Er hoffte auf einen Traumjob in der Tech-Branche, stattdessen wurde er gemobbt und erlebte, wie Kollegen Finger verloren.
Ein Amerikaner erzählt von seiner Zeit bei TSMC, dem Konzern, der die Hightech-Industrie zurück in die USA bringen soll.
Matthias Cooper konnte sein Glück kaum fassen, als ihn vor vier Jahren ein Headhunter anrief: TSMC, der taiwanische Chip-Riese, plane in Arizona ein Werk und suche Ingenieure – ob Cooper interessiert sei. «Ein solches Angebot bekommt man nur einmal im Leben», sagt der 33-Jährige, als er im Oktober in einem Café am Stadtrand von Phoenix sitzt.
Cooper – athletische Figur, Vollbart – möchte trotz knapp dreissig Grad Aussentemperatur auf der Terrasse bleiben; im Café könnte jemand hören, was er erzählt. Mit einer Journalistin zu sprechen, ist für ihn riskant, denn er hat eine Schweigeerklärung über seine Zeit bei TSMC unterschrieben. In Wahrheit heisst er auch anders.
Cooper hat einen beeindruckenden Lebenslauf: Nach der Highschool trat er der amerikanischen Marine bei und wartete Nuklearreaktoren – eine Arbeit, die absolute Präzision verlangt. Ein Unfall verletzte ihn am Bein und fesselte ihn monatelang an den Rollstuhl. Niemand glaubte, dass er je wieder würde laufen können. Cooper beschloss, finanziert vom Militär, an die Uni zu gehen. Erst am lokalen Community College, dann an einer renommierten Hochschule studierte er Ingenieurwissenschaften, in nur zweieinhalb statt vier Jahren, mit Bestnote. Auch das Laufen lernte er wieder.
Die Glückssträhne schien sich fortzusetzen, als der Chipkonzern anrief. Das Angebot klang verlockend, zumal er zunächst ein Jahr in Taiwan leben und arbeiten sollte. Im Frühjahr 2021 reiste Cooper mit 300 Amerikanern nach Taipeh, weitere Kohorten würden folgen; auch seine Familie konnte mitkommen. Am TSMC-Firmensitz würden sie lernen, wie man die komplexen Maschinen zur Halbleiterproduktion bedient und wartet. In Phoenix wurde derweil die neue Fabrik aus dem Boden gestampft.
Doch der vermeintliche Traumjob entpuppte sich schnell als Albtraum. Cooper erlebte Diskriminierung und Mobbing, Sicherheitsrisiken wurden ignoriert. Die Erinnerungen daran treiben ihm bis heute die Tränen in die Augen. «Ich war ständig besorgt um meine Sicherheit. Es war eine enorm stressige Zeit.» Als er einen riskanten Vorfall beobachtete und diesen der Konzernleitung meldete, kostete ihn das die Karriere.
Der Chip-Gigant schlägt neue Wurzeln mit einer Fabrik in Amerika
Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, kurz TSMC, ist der weltweit führende Hersteller für Halbleiter. Der Konzern produziert winzig kleine Hochleistungsprozessoren, die die Smartphones in unseren Hosentaschen ebenso zum Laufen bringen wie Raketensysteme des Militärs und Satelliten im Weltall.
TSMC ermöglicht auch die KI-Revolution. Der Konzern baut die Chips, die Firmen wie Qualcomm, Google und Open AI für ihre KI-Berechnungen benötigen. Auch Nvidia zählt zu den grössten Kunden von TSMC: Nvidia entwickelt zwar die Chips, aber tatsächlich gebaut werden sie erst in den Fabriken von TSMC.
Die Taiwaner machen das besser als nahezu jeder Konkurrent, 90 Prozent aller Hochleistungschips stammen von TSMC. Es ist einer jener Konzerne, von denen viele Konsumenten noch nie gehört haben, obwohl sie ihre Produkte jeden Tag nutzen. Und ohne die ihr Leben gänzlich anders aussehen würde.
Insbesondere für Apple spielt TSMC eine Schlüsselrolle. Die wichtigsten Komponenten des iPhone würden zwar in Kalifornien entworfen und in China zusammengesetzt, aber sie könnten einzig in Taiwan hergestellt werden, schreibt der Autor Chris Miller in seinem Buch «Chip War». «Keine Firma ausser TSMC hat die Fähigkeiten oder die Produktionskapazitäten dafür.»
