Der einstige Schwab-Co-Autor Thierry Malleret verarbeitet seine Zeit beim World Economic Forum in einem Schlüsselroman. Einige Passagen erweisen sich als prophetisch für die Entmachtung des WEF-Gründers.
13. Januar 2024, die Auserwählten des Planeten pilgern nach Davos zum Jahrestreffen der Wirtschafts- und Polit-Elite. Eingepackt in monströse Daunenjacken, quetschen sie sich mit riesigen Koffern in den Schnellzug ab Zürich. Noch vor Landquart geschieht das Unfassbare: Ein moskauhöriger Journalist windet sich in seinen Exkrementen im Gang, bevor er qualvoll stirbt. Er war dämlich genug, den mit Gift versetzten und für eine ukrainische Aktivistin bestimmten Kaffee selber zu trinken.
Mit dieser Szene beginnt der im März 2024 erschienene Krimi «Deaths at Davos» (nur auf Englisch erhältlich) des Franzosen Thierry Malleret. Der Plot: Am WEF in Davos – im Buch Circle genannt – soll die Übergabe eines Dokuments aus russischen Quellen erfolgen, das Donald Trump so stark belastet, dass er die Wiederwahl vergessen könnte. Doch Putins Schergen unternehmen alles, um das zu verhindern.
Co-Autor von Klaus Schwab
Der Autor Thierry Malleret ist nicht einfach ein Literat, der das WEF nutzt, um seine Story etwas gewichtiger zu machen. Malleret ist ein WEF-Insider, der die Organisation und ihren Gründer Klaus Schwab seit Jahren kennt. Der Ökonom und Historiker arbeitete von 1999 bis 2007 beim WEF. Sein Job: das Programm für das Jahrestreffen in Davos zusammenstellen. Auch nach seinem Ausscheiden blieb er Schwab eng verbunden. Als Co-Autor verfasste er mit dem WEF-Gründer die beiden Bücher «The Great Reset» (2020) und «The Great Narrative» (2022).
Diese zählen zu den programmatischen Schriften von Schwab. Die Pandemie, so die zentrale These, sei ein historischer Wendepunkt, ein Zurück zur Normalität sei weder möglich noch wünschenswert. Die Wirtschaft der Zukunft müsse resilienter und nachhaltiger, die Gesellschaft egalitärer und inklusiver, der Kampf gegen den Klimawandel zur obersten Priorität erklärt werden. Dafür brauche es eine sinnstiftende Erzählung, die auch nichtwestliche Perspektiven einbeziehe.
Der Krimiautor Malleret hat für die Wortwolken des Theoretikers Malleret nicht viel übrig. In seinen Krimis – die Fortsetzung «Deaths at Davos 2.0» erschien im Januar – legt er die Widersprüche des WEF gnadenlos offen.
«Wörter wie Inklusion, Verantwortung und Nachhaltigkeit tauchten überall auf», lässt er seine Protagonistin sinnieren, als sie durch das Programm scrollt. Doch niemand diskutiere ernsthaft über Massnahmen zur Umsetzung. Was sie zum Schluss bringt: «Darin lag für einige die empörende Heuchelei des Treffens: In den Diskussionen wurde allerlei hehren Idealen Beifall gezollt, während man sich vor den unbequemen, radikalen Mitteln zu ihrer Verwirklichung scheute.»
Die goldene Regel in Davos laute, keinen der Gäste vor den Kopf zu stossen, lässt er eine WEF-Insiderin sagen. Niemals dürfe man den Status quo infrage stellen, schliesslich hätten die Teilnehmer Hunderttausende von Franken für ihr Eintrittsticket bezahlt. Ein junger Historiker habe das einmal getan, als er auf einem Podium lauthals höhere Steuern für Reiche und Unternehmen gefordert habe. Das sei allen peinlich gewesen – «wie ein Kind, das an einem Nachtessen für Erwachsene rülpst. Er wurde nie mehr eingeladen.»
Schwabs literarisches Abbild ist wenig schmeichelhaft
Mallerets Krimi ist ein Schlüsselroman. Der junge Historiker war Rutger Bregman, der 2019 für einen Eklat in Davos sorgte. Auch andere Figuren im Buch lassen sich leicht realen Personen zuordnen. Am augenfälligsten sind die Parallelen zwischen Schwab und dem Circle-Gründer Schwenk, im Buch schlicht «Don» genannt.
