Amazon enttäuscht mit dem Ausblick. Der durchwachsene Quartalsabschluss des Internetkonzerns ist symptomatisch für die generellen Herausforderungen der Branche. Was bedeutet das für die Aussichten zu Tech-Aktien?
Ein weiterer Tech-Riese sorgt für einen Dämpfer: Amazon bleibt beim Quartalsabschluss mit dem Ausblick hinter den Erwartungen zurück. Die Börse reagiert verschnupft. Die Aktien des Branchenleaders in den Bereichen E-Commerce und Cloud-Infrastruktur haben am Donnerstagabend nach der Ergebnispublikation 4% schwächer tendiert.
Wie bei den meisten Schwergewichten aus dem Tech-Sektor sehen die Zahlen zur vergangenen Berichtsperiode für sich genommen durchaus respektabel aus. Amazon hat den Umsatz im Vorjahresvergleich um 10% auf 187,8 Mrd. $ gesteigert, was über den Schätzungen der Analysten von 187,3 Mrd. $ liegt. Auch macht der Internetkonzern aus Seattle bei der Verbesserung der Profitabilität weiter Fortschritte.
Im klassischen E-Commerce-Geschäft konnte Amazon die operative Marge im Kernmarkt Nordamerika im vierten Quartal deutlich auf 8% ausbauen, nach 5,9% im vorangegangenen Berichtszeitraum. Im Rest der Welt ging die Gewinnspanne zwar von 3,6% im Vorquartal auf 3% zurück. Trotz unvorteilhafter Wechselkurse konnte das Unternehmen die Ertragskraft damit aber auf einem soliden Niveau halten.
Dass die Massnahmen von CEO Andy Jassy zur Effizienzsteigerung immer besser greifen, zeigt sich besonders gut auf einer 12-Monate-Basis, bei der saisonale Schwankungen geglättet werden. Demnach verdiente Amazon in Nordamerika 2024 eine operative Marge von 6,4%. Im internationalen Geschäft waren es 2,7%, wobei sich in beiden Segmenten eine kontinuierliche Steigerung beobachten lässt.
Als Resultat davon hat sich die operative Marge konzernweit nach 11% im dritten Quartal weiter auf ein Rekordniveau von 11,3% erhöht.
Die kühle Reaktion auf den Abschluss hat in erster Linie mit dem Ausblick zu tun. Amazon stellt für das erste Quartal einen Umsatz von 151 bis 155,5 Mrd. $ in Aussicht. Das impliziert eine Zunahme von bloss 5 bis 9% Wachstum, wobei das Management mit einem «ungewöhnlich grossen, ungünstigen Effekt» durch den festen Dollar ausgeht. Die Untergrenze der Prognose würde sogar dem langsamsten Wachstum entsprechen, seit Amazon 1997 an die Börse gekommen ist.
Cloud-Geschäft verliert an Dynamik
Amazon geht beim Ausblick normalerweise von konservativen Annahmen aus. Es ist daher gut möglich, dass die Zahlen in drei Monaten besser aussehen werden, als das Unternehmen heute mit der Prognose kommuniziert. Da 2024 ein Schaltjahr war, hatte das erste Quartal zudem einen Tag mehr.
Vorsichtig stimmt aber, dass die zwei kräftigsten Wachstumsmotoren zuletzt etwas an Dynamik verloren haben. Im Geschäft mit Onlinewerbung hat der Konzern die Einnahmen 18% auf 17,3 Mrd. $ gesteigert, wogegen Analysten mit 17,4 Mrd. $ gerechnet hatten. Wie beim Google-Mutterkonzern Alphabet und bei Meta Platforms hat sich die Kadenz im Vorjahresvergleich damit verringert, wogegen Microsoft (ausgehend von einer niedrigen Basis) expandieren konnte.
Weniger schnell als erwartet, wächst auch die Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS). Als weltgrösster Anbieter von Rechendiensten übers Internet ist sie für rund die Hälfte des Konzerngewinns verantwortlich und hat den Umsatz in der Berichtsperiode 19% auf 28,8 Mrd. $ gesteigert – einen Hauch weniger als die vom Konsens an den Finanzmärkten geschätzten 29,9 Mrd. $.