Als der Konzern 2020 ankündigte, die Hochleistungschips künftig auch in den USA, konkret in Arizona, zu fertigen, war das eine Sensation. Endlich würden Chips wieder in dem Land gefertigt, das sie erfunden hatte. Und endlich wäre die amerikanische Wirtschaft weniger abhängig von einer einzigen Firma auf einer Insel, auf die China ein Auge geworfen hat. Die Regierung Biden sicherte Milliarden Dollar an Fördergeldern zu.
Doch vier Jahre später läuft in Phoenix vieles anders als geplant. Der reguläre Produktionsstart der TSMC-Fabrik wurde immer wieder verschoben, Gewerkschaften beklagen Sicherheitsmängel, und frühere Mitarbeiter erheben schwere Anschuldigungen: TSMC diskriminiere systematisch Amerikaner und stelle bevorzugt Taiwaner ein, die man zu Hunderten einfliege.
Gespräche der NZZ mit ehemaligen Mitarbeitern und Experten zeigen, wie komplex sich die Expansion von TSMC in den USA gestaltet – und wie sich dies auf die gesamte Chipindustrie auswirken könnte.
Die rasante Karriere von Morris Chang
Die Geschichte von TSMC nimmt ihren Anfang in den USA. Der Chinese Morris Chang zieht 1949 für ein Ingenieurstudium an der Eliteschule Massachusetts Institute of Technology (MIT) nach Boston, später beginnt er bei der amerikanischen Technologiefirma Texas Instruments seine Karriere. Diese hatte wenige Jahre zuvor eine Schlüsselrolle dabei gespielt, viele Transistoren auf einmal auf ein Stückchen Halbleiter zu hieven: Der integrierte Schaltkreis – oder kürzer: Chip – war geboren.
Für Texas Instruments entwickelt Chang immer komplexere Chips, als Vizepräsident verantwortet er bald das globale Halbleitergeschäft. Doch als nach 25 Jahren die Nachbesetzung des CEO-Postens ansteht, kommt der Affront: Statt Chang zum Chef zu machen, entscheidet sich der Vorstand für den Amerikaner Fred Bucy.
Wütend und enttäuscht verlässt Chang schliesslich Texas Instruments – und nimmt ein verlockendes Angebot der taiwanischen Regierung an: In Taiwan soll Chang eine Chipindustrie aus dem Boden stampfen. Die Insel will sich als Hightech-Standort etablieren, koste es, was es wolle. Chang gründet TSMC im Jahr 1987 und verfolgt eine ungewöhnliche Idee, die bei Texas Instruments niemand hatte hören wollen: Statt eigene Chips zu entwickeln, konzentriert sich TSMC auf die reine Produktion von Chips, die andere entworfen haben. Chang kauft teure Maschinen und stellt Spezialisten ein.
Seine Wette geht auf: TSMC wird zum Weltmarktführer für die Produktion komplexer Halbleiter und Taiwan die globale Chip-Supermacht. Dass man Chang gehen liess, «war ein grosser Fehler von Texas Instruments und ein grosser Glücksfall für Taiwan», sagt der Buchautor Miller gegenüber der NZZ.
Inzwischen kann TSMC Chips mit einem Durchmesser von drei Nanometern produzieren – das entspricht einem Fünftausendstel der Dicke eines menschlichen Haares. «Es ist das Komplexeste, was Menschen je gebaut haben», erklärt der Halbleiterexperte G. Dan Hutcheson, der als Analyst für Techinsight arbeitet: 2000 bis 3000 Produktionsschritte durchlaufe ein Chip während 12 bis 13 Wochen. Am Ende arbeiten mehrere Milliarden Transistoren reibungslos zusammen und bilden den winzig kleinen Chip.
Heute beschäftigt TSMC 77 000 Angestellte weltweit und setzte jüngst 69,3 Milliarden Dollar um. 68 Prozent seines Umsatzes macht der Konzern mit amerikanischen Firmen, allen voran mit Apple. Der iPhone-Hersteller allein steuert 25 Prozent zum Umsatz von TSMC bei.
