Die Ukraine versucht, mit einem neuen Bonusprogramm ihre Soldaten im Kampf gegen Russland zu motivieren. Das System hat aber ein höheres Ziel.
Brave1 Market ist das neue Amazon für den Krieg. Statt Haushaltsgeräten, Büchern, der neuesten Apple-Geräte gibt es hier Drohnen, Steuerungssysteme, Munition. Geliefert wird nicht an die Haustür, sondern direkt an die Front.
Fünf-Sterne-Bewertungen werden für besonders effektive Waffen mit möglichst hoher Schlagkraft vergeben. Je höher die Opferzahl, desto besser die Beurteilung.
Als Bezahlmittel dienen gewonnene Punkte aus einem Bonusprogramm. Dieses ist Teil des Programms «Army of Drones» der ukrainischen Regierung. Dabei erhalten ukrainische Soldaten Punkte für hochgeladene Videos, die die Zerstörung russischer Ziele dokumentieren. Auf der Plattform können die Einheiten ihre Kampfpunkte dann gegen Drohnen und Ausrüstung von autorisierten Herstellern einlösen.
Der Krieg wird damit zum Spiel.
Mehr als tausend Kriegsartikel im Online-Shop
Den Start der Plattform kündigte die Regierung am 28. April via Telegram an. Sie werde «ähnlich wie Amazon» funktionieren, so zitiert die Nationale Nachrichtenagentur der Ukraine (Ukrinform) den Minister für digitale Transformation Michailo Fedorow. Damit sollen ukrainische Soldaten im Kampf gegen Russland zusätzlich motiviert werden, ihr Einsatz soll tödlicher werden.
Mehr als tausend Artikel sind auf dem Marktplatz verfügbar: Drohnen, Bodenroboter, elektronische Kampfführung und elektronische Kampfführungssysteme, Komponenten, KI-basierte Werkzeuge, Software und Munition sind dort erhältlich, wie die Regierung via Telegram mitteilt.
Anbieter können sich über ein Portal registrieren. Hersteller werden mit dem Versprechen gelockt, umgehend Feedback vom Militär zu bekommen, um ihre Produkte zu verbessern, abgesehen von dem Umsatz, der sie auf einer solchen Plattform erwartet.
Ranking der besten Einheiten
Was auffällt: Der Name Brave1 Market ist englisch, während der Rest der Seite in ukrainischer Schrift verfasst wurde. Das moderne Design mit animierten Drohnen, schwarzem Hintergrund und gelben Balken erinnert an den Highscore eines Computerspiels.
Prominent auf der Seite ist ein Ranking der besten Einheiten der Ukraine zu sehen, bei dem derzeit die 414. Infanteriebrigade «Vögel der Magyaren» vorne liegt und der zentrale Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) an zweiter Stelle folgt. Wie viele Punkte sie erzielt haben, ist dort nicht ersichtlich.
Bei dem Bonusprogramm gibt es gemäss einem Bericht von «Politico» Kategorien: 20 Punkte erhalten Einheiten für Schäden an einem Panzer, 40 Punkte, wenn sie ihn zerstören, und bis zu 50 Punkte für ein vernichtetes mobiles Raketensystem. Für einen getöteten feindlichen Soldaten bekommen die ukrainischen Truppen 6 Punkte.
Gemäss dem Artikel hat die Eliteeinheit «Vögel der Magyaren» 16 300 Punkte gesammelt. Das reiche aus, um 500 Tag- und 500 Nachtdrohnen, 100 Vampire-Drohnen und 40 Aufklärungsdrohnen zu kaufen. Verschickt wird die bestellte Ware innerhalb von einer Woche direkt an die Front, die Kosten übernimmt die ukrainische Regierung.
Das neue Ranking ist Teil des 2022 geschaffenen Projekts «Army of Drones», einer gemeinschaftlichen Aktion des Generalstabs der Streitkräfte, des staatlichen Spezialkommunikationsdienstes und des Ministeriums für digitale Transformation. Beteiligt ist auch die Nichtregierungsorganisation Ukrainischer Weltkongress (UWC).
Kaufen nur mit Zugang
Aus Sicherheitsgründen müssen sich die Soldaten auf dem Marktplatz über die App «Diia» authentifizieren. «Diia» ist 2019, noch vor Kriegsbeginn, eingeführt worden und so etwas wie der Staat im Smartphone. Über die staatliche App können Bürger all ihre Belange regeln und sich auch digital ausweisen. Besonders heikle Informationen sind nur über ein zusätzlich geschütztes «Delta»-System zugänglich.
Durch das einheitliche System fallen bürokratische Anträge weg, die Einheiten können direkt bei den Herstellern bestellen und Waffensysteme bewerten. Nutzerbewertungen für Waffensysteme sollen helfen, die Ausrüstung der ukrainischen Armee kontinuierlich zu verbessern. Das scheint zu funktionieren. Gemäss «Politico» haben sich 90 Prozent der ukrainischen Einheiten bereits bei dem Portal angemeldet und Punkte gesammelt.
Zugleich wird durch das Ranking und die damit verbundenen Nachweise schneller ersichtlich, wie gut die ukrainische Armee sich verteidigt. Dies lässt auch Rückschlüsse für die künftige Kampfführung zu. «Dies ist nicht nur ein Motivationssystem, sondern ein Mechanismus, der die Regeln des Krieges verändert», sagte Minister Fedorow.
Spenden für den Drohnen-Wettkampf
Die Finanzierung des Programms wird auf der Website nicht deklariert. Das Geld für die Waffen dürfte nicht nur vom Armeebudget und von der internationalen Hilfe, sondern unter anderem von Spendenaufrufen wie jenem der Regierungsplattform United24 kommen.
Seinen Soldaten verspricht Brave1 Market: «In naher Zukunft werden neue Warenkategorien erscheinen, die unsere Einheiten auf dem Schlachtfeld stärken werden.»