Bei Microsoft und dem Google-Mutterkonzern Alphabet, den zwei grössten Konkurrenten, lässt sich eine ähnliche Entwicklung feststellen. Auch sie haben mit dem Abschluss enttäuscht. Die Nachfrage nach Rechenkapazität für Anwendungen im Bereich wächst zwar robust, doch bei traditionellen Cloud-Diensten macht sich eine gewisse Abkühlung bemerkbar. Das nährt Befürchtungen, dass Unternehmenskunden mehr in KI investieren, dafür aber bei anderen IT-Ausgaben sparen.
Derweil heizt sich das Wettrüsten weiter auf. Amazon hat die Kapitalausgaben im vierten Quartal auf 26,3 Mrd. $ erhöht. Gemäss Finanzchef Officer Brian Olsavsky will der Konzern das Tempo 2025 auf diesem Niveau halten. Für das Gesamtjahr würde das eine Summe von mehr als 105 Mrd. $ bedeuten, nachdem es letztes Jahr rund 78 Mrd. $ waren. Ein Teil davon wird auch in das Distributionsnetz des E-Commerce-Geschäfts investiert.
In die gleiche Richtung geht der Trend bei anderen Tech-Riesen. Bei Alphabet rechnen Analysten dieses Jahr mit Kapitalinvestitionen in KI-Chips, Rechenzentren und andere IT-Infrastruktur im Umfang von rund 75 Mrd. $. Im Fall von Meta gehen sie von annähernd 60 Mrd. $ aus. Bei Microsoft werden mehr als 66 Mrd. $ erwartet.
Rahmenbedingungen werden anspruchsvoller
Investoren im Tech-Sektor blicken damit auf eine grösstenteils wenig inspirierende Berichtssaison zurück. Amazon, Microsoft und Alphabet haben die Erwartungen im Cloud-Geschäft verfehlt. Apple lieferte schwache Zahlen zum iPhone-Umsatz. Und Meta warnt, dass sich das Wachstum im laufenden Quartal abschwächen wird.
Bei den grössten Tech-Konzernen sieht das Verhältnis von Chancen zu Risiken für Amazon und Alphabet auf mittlere bis lange Sicht nach wie vor am besten aus. Amazon dürfte die Ertragskraft auf einem ansprechenden Niveau halten können. Alphabet hat die Mittel und das Know-how dazu, um die Dominanz im Kerngeschäft mit Internetsuchen zu verteidigen.
Dennoch: Nach zwei aussergewöhnlich starken Jahren für Tech-Aktien, in denen der Large-Cap-Index Nasdaq 100 annähernd 100% vorgeprescht ist, zeichnet sich für 2025 ein anspruchsvolleres Umfeld ab. Die Ausgangslage auf fundamentaler Ebene wird komplizierter, die Gewinnschätzungen werden gesenkt. Angesichts der zumeist stolzen Bewertungen wird es für überdurchschnittliche Kursavancen dadurch schwerer.
Vor diesem Hintergrund stellt das Risiko einer Eskalation im Handelskonflikt zwischen den USA und China eine zusätzliche Belastung dar. Der Überraschungscoup des chinesischen Startups DeepSeek wirft zudem grundsätzliche Fragen auf, ob sich die Branchenschwergewichte aus den USA nicht mit ihren Investitionen in KI-Infrastruktur verrennen.
Der nächste wichtige Fixpunkt ist der Quartalsabschluss von Nvidia am 26. Februar. Auch beim Spezialisten für KI-Chips wird sich das Expansionstempo dieses Jahr verlangsamen. Umstritten ist, in welchem Umfang. Bei der Ergebnispräsentation wird sich alles darum drehen, was Konzernchef Jensen Huang zum Stichwort Blackwell sagt, der nächsten Generation von Nvidias KI-Prozessoren.
Dass Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta ihre Prognosen zu den Kapitalinvestitionen erhöhen, hat den Aktien von Nvidia in den vergangenen Tagen geholfen. Die Lücke zwischen den Analystenschätzungen zu Nvidias Umsatzentwicklung und den Investitionsplänen der wichtigsten Kunden hat sich damit etwas verringert. Wie diese Grafik von UBS illustriert, ist sie aber immer noch beträchtlich, womit Gefahr von Enttäuschungen besteht.