Bern pflegt gute Beziehungen zu Teheran. Der Fall eines der Spionage verdächtigten Schweizers gibt nun auch politisch zu reden.
Ein Schweizer Bürger hat sich gemäss den iranischen Behörden Anfang Monat in einem Gefängnis das Leben genommen. Iran hatte ihn wegen Spionagevorwürfen verhaftet. Am Mittwoch ist der Leichnam per Linienflug in der Schweiz angekommen, wie ein Sprecher des Aussendepartements (EDA) sagte. Die Schweizer Botschaft hatte wiederholt versucht, von Iran mehr Informationen zu bekommen und konsularischen Zugang zum Schweizer zu erhalten. Teheran hatte diesen jedoch verweigert und auf die Anschuldigungen wegen Spionage verwiesen.
Inzwischen befasst sich die Schweizer Politik mit dem Fall. Bern pflegt gute Beziehungen zu Iran und vertritt dort auch die amerikanischen Interessen. In Krisensituationen nutzt Teheran gerne den Schweizer Kanal, um den USA Botschaften zu übermitteln – obwohl formell nur für Washington ein Schutzmachtmandat besteht. Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats hat sich diese Woche von Monika Schmutz Kirgöz, der Chefin der EDA-Abteilung für den Nahen Osten und Nordafrika, über den Fall informieren lassen.
Irans Vizepräsident spricht am WEF
Nun hat Bundesrat Ignazio Cassis den Fall des toten Schweizers beim Zusammentreffen mit dem iranischen Vizepräsidenten Javad Zarif angesprochen. Dies bestätigte der EDA-Sprecher Nicolas Bideau auf Anfrage. «Wir wollten von Iran mehr Informationen über die Spionagevorwürfe gegen den Schweizer und die Hintergründe seines Todes.» Mehr wollte Bideau nicht sagen.
Der EDA-Vorsteher traf Zarif am Mittwochabend im Rahmen des WEF in Davos. In der gegenwärtig heiklen Lage bleibe die Schweiz mit Iran im Dialog, schrieb Cassis auf X. Sie sei bereit, auf diplomatischem Weg zu einer Deeskalation in der Region beizutragen.
Meeting with Iranian Vice President Zarif in Davos. In the current delicate geopolitical context, Switzerland remains engaged in dialogue with Iran and stands ready to contribute diplomatically to help de-escalate tensions in the region. pic.twitter.com/APeLmJ0aMR
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) January 22, 2025
Zarif trat am Mittwoch am WEF auf. Am selben Tag gaben die iranischen Behörden detaillierte Informationen über den Fall bekannt, welche die Schweiz verlangt hatte.
Der 64-jährige Schweizer war in Iran als Tourist unterwegs. Er sei über einen Grenzübergang aus Afghanistan eingereist, sagte ein Sprecher der iranischen Justizbehörden gemäss der Nachrichtenagentur Reuters. Sein Auto sei mit verschiedenen technischen Geräten für unterschiedliche Zwecke ausgerüstet gewesen. Nachdem er mehrere Provinzen durchquert habe, sei er in Semnan in einer militärischen Sperrzone verhaftet worden. Iran warf ihm vor, dort Fotos gemacht und mit «feindlichen Staaten» kollaboriert zu haben.
Der Sprecher der iranischen Justizbehörden äusserte sich auch zu den Todesumständen des Schweizers. Der Inhaftierte soll sich mit einem Kleidungsstück erhängt haben, nachdem er in seiner Zelle das Licht ausgeschaltet und sich ausserhalb des Blickfelds der Kameras aufgehalten habe.
Teherans Geiseldiplomatie
Die iranischen Revolutionswächter haben wiederholt Doppelbürger und Ausländer verhaftet, oft unter dem Vorwurf der Spionage. Kritiker werfen dem Regime vor, eine Geiseldiplomatie zu betreiben, um im Ausland inhaftierte Iraner freizupressen. Im Dezember hatte Teheran eine italienische Journalistin verhaftet, weil sie gegen die Gesetze der islamischen Republik verstossen haben soll. Die Festnahme erfolgte, kurz nachdem Italien auf Ersuchen der USA einen Iraner verhaftet hatte. Dieser soll eine Tarnfirma zum Schmuggel von Drohnentechnologie betrieben haben und war bis 2022 an der ETH Lausanne tätig. Wenige Tage nach Salas Rückkehr liess Italien den Iraner frei.
Beim Schweizer scheint es sich jedoch nicht um einen Fall von Geiseldiplomatie gehandelt zu haben. Gemäss iranischen Medien wurde dieser Ende Oktober verhaftet – bevor Italien den Iraner inhaftierte. Teheran informierte Bern aber erst am 10. Dezember über die Verhaftung des Schweizers. Dieser lebte seit 20 Jahren nicht mehr in der Schweiz. Gemäss den iranischen Behörden soll er in Namibia geboren sein. Die Einreise nach Iran von Afghanistan aus entspricht nicht den gängigen Touristenrouten.
Ungewöhnlich bleibt, dass die Botschaft in Teheran keinen konsularischen Zugang zum inhaftierten Schweizer erhielt. Offenkundig handhabt dies Iran beim Verdacht auf Spionage und bei laufenden Voruntersuchungen grundsätzlich so. Erledigt ist der Fall jedoch nicht. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat ein Verfahren eingeleitet, wie am Mittwoch mehrere Medien berichteten. Sie will die Umstände des Todes abklären.