Apples CEO Tim Cook war in seinem früheren Leben Spezialist für Lieferketten. Er stört sich seit langem daran, dass die Chips, die sein wichtigstes Produkt zum Laufen bringen, nur in Taiwan produziert werden – auf einer Insel, auf die China mit zunehmender Aggressivität Besitzansprüche erhebt. Cook und andere Silicon-Valley-Chefs machen deshalb Druck auf TSMC, Fabriken auch in den USA zu errichten.
Apple habe gedroht, sonst zu Samsung zu wechseln, erzählt Hutcheson, dem grösstem Konkurrenten von TSMC. Samsung hat zurzeit nur einen Marktanteil von 10 Prozent, doch das könnte sich auf einen Schlag ändern, wenn Samsung – statt TSMC – Prozessoren für das iPhone bauen würde.
65 Milliarden Dollar in Arizona investiert
Im Mai 2020 kündigt TSMC tatsächlich den historischen Schritt an: Im Wüstenstaat Arizona, nördlich der Hauptstadt Phoenix, würde man eine Fabrik für die modernsten Halbleiter errichten – also auch solche, die Apple für sein iPhone benötigt. 65 Milliarden Dollar hat TSMC dem Vorhaben bis heute zugeschrieben. Für die USA ist es eine der grössten, für Arizona gar die grösste je getätigte ausländische Direktinvestition.
Warum ausgerechnet Arizona? Der Wüstenstaat habe firmenfreundliche Regulierungen, und dank Intel sei bereits eine Chipfabrik vor Ort, erklärt Hutcheson. Mit der Arizona State University gebe es zudem eine führende Hochschule für Ingenieurwissenschaften und in Phoenix einen internationalen Flughafen.
Auch die amerikanische Regierung jubelt. Gemäss dem Handelsministerium beziehen die USA 92 Prozent ihrer Hochleistungschips aus Taiwan. Sollten die Spannungen mit Peking eskalieren, so die Befürchtung, könnte die Chipproduktion zum Stillstand kommen – mit katastrophalen Auswirkungen auf die gesamte US-Wirtschaft.
Die Regierung Biden setzt grosse Hoffnung in den amerikanischen Chip-Aufschwung und fördert ihn mit viel Geld. 2022 stellt sie die sogenannte Chips and Science Act vor, eine der grössten Wirtschaftsförderungsmassnahmen der Geschichte. 52,7 Milliarden Dollar an Fördergeldern sollen dabei helfen, Amerikas Chip-Autonomie zu stärken. Auch soll es grosszügige Steuernachlässe für Firmen geben, wenn sie in den USA und in amerikanische Arbeitskräfte investieren.
«American manufacturing is back, folks!»
Es schien, als hätten sich TSMC und die USA gesucht und gefunden. Im Dezember 2022 kommt es im Nordosten von Phoenix zu einer bemerkenswerten Szene: Auf der TSMC-Baustelle, vor einer gigantischen US-Flagge, verkündet Präsident Biden: «American manufacturing is back, folks!», die amerikanische Produktion sei zurück. Im Publikum klatscht Apples CEO Cook.
TSMC wird von der Chips Act 6,6 Milliarden Dollar an Subventionen und Krediten erhalten. Am gleichen Tag kündigt der Konzern eine zweite Fabrik in Phoenix an, inzwischen werden gar drei gebaut. Insgesamt, so berichtet das «Wall Street Journal», erhoffe sich der Chiphersteller 15 Milliarden Dollar von der US-Regierung.
Der grosse Gewinner schien damals vor allem der Gliedstaat Arizona zu sein: Die Bauarbeiten allein sollten 20 000 Arbeitsplätze schaffen, die Fabrik später 6000 Mitarbeiter beschäftigen, zusätzlich würden Tausende Stellen bei Zulieferern geschaffen.
Doch von dieser Win-win-Situation spürte Matthias Cooper in Taiwan nichts. Seine Zeit dort wurde mit jedem Monat schlimmer. Erst waren es die kleinen Dinge, die ihm das Leben erschwerten: Sein taiwanischer «Buddy», der ihn im Konzern hätte einführen sollen, sah in ihm keinen Kumpel, sondern einen Konkurrenten, den es auszustechen galt.
