Beim Detailhändler hatte der Manager die Innovationsentwicklung zur Chefsache gemacht, doch allzu viel ist davon nicht übrig geblieben. Nun wird Zumbrunnen ausgerechnet Präsident beim ehemaligen Migros-Venture-Berater Stryber.
Fabrice Zumbrunnen hätte sich sein Leben nach der Migros auch gemütlicher einrichten können. Aufgerieben im Machtkampf zwischen der Zürcher Zentrale und den Regionalgenossenschaften, hatte der Manager im Frühling 2023 den Detailhändler verlassen.
Mit erst 53 Jahren wäre ein Wechsel in den Vorruhestand etwas gar früh gewesen. Aber es hätte sicher auch einfachere Jobs gegeben als den Chefposten bei Aevis Victoria, den Zumbrunnen im Mai dieses Jahres übernommen hat.
Der börsenkotierte Spitalkonzern bewegt sich in einem herausfordernden Marktumfeld. Das Unternehmen experimentiert mit neuen Modellen für die Gesundheitsversorgung. Erst am Dienstag hatte Aevis Victoria dafür im Tessin ein Netzwerk von Gruppenpraxen übernommen.
Das Gesundheitsthema ist für Zumbrunnen kein Neuland. So hat er doch bereits bei der Migros den Aufbau eines neuen Standbeins in dem Bereich vorangetrieben.
Aber auch eine andere Herzensangelegenheit wird ihn über die Migros-Zeit hinaus begleiten: der Aufbau von Startups. Beim Detailhändler hatte Zumbrunnen das Thema zur Chefsache gemacht.
Unter dem Namen Sparrow Ventures hatte sich die Migros in einer Art Zukunftslabor an bestehenden Startups beteiligt, aber auch selber versucht, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Neues Mandat
Die Idee sei gewesen, «neue Einkommensquellen zu erschliessen und eine neue Kultur in der Firma zu etablieren», schreibt Zumbrunnen auf der Website der Beratungsfirma Stryber. Der ehemalige Migros-Chef wird bei dem Unternehmen, das damals den Händler beim Aufbau seiner Startup-Aktivitäten beraten hat, das Verwaltungsratspräsidium übernehmen. Dies teilte Stryber am Mittwoch auf Linkedin mit. Details zum Mandat sind vertraulich, Zumbrunnen sei jedoch am Erfolg der Firma beteiligt.
Statt neue Erträge zu generieren, haben die Startup-Abenteuer die Migros jedoch vor allem viel Geld gekostet. Deshalb hat der Detailhändler dem Projekt rund ein halbes Jahr nach Zumbrunnens Abgang den Stecker gezogen. Denn die Ziele der 2018 gegründeten Sparrow Ventures seien «leider nicht im gewünschten Mass erreicht worden», hiess es aus der Zentrale. Es fehlte an Lust und Geduld, die Startup-Entwicklung in dieser Form weiterzuführen.
Einige Initiativen haben überlebt, in veränderter Form etwa Wepractice, eine Online-Plattform für Psychotherapeuten, oder Nextkey, ein Online-Immobilienmakler für die Migros Bank.
Tatsächlich ist jedoch ein grosser Teil der Projekte gescheitert. Laut der damaligen Sparrow-Website zum Beispiel, weil sie «den Nutzern zu wenig Mehrwert bieten», «weil es schwierig ist, die Nachfrage und das Bedürfnis für die Dienstleistung abzuschätzen» oder weil das Projekt «zu wenig Potenzial hat, loyale Kunden zu gewinnen».
Zum Teil wurden die Startups auch in Migros-Gesellschaften eingegliedert oder eingestellt, weil es im Reich der Regionalgenossenschaften ähnliche Initiativen gab.
Bestsmile droht das Aus
Erst vergangene Woche gab es eine weitere schlechte Nachricht einer Jungfirma aus dem Migros-Universum. Die Praxen des Zahnkorrektur-Spezialisten Bestsmile werden voraussichtlich geschlossen. Migros hatte das Startup nicht selber in seinem Labor lanciert, sondern hatte es in mehreren Etappen übernommen – zu einem überhöhten Preis, wie nachträgliche Abschreiber in Millionenhöhe nahelegen.
«Eine Firma von innen zu verändern, ist sehr schwierig», schreibt Zumbrunnen mit seiner eigenen Erfahrung in den komplexen Migros-Strukturen und der starken Migros-Kultur. In seiner neuen Rolle bei Stryber wird Zumbrunnen dann seine Ideen von aussen bei dessen Kunden einbringen können.
So möglicherweise eines Tages auch in Saudiarabien, wo Stryber für Sanabil, eine Gesellschaft des saudischen Staatsfonds PIF, gerade mit einem sogenannten Venture-Studio Startups aufbaut. Vielleicht ist das zeitliche und finanzielle Budget dort grösser als bei der Migros.