The Market macht sich regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen. In der Schweiz wächst die Bergbahnfraktion, in den USA schafft ein Bau- und Minenmaschinenhersteller den Wiedereinstieg. Auch in Europa kommt es zum Wiedersehen mit alten Bekannten.
Donald Trump hält die Börsen in Atem. Seit seinem Amtsantritt sorgt er mit regelmässigen Twitter-Salven für Bewegung. Mit der Androhung und Anordnung von Zöllen hat er Anleger irritiert. Dazu hat das chinesische Startup DeepSeek mit seinem KI-Modell für Nervosität unter Tech-Investoren gesorgt. Seit Mitte Januar haben deshalb vor allem defensive Branchen wie Basiskonsum oder Gesundheit zugelegt, während die lange gesuchten Technologiewerte – aber auch der Sektor Energie – kaum vom Fleck gekommen sind oder sogar Abgaben erlitten haben.
Die Schwäche des Energiesektors spiegelt sich in der Qualitätsauswahl von The Market, in der es in den USA und in Europa von Ölunternehmen wimmelt. Sie konnte deshalb seit der letzten Bestandsaufnahme nicht mit den Vergleichsindizes mithalten. In der Schweiz kommt erschwerend hinzu, dass es fast unmöglich ist, den SPI oder SMI zu schlagen, wenn die drei defensiven Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis einen Lauf haben. Zwar war Roche lange in der hiesigen Auswahl vertreten, wegen der Gleichgewichtung aller Titel sind die grossen Drei aber stets deutlich unterrepräsentiert.
Die Kriterien
Zur Erinnerung: Seit der Lancierung 2019 macht sich The Market an den Börsen der Schweiz, Europas und der USA regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen.
Was Qualität ausmacht, ist nicht einheitlich definiert. The Market versteht darunter Aktien von Gesellschaften, die eine höhere Kapitalrendite erzielen, eine robustere Bilanz aufweisen und günstiger bewertet sind als das Durchschnittsunternehmen im Vergleichsindex.
Als Kriterien werden die Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), das Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie der Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) in Relation zum Ebit verwendet.
In jeder Region wird je nach Aussagekraft ein viertes Kriterium eingesetzt. In der Schweiz ist es das Wachstum des Buchwerts je Titel über fünf Jahre, in den USA die totale Ausschüttungsrendite – definiert als Dividenden und Nettoaktienrückkäufe im Verhältnis zum Unternehmenswert – und in Europa das Momentum der Gewinnprognosen.
Titlis-Bahnen schafft das Comeback
In der Schweiz erfüllen sechzehn Namen alle Kriterien, einer mehr als im Vormonat. Austritte gab es keine, dafür schafft mit Titlis-Bahnen ein Mitglied der ersten Stunden das Comeback:
Die Titlis-Bahnen-Gruppe hat eine schwierige Zeit hinter sich. Der Aktienkurs tendiert seit 2018 abwärts und notiert in der Nähe des Coronatiefst. Das kontrastiert mit der Entwicklung der ebenfalls in der Auswahl vertretenen Jungfraubahn, die sich vom Pandemieschock erholt hat und rund 10% unter dem Allzeithöchst notiert.
Im Januar hat Titlis-Bahnen ein gutes Resultat für das Geschäftsjahr 2023/24 (per Ende Oktober) vorgelegt. Der Umsatz nahm von 72,2 Mio. auf 85,7 Mio. Fr. zu, der Reingewinn stieg von 10,3 auf 15 Mio. Fr., wobei rund 8 Mio. Fr. auf einen Grundstückverkauf zurückzuführen sind. Zudem wird das Unternehmen wieder eine Dividende ausschütten, was wegen des Bezugs von Corona-Härtefallgeldern während einer Sperrfirst von drei Jahren nicht möglich war. Auch das laufende Halbjahr (November bis April) ist dank des guten Wetters und perfekter Bedingungen über die Festtage gut angelaufen.