Praktisch jede Kommunikation, alle Sitzungen, alle Trainingsunterlagen waren auf Mandarin. Selbst das Wissen, wie die Maschinen funktionierten, die er später in Phoenix bedienen würde, musste sich Cooper mit Übersetzungshilfen wie Google Translate selbst beibringen. «Es war völlig abstrus, so, als wollten sie, dass wir scheitern», erzählt er. Die Feindlichkeit habe systematisch den Amerikanern gegolten.
Seine Schilderungen stimmen mit denen anderer Mitarbeiter überein. Auf dem Internetportal Glassdoor.com, auf dem Angestellte anonym Unternehmen bewerten, geben die Mitarbeiter TSMC nur 3,1 von 5 Punkten. «Es gibt bei TSMC keine Work-Life-Balance», schreiben dort Dutzende. «Wenn du auch nur irgendeine Alternative hast, nimm lieber die.»
Die Schilderungen decken sich mit einer Sammelklage, die kürzlich vor dem Bundesgericht Nordkaliforniens in San Jose eingereicht wurde. In der Klageschrift, die der NZZ vorliegt, wirft eine frühere amerikanische Personalleiterin TSMC vor, Nichtasiaten und speziell Nichttaiwaner systematisch diskriminiert zu haben. Aufstiegschancen würden verweigert, und ein feindliches Arbeitsumfeld werde geschaffen. Wer das beanstande, dem werde mit Vergeltung gedroht.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz für sich und Tausende andere Angestellte, weil der Konzern mit dieser Ungleichbehandlung gegen die Bürgerrechte verstossen habe. Sollte sie recht bekommen, könnten TSMC hohe Entschädigungen drohen – und möglicherweise der Verlust von Fördergeldern durch die Chips Act.
Der Export in die Wüste ist schwieriger als gedacht
Wer sich selbst ein Bild von der Lage machen möchte, muss in die Wüste fahren. Vierzig Autominuten nördlich von Phoenix’ Innenstadt erhebt sich aus der kargen Landschaft der Sonora-Wüste eine riesige Baustelle. Auf einem gigantischen Gelände von 445 Hektaren – so gross wie 556 Fussballfelder – stehen unzählige Kräne, Baugerüste, Wohnwagen und Hunderte Autos. Nach dem Vorbild des riesigen Campus von TSMC in Taiwan, des Hsinchu Science Park, soll hier das neue Hauptquartier entstehen, made in America.
Die erste von drei Fabriken steht und läuft bereits. Mit silbernem Anstrich und einer Luftbrücke mutet das Gebäude futuristisch an. Saguaro-Kakteen säumen die Zufahrt, ein riesiger Brunnen ziert den Eingang. Zur Mittagszeit strömen Hunderte Mitarbeiter ein und aus, bepackt mit durchsichtigen Rucksäcken, Sicherheitswesten und Helmen. Tafeln mit Zitaten von Tim Cook und Joe Biden erinnern die Arbeiter auf dem Weg vom Parkplatz daran, dass Arizona hier Geschichte schreibt.
Doch bei dieser angeblichen Erfolgsgeschichte hapert es. Die ersten Chips rollten zwar jüngst vom Band – Hochleistungschips für Apple –, doch die Serienproduktion wurde auf 2025 verschoben. Auch die Drei-Nanometer-Chips – das komplexeste Produkt von TSMC– werden erst 2028 statt wie geplant 2026 in Produktion gehen.
TSMC schiebt die Schuld dem amerikanischen Arbeitsmarkt zu: Qualifiziertes Personal sei in den USA extrem schwierig zu finden, beschwerte sich der Vorstandsvorsitzende Mark Liu gegenüber Investoren im Sommer 2023. Amerikaner seien gewohnt, in simplen Fabriken zu arbeiten, nicht aber in einer komplexen Halbleiteranlage; zudem hätten sie eine schlechte Arbeitsmoral. Die einzige Lösung sei, erfahrene Arbeiter aus Taiwan vorübergehend einzufliegen.
TSMC flog jedoch nicht nur Fabrikarbeiter, sondern auch Bauarbeiter ein. Gemäss der «New York Times» ist etwa die Hälfte der 2200 Angestellten aus Taiwan angereist. Das wiederum empörte lokale Gewerkschafter wie Aaron Butler, der den Fachkräftemangel für eine Erfindung hält. Er sagt: «Es ist beleidigend und auch nicht zutreffend.» US-Medien berichten von Unfällen und Sicherheitsproblemen auf der TSMC-Baustelle, mindestens drei Bauarbeiter sind dort schon gestorben. Vor wenigen Tage verhängte auch die Bauaufsichtsbehörde von Arizona eine Busse von 16 000 Dollar gegen TSMC wegen Sicherheitsmängeln.
