wie Sparkonti, Zahlungen oder Kredite an.
Als Universalbank könne Swissquote neue Kundengruppen ansprechen, sagt Bürki. Kunden, die bisher etwa bei einer Kantonalbank waren und lediglich ihre Börsengeschäfte über Swissquote erledigten. Ziel sei es nun für solche Kunden die «Erstbank» zu werden, also die erste Anlaufstelle, über die sämtliche Bankgeschäfte erledigt werden können.
Preislich gehört Swissquote jedenfalls nicht mehr zu den günstigsten Anbietern. Bürki räumt zwar ein, dass von Digitalbanken erwartet werden könne, dass sie bessere Konditionen böten. Der Trend zu extrem günstigen Broker-Angeboten in Europa findet er aber nicht nachhaltig.
Bei deutschen Online-Brokern wie Trade Republic oder Scalable ist der Börsenhandel fast kostenlos. Doch diese Anbieter machen kaum Gewinn. Auch die Saxo Bank hat in der Schweiz Anfang Jahr eine Preis-Offensive gestartet. Bürki: «Bei diesem Wettbewerb um die niedrigsten Preise wollen wir nicht mitmachen. Wir suchen den Mittelweg.»