Geduld gefragt
Dennoch dürften Aktionäre Geduld brauchen, weil hohe Investitionen anstehen. Mit dem Projekt Titlis wird eine neue Bergstation eröffnet, der Antennen- zu einem Aussichtsturm ausgebaut und ein Verbindungsstollen zwischen den beiden Bauwerken erschlossen. Das Volumen soll 150 Mio. Fr. betragen und wird den freien Cashflow bis 2028 belasten. Gemäss den Analysten der Zürcher Kantonalbank wird das Projekt die Nettoverschuldung auf rund den dreifachen Ebitda treiben, was aber verkraftbar sei. Dennoch wollen sie eine Kapitalerhöhung nicht ausschliessen.
Dafür könne sich das Unternehmen mit dem Projekt von der Konkurrenz abheben. Es könnte als Leuchtturmprojekt Gäste anziehen und für steigende Ausgaben pro Gast sorgen. Der Bahnbetreiber selbst rechnet nach Abschluss des Bauprogramms 2029 mit einem Anstieg des Jahresumsatzes von 100 auf 120 Mio. Fr. und einem Ebitda zwischen 45 und 55 Mio. Fr. (2024: 30,3 Mio. Fr.)
Die aktuelle Bewertung liegt mit einem EV-Ebitda-Verhältnis für 2025 von 5,3 rund 20% unter dem Vor-Coronajahr 2019. Gemäss den ZKB-Analysten reflektieren sich darin das hohe Investitionsaufkommen sowie die negativen Cashflows für die Aktionäre. Grosses Potenzial sehen sie aber nicht und stufen den Titel mit «Marktgewichten» ein. Anleger müssen sich auch bewusst sein, dass die Liquidität der Valoren gering ist. Bei Transaktionen empfehlen sich deshalb Kurslimiten.
In Europa ist Porsche erstmals dabei
In Europa erfüllen 52 Unternehmen alle Kriterien, nach 56 im Vormonat. Erstmals dabei sind die Valoren des deutschen Sportwagenbauers Porsche. Dazu gab es mehrere Comebacks nach teils langer Absenz wie jenes des dänischen Kabelherstellers NKT oder des französischen Ölserviceunternehmens Technip Energies.
Porsche kommt derzeit nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Neben Absatzproblemen in China – dort hat das Unternehmen 2024 28% weniger Autos verkauft – und verhaltenen Auslieferungszahlen bei Elektrofahrzeugen warnte das Management an einem Pre-Close-Call vor Gegenwind bei Volumina und Kosten in diesem Jahr. Anfang Februar wurde bekannt, dass der Verwaltungsrat mit Finanzchef Lutz Meschke und Vertriebschef Detlev von Platen über ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Geschäftsleitung verhandelt.
Letzte Woche folgte dann eine Gewinnwarnung für 2024. Um den Absatz zu fördern, hat Porsche die Elektrostrategie korrigiert und will wieder verstärkt auf den Verbrennungs- und Hybridmotor setzen, was Kosten von 800 Mio. € mit sich bringen und die Marge entsprechend belasten wird. Anleger quittierten die Nachricht mit weiteren Kursverlusten. Angesichts all der Probleme wundert es nicht, dass die Aktien von Porsche derzeit die Titel mit dem grössten Anteil an Leerverkäufen im Dax sind.
Immerhin gibt es einige wenige Anleger, die Porsche die Treue halten. Dazu gehört der deutsche Value-Investor Alexander Kapfer, der die Titel in seinem aktienorientierten Mischfonds Squad Makro hält. Im Gespräch mit The Market strich er unlängst hervor, dass sich Porsche für einzelne Verbrennervarianten – wenn auch nur unter Druck – fit gemacht hat für den Emissionsstandard Euro 7. Weil das Geld koste, leide auch die Marge.
CEO-Wechsel könnte Bewegung bringen
Doch die Bewertung von Porsche sei gemessen an der Substanz attraktiv. Allerdings eignet sich die Bewertung nicht fürs Timing des Ein- und Ausstiegs, und für höhere Kurse fehlt derzeit ein Auslöser. Für Bewegung könnte ein weiterer Wechsel in der Geschäftsleitung sorgen, da Porsche-CEO Oliver Blume gleichzeitig den Mutterkonzern Volkswagen leitet, der ebenfalls grosse Herausforderungen zu bewältigen hat. Allerdings wird das Ende der Doppelrolle schon seit dem Börsencomeback im September 2022 gefordert, ohne dass sich etwas bewegt hätte. Zudem hat sich Blumes Position nach dem gewonnenen Machtkampf mit Meschke und von Platen eher noch gestärkt.