Erstaunlich ist, dass ausgerechnet Morris Chang, der Gründer von TSMC, einer der grössten Zweifler bezüglich der Expansion in die USA ist. Alle entsprechenden Versuche seien zum Scheitern verurteilt, sagte der heute 93-Jährige zu Nancy Pelosi, als die damalige Speakerin des Repräsentantenhauses 2022 Taiwan besuchte. «Computer unterschiedlicher Hersteller kann man zusammenschliessen, aber nicht Menschen verschiedener Kulturen.»
Das glaubt auch Jason Hsu. Der früherer taiwanische Kongressabgeordnete lebt und arbeitet in den USA. Um TSMC habe sich in Taiwan ein einzigartiges Netzwerk an Zulieferern gebildet, erklärt er am Telefon. «Das lässt sich nicht so einfach kopieren wie ein Bubble-Tea-Shop.» Zudem habe TSMC einen anderen Stellenwert für Taiwaner als für Amerikaner. «Für TSMC zu arbeiten, ist für Taiwaner eine Ehre», sagt Hsu, da nehme man auch unbezahlte Überstunden auf sich oder komme mitten in der Nacht in die Fabrik. Tatsächlich trägt der Konzern bemerkenswerte 9 Prozent zum taiwanischen Bruttoinlandprodukt bei.
Manche Angestellten «hatten Glück»
Statt Stolz verspürte Matthias Cooper in Taiwan zunehmend Frustration. Nach einem Dreivierteljahr eskalierte die Situation, als Cooper einen schweren Sicherheitsverstoss beobachtete: Eine Gruppe Ingenieure habe angefangen, eine Maschine zu warten, bevor diese voll heruntergefahren gewesen sei. Giftige Gase waren noch in den Leitungen. Als Cooper intervenieren wollte, stoppte man ihn mit der Erklärung: «In Taiwan machen wir das so.» «Es war nichts als Glück, dass nichts Schlimmes passiert ist», sagt Cooper. Während seiner Zeit in Taiwan hätten mehrere Personen bei Betriebsunfällen Finger verloren.
Cooper meldete den Vorfall seinem Vorgesetzten – und sollte plötzlich nur noch Schreibtischarbeiten machen. «Es fühlte sich sehr nach Vergeltung an», sagt er. Als er die zentrale Sicherheitsabteilung von TSMC informierte, wurde er kurz darauf entlassen. Die Firma habe ihn gezwungen, zu unterschreiben, dass er gekündigt habe, sonst hätte er seine Ausbildungskosten zurückzahlen müssen.
Nicht allen Angestellten erging es wie Cooper. Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter erzählt der NZZ, dass er während seiner eineinhalb Jahre bei TSMC nie diskriminiert worden sei, weder in Taiwan noch in Phoenix. Doch viele seiner amerikanischen Kollegen hätten Ähnliches erlebt wie Cooper: Mitten in der Nacht wurden sie in die Fabrik beordert, in Sitzungen wurde nur Mandarin gesprochen, künstliche Deadlines setzten sie unter Druck. «Ich hatte Glück», sagt der junge Mann. 80 Prozent seiner einstigen Kollegen seien inzwischen gegangen.
Die kommenden Monate werden zeigen, inwiefern die Rechtsklagen Erfolg haben. TSMC dürfte alles für eine aussergerichtliche Einigung tun, schliesslich hat der Konzern bereits Milliarden von Dollars in Arizona investiert.
Sollte die Chipproduktion ab 2025 tatsächlich serienmässig anlaufen, sagt der Buchautor Miller, dann könnte sich das Vorhaben auch für die USA auszahlen: Bis 2030 dürfte das Land der zweitgrösste Hersteller von Hochleistungschips werden. Vorher müsste der Konzern aber noch lernen, wie man eine internationale Belegschaft leitet.
Cooper hat inzwischen die Branche gewechselt. Heute würde er niemandem empfehlen, bei TSMC anzufangen – das Betriebsklima sei vergiftet.