Politiker in Bundesbern verstehen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Privatsphäre nicht.
Thierry Burkart, Mitglied des Ständerats und Präsident der FDP, scheint Angst zu haben. Vielleicht fürchtet er, dass seine persönlichen Daten eines Tages frei einsehbar im Internet kursieren könnten.
Diese Angst ist nicht unbegründet. Wir sollten uns alle vor dem Datenklau fürchten. Die Zahl der Cyberangriffe in der Schweiz in den letzten zwölf Monaten ist unmöglich zu beziffern, aber es müssen Tausende Attacken gewesen sein. Bundesämter, Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie Unternehmen aus allen Branchen wurden angegriffen. Lohnabrechnungen, Einwohnerdaten und sogar die Privatadressen von Bundesräten wurden kompromittiert. Auch die NZZ wurde Opfer eines Datenlecks, bei dem personenbezogene und vertrauliche Informationen gestohlen und veröffentlicht wurden.
Sichtung von gestohlenen Daten bestrafen
Aus diesem Grund hat Burkart im Ständerat vorgeschlagen, dass bereits das Betrachten gestohlener Daten unter Strafe gestellt werden sollte. Kurz vor Weihnachten hat die Mehrheit des Ständerats diesem Vorschlag zugestimmt.
Der FDP-Präsident und die Mehrheit des Ständerats schiessen damit allerdings weit übers Ziel hinaus. Wenn das Ansehen gestohlener Daten tatsächlich strafbar wird, gewinnt niemand. Am meisten zu verlieren hat allerdings der Schweizer Journalismus. Ein solches Verbot bedeutet eine Gefährdung der Pressefreiheit. Journalistinnen und Journalisten dürften hierzulande nur noch mit Informationen recherchieren, die der Staat, die Wirtschaft oder andere Akteure offiziell bereitstellen.
Die gut informierte Gesellschaft verliert
Doch auch ein besserer Datenschutz für Bürgerinnen und Bürger würde damit nicht erreicht. Wer einem anderen mit einer Information aus illegal erworbenen Daten wirklich schaden will, braucht dazu heute keine Presse. Dafür gibt es bessere Kanäle: Blogs, Plattformen wie X oder Instagram. Hier können die Akteure anonym auftreten und auf die Gesetze der Schweiz pfeifen. In letzter Konsequenz würde auch die gut informierte Schweizer Gesellschaft verlieren, da es den Medienschaffenden gesetzlich verboten wäre, zu überprüfen, ob die Behauptungen wahr sind oder ob es sich um Falschinformation handelt.
Es ist natürlich nicht so, dass politisch und gesellschaftlich relevante Inhalte, die auf illegale Datenhacks zurückzuführen sind, gar nicht mehr in der Schweizer Presse stattfänden. Ein mögliches Schweizer Gesetz könnte nur hiesige Medienschaffende für die Arbeit mit illegal erworbenen Informationen oder Daten bestrafen, nicht aber ausländische Journalisten.
Die Schweiz hat ein spezielles Bankdaten-Gesetz
Vor einigen Jahren ist genau das passiert. In Zusammenhang mit Bankdaten gilt in der Schweiz seit 2015 bereits ein Gesetz wie nun von Burkart und Co. gefordert. Wer hierzulande über geheime Daten aus einer Schweizer Bank berichtet, dem droht eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren. Das führte Anfang 2022 zu der absurden Situation, dass internationale Medien über ein Datenleck bei der Credit Suisse berichten durften, nicht aber Schweizer Titel, die ebenfalls Zugriff auf die Daten hatten. Sie mussten sich darauf beschränken, das wiederzugeben, worüber die ausländischen Journalisten schrieben. Eine Farce und für die Glaubwürdigkeit und das Renommee der hiesigen Medien schädlich.
Das Geschäft liegt nun beim Bundesrat. Bereits vor der Abstimmung im Ständerat hat er überrascht reagiert und darauf hingewiesen, dass das geltende Recht bereits jetzt «eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Veröffentlichung und dem schützenswerten privaten Interesse der betroffenen Person an Geheimhaltung» erlaube. Sprich: Presseartikel können mit angemessener Begründung schon heute gerichtlich aufgeschoben oder gar verboten werden. Aber in aller Regel ist das gar nicht nötig und kommt nur äusserst selten vor. Auf den meisten Schweizer Redaktionen arbeiten Profis, die sehr gut einschätzen können, wann eine Information gesellschaftlich relevant ist – und wann nicht.
Warum bestehen Burkart und der Ständerat darauf, dass sich der Bundesrat dem Thema nochmals widmet? Das hat wohl mit einer diffusen Angst vor dem nächsten Datenleck zu tun. Sollte diese Angst tatsächlich in eine Beschränkung der Pressefreiheit münden, ist es mit dem Verständnis endgültig vorbei. Dann herrscht nur Unverständnis.