Der vom Genfer Hersteller von Bankensoftware in Auftrag gegebene Prüfungsbericht widerlegt die Vorwürfe des Hedge Funds Hindenburg. Ein neuer CEO soll zudem bald präsentiert werden. Damit fallen zwei Belastungsfaktoren weg.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
150 Anwälte und mehr als 22’000 verrechnete Stunden: Temenos musste tief in die Taschen greifen, um die Vorwürfe des amerikanischen Hedge Funds Hindenburg Research zu entkräften.
Hindenburg hatte dem Genfer Hersteller von Bankensoftware im Februar vorgeworfen, er habe unter anderem mit der Verbuchung von aufgeblähten Umsätzen, scheinbaren Partnerschaften und rückdatierten Verträgen seine Geschäftszahlen über Jahre manipuliert. Der Aktienkurs von Temenos stürzte nach der Veröffentlichung des Berichts von Hindenburg um mehr als 30% ab. Der Hedge Fund hatte in seinem Bericht offengelegt, dass er eine «Short»-Position in Temenos halte – er profitierte also vom Kurssturz.
Heute, zwei Monate später, publiziert Temenos ein externes Gutachten, dessen Aufgabe es war, die Vorwürfe von Hindenburg zu prüfen. Mit der Untersuchung hatte der Verwaltungsrat die forensische Kanzlei Alvarez & Marsal betraut. Die Anwaltskanzleien Schellenberg Wittmer in der Schweiz sowie Sullivan & Cromwell in den USA waren ebenfalls an der Untersuchung beteiligt.
Das Gutachten weist die Vorwürfe auf der ganzen Linie zurück. Es seien keine Belege gefunden worden, wonach Verkaufsverträge regelmässig rückdatiert worden seien. Ebenso seien keine Belege gefunden worden, wonach Temenos für Verkaufsaufträge mit «falschen Partnerschaften» gearbeitet habe, Aufwendungen für Forschung und Entwicklung rechtswidrig kapitalisiert habe, Zahlungsausstände aggressiv verbucht oder Aktienrückkäufe falsch deklariert habe.
Der Bericht kommt zum Schluss, Hindenburg habe «falsche und irreführende Behauptungen» zu Temenos erhoben.
Im Nachgang der Publikation gewann der Temenos-Aktienkurs am heutigen Montagmorgen mehr als 20%.
Millionenschwere Kosten für Temenos
Für das Gutachten wurden mehr als 300’000 Dokumente gesichtet und Gespräche mit 17 bestehenden und ehemaligen Mitarbeitenden von Temenos geführt. 150 Anwälte und forensische Buchprüfer waren an der Untersuchung beteiligt und haben mehr als 22’000 Stunden verrechnet. Die Arbeit dürfte Temenos damit überschlagsmässig mehr als 10 Mio. Fr. gekostet haben.
Heute Montag hat Temenos zudem den geprüften Geschäftsbericht für 2023 publiziert. Darin sind keine Anpassungen von früher publizierten Zahlen zu Umsatz, Gewinn und Cashflow ersichtlich.
Hindenburg hat sich bislang noch nicht zum Bericht geäussert. Ich halte es aber für gut möglich, dass der Hedge Fund seine Short-Position ohnehin längst geschlossen und seinen Gewinn eingestrichen hat.
Inwiefern die negativen Schlagzeilen der vergangenen Wochen den Geschäftsgang von Temenos im ersten Quartal belastet haben, wird sich am 23. April zeigen, wenn das Unternehmen seinen Zwischenbericht vorlegt.
Bereits jetzt kann gesagt werden, dass für Temenos ein grosser Belastungsfaktor wegfällt. Es wäre durchaus denkbar gewesen, dass die externe Prüfung da und dort Beispiele von unsachgemäss verbuchten Software-Verträgen präsentieren und damit zumindest ansatzweise die Vorwürfe von Hindenburg bestätigen würde. Die Rückdatierung von Lizenzverkäufen wäre im Softwaregeschäft, besonders rund um das Datum von Quartalsabschlüssen, gang und gäbe.
Insofern ist der vollständig entlastende Bericht eine positive Überraschung.
Neuer CEO soll demnächst präsentiert werden
Eine wichtige Nachricht fand sich zudem im heute publizierten Geschäftsbericht. Darin erwähnt Verwaltungsratspräsident Thibault de Tersant, er sei «hoffnungsvoll», an der Generalversammlung vom 7. Mai nach einem «langen und sorgfältigen Auswahlprozess» einen neuen CEO präsentieren zu können.
Aus meiner Sicht ist das für Temenos die noch wichtigere Nachricht als die Widerlegung der Hindenburg-Vorwürfe. Präsentiert de Tersant einen guten und glaubwürdigen CEO, kann der bislang interimistisch amtierende Konzernchef Andreas Andreades definitiv verdankt und verabschiedet werden.
Andreades hatte in seinen früheren Jahren als CEO von Temenos viele Verdienste, doch in den letzten Jahren als VR-Präsident und ab 2023 als CEO ad interim wurde er mehr und mehr zur teuren Belastung für das Unternehmen.
Es ist an der Zeit, dass der Verwaltungsrat einen Schlussstrich unter das Kapitel ziehen kann. Das wäre mittelfristig positiv für den Aktienkurs.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Dittli