NKT ist ein führender Hersteller von Hochspannungskabeln für Offshore-Windparks und Stromnetze. Nur wenige sind wie die Dänen in der Lage, ultrahochspannungsfähige Seekabel herzustellen. Dank der zunehmenden Elektrifizierung der Wirtschaft sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Seit der Wahl von Donald Trump, der keinen Hehl aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Windenergie macht, kamen die Titel allerdings unter Druck.
Die USA spielen für DKT mit einem Umsatzanteil von 15% im Jahr 2023 zwar nur eine untergeordnete Rolle, grösster Markt ist Deutschland (30% des Umsatzes). Dennoch stufen die Analysten von Barclays die Titel nur mit «neutral» ein. Neben einer kurzfristigen Nachfrageschwäche bei den europäischen Haushalten plant NKT, bis 2027 rund 1,8 Mrd. € hauptsächlich in den Ausbau der Produktionskapazitäten für Hoch- und Mittelspannungskabel zu investieren, was den freien Cashflow belasten wird.
Auch beim Kabelhersteller NKT belastet ein Investitionsprogramm
Dieser Effekt wird sich umso stärker bemerkbar machen, weil die neuen Kapazitäten erst ab 2027 vollständig betriebsbereit sind. Dafür dürfte der Gewinn ab 2028 deutlich steigen; das Unternehmen selbst rechnet dannzumal mit einem Ebitda von mehr als 700 Mio. €, nach zuvor prognostizierten 550 Mio. €. 2024 dürfte der Ebitda nicht ganz 340 Mio. € erreicht haben.
Die Aktien von Technip Energies legen an der Börse einen guten Lauf hin, während der Energiesektor insgesamt eher stagniert. Das Serviceunternehmen unterstützt Kunden bei der Planung und beim Bau von Flüssiggas-Anlagen sowie Raffinerien. Zudem entwickelt es nachhaltige Energielösungen. Dank langfristiger Aufträge erwirtschaftet es stabile Erträge, was sich am Auftragsbestand von 15,8 Mrd. € zeigt, der auch künftig für eine solide Geschäftsentwicklung sorgt.
In den USA kommt es zum Wiedersehen mit Caterpillar
In den USA qualifizieren sich 66 Namen, nach 72 im Vormonat. Unter den zwanzig Unternehmen mit der höchsten Ausschüttungsrendite kommt es zum Wiedersehen mit dem Bau- und Minenmaschinenhersteller Caterpillar:
Caterpillar ist der weltweit führende Hersteller von Baumaschinen und Bergbauausrüstung, zusätzlich baut er Diesel- und Gasmotoren sowie Industrieturbinen. Die Titel stehen seit Dezember unter Druck. Nicht geholfen haben ein durchwachsenes Ergebnis für das vierte Quartal und eine verhaltene Umsatzprognose für 2025. Längerfristig gilt Caterpillar aber als Profiteur von anziehenden Infrastrukturinvestitionen und einer Reindustrialisierung der USA, wo das Unternehmen mehr als die Hälfte des Umsatzes erzielt. Auch zusätzliche Investitionen von Bergbaukonzernen in die Förderung von Metallen für die Energiewende sollten die Titel begünstigen.
Keinen Neueintritt gab es unter den zwanzig günstigsten US-Qualitätswerten, die nach wie vor von Hausbau-, Rohstoff- und Finanzvaloren dominiert werden:
Die jüngsten Auswechslungen haben die Konjunkturabhängigkeit der Auswahl weiter erhöht. Damit wurde sie abermals zyklischer und würde unter einem Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Rezession leiden. Auch eine Fortsetzung des Hypes um künstliche Intelligenz würde auf der Performance lasten, weil zunehmend Geld aus Old-Economy-Branchen abgezogen und in die (vermeintlichen) Gewinner aus dem Tech-Sektor umgeschichtet würde. Andererseits bieten gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten die besten Gelegenheiten für den Einstieg in konjunktursensitive Werte.