Schwabs literarisches Abbild fällt wenig schmeichelhaft aus. Der Circle-Herrscher wird als eitel, überfordert und entscheidungsschwach geschildert, ein Mann der Vergangenheit, der es verpasst hat, einen Nachfolger aufzubauen. «Vor Jahren hatte er es versucht mit einigen Kandidaten, aber er machte ihr Leben derart unmöglich, dass alle die Flucht ergriffen», steht im Buch. Den Anspruch, die zu Welt verbessern, habe er schon vor Jahren über Bord geworfen.
Der «Don» ist isoliert in der eigenen Organisation, das WEF wird als «Schlangennest» geschildert, die Mitarbeiter haben einzig ihre eigene Karriere im Blick, die Mission ist ihnen ebenso egal wie ihrem Chef. «Er wusste, sie würden ihm bei der ersten Gelegenheit das Messer in den Rücken stecken, deshalb behielt er niemanden zu lange», schreibt Malleret. Und weiter: «Beim ersten Zeichen von Schwäche würde er die Kontrolle verlieren.»
Damit nahm Malleret Schwabs Entmachtung literarisch vorweg. Sein erstes Buch erschien im März letzten Jahres, kurz darauf lancierten Gegner des WEF-Gründers im «Wall Street Journal» eine erste Attacke. Eine mit Interna aus der WEF-Zentrale gespickte Recherche prangerte Führungsfehler und ein toxisches Arbeitsklima an.
Keine Rache am WEF-Gründer
Kurz vor Ostern eskalierte der Konflikt zwischen Schwab und dem Stiftungsrat, dem obersten Führungsgremium des WEF. Anonyme Quellen warfen Schwab finanzielle Unregelmässigkeiten und Manipulation von Studienergebnissen vor. Schwab drohte den Mitgliedern des Risikoausschusses mit einer Strafklage, sollten sie eine unabhängige Untersuchung einleiten. Dies machte die «NZZ am Sonntag» vor einer Woche publik. Damit überreizte Schwab sein Blatt. Der Stiftungsrat wandte sich gegen ihn und forderte seinen sofortigen Rücktritt.
Malleret versteht seine Bücher nicht als Rache an Schwab. Das WEF sei die weltweit effizienteste Plattform, um Kontakte zu knüpfen und Geschäfte aufzugleisen, das sei das Verdienst Schwabs, sagte er in einem Interview mit Bloomberg anlässlich der Lancierung seines zweiten Davos-Krimis vor dem WEF 2025.
Auf Anfrage widerspricht er den zuletzt aufgetauchten Vorwürfen, Schwab habe keinen substanziellen Beitrag geleistet zu den Büchern, die er publiziert habe. Die Idee für «The Great Reset» hätten sie zusammen entwickelt, sagt Malleret. Schwab habe sich stark eingebracht, beim Verfassen der Sachbücher seien sie in ständigem Austausch gestanden.
Dritter Teil geplant
Seine Krimis seien Fiktion, aber in der Realität verankert, sagte Malleret gegenüber Bloomberg. Er wolle zeigen, was in Davos hinter den Kulissen passiere, wenn um 22 Uhr das offizielle Programm beendet sei – etwa die Sexpartys in Villen ausserhalb von Davos. Eine solche schildert Malleret in seinem zweiten Buch. Ein russisch-schweizerischer Rohstoffhändler bezahlt für sein Doppelspiel mit dem Tod im Latexanzug.
Malleret will seine Reihe fortsetzen, vor dem WEF 2026 soll «Deaths at Davos 3.0» erscheinen. Das Davoser Treffen sei eine unglaubliche Konzentration von Macht, für Geheimdienste gebe es keinen besseren Ort, um an Informationen zu gelangen. Nur die Fiktion könne die Intrigen und Machtkämpfe ans Tageslicht bringen, sagt er.
Es dürfte also bald noch mehr Tote geben in Davos. Die Rolle des «Don» muss Malleret aber neu besetzen.
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