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Ein junger Amerikaner verübt bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania einen Anschlag auf Donald Trump. Der Attentatsversuch zeigt bereits Folgen für den Wahlkampf.
Der ohnehin schon angeheizte Wahlkampf zwischen Joe Biden und Donald Trump hat beinahe in einer Katastrophe geendet. Am Samstag wurde Donald Trump bei einem Wahlkampfanlass in Butler, Pennsylvania, angeschossen. Die Veranstaltung fand unter freiem Himmel statt, der Schütze hatte sich auf einem Dach, etwa hundert Meter vom ehemaligen Präsidenten entfernt, postiert. Er traf Trump lediglich am Ohr, aber ein Zuschauer wurde tödlich getroffen, zwei weitere Personen wurden schwer verletzt.
Sicherheitsleute erschossen den Attentäter, nachdem er acht Schüsse abgegeben hatte. Gleich nach dem Anschlag duckte sich Trump hinter das Rednerpult. Dann wurde er rasch von seinen Bodyguards weggebracht, nachdem er, mit blutverschmiertem Gesicht, die Faust in die Höhe gereckt, «kämpft, kämpft» gerufen hatte. Offenbar erholte er sich im Spital rasch von der Verletzung.
Schon kurz nach dem Attentatsversuch meldete sich der Anwärter für die anstehenden Präsidentschaftswahlen zu Wort. Der obere Teil seines Ohrs sei von der Kugel durchbohrt worden, schrieb er auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. «Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich hörte ein zischendes Geräusch, Schüsse und spürte sofort, wie die Kugel meine Haut aufriss.»
Bei dem getöteten Zuschauer soll es sich um einen Feuerwehrmann und Familienvater handeln, wie der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, bekanntgab. Der Mann habe sich schützend über seine Familie gebeugt, als die Schüsse fielen. Er sei ein «begeisterter Anhänger Trumps» gewesen.
Der Täter war ein bisher unauffälliger Zwanzigjähriger
Beim Täter handelt es sich laut den Ermittlungen der Bundespolizei FBI um den zwanzigjährigen Thomas Matthew Crooks, der 2022 die Highschool abschloss. Er ist offenbar ein eingetragener Republikaner, spendete jedoch 2021 einen kleineren Geldbetrag an eine den Demokraten nahestehende Organisation. Über sein Motiv ist bisher nichts bekannt. Offenbar war er bis jetzt nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und auch nicht mit dezidierten politischen Ansichten aufgefallen. Er wohnte in Bethel Park, etwa 65 Kilometer vom Tatort entfernt. Er schoss mit einem halbautomatischen Gewehr vom Typ AR-15. Laut dem «Wall Street Journal» wurde die Waffe von Crooks’ Vater erworben.
Die Abklärung seiner Identität dauerte relativ lange, weil er keine Ausweisdokumente auf sich trug. Nach der Tat wurde in seinem Auto Sprengstoff gefunden. Wie er es schaffte, unbemerkt auf das nahe gelegene Dach zu gelangen, ist momentan Gegenstand intensiver Abklärungen. Offenbar trug Crooks bei der Tat ein T-Shirt des Youtube-Kanals «Demolition Ranch». Der Kanal mit seinen über elf Millionen Abonnenten ist ausschliesslich dem Thema Waffen gewidmet.
Präsident Joe Biden nannte den Anschlag auf Trump «krank». «Ich bin dankbar zu hören, dass er in Sicherheit ist und es ihm gutgeht», teilte er mit. «Ich bete für ihn und seine Familie und für alle, die an der Kundgebung waren.» Diese Art von Gewalt habe in Amerika keinen Platz. Am Samstagabend, als Trump sich noch im Spital befand, telefonierte Biden mit ihm. Über den Inhalt des Gesprächs ist nichts bekannt. Biden brach wegen des Attentatsversuchs seinen Wochenendaufenthalt im Gliedstaat Delaware ab und sagte seine Reise nach Texas ab, die am Montag starten sollte.
Am Sonntagmittag wandte sich Biden im Weissen Haus vor versammelter Presse erneut an die Öffentlichkeit. «Ein Mordversuch widerspricht allem, wofür wir als Nation stehen», sagte er und beschwor die Einheit der USA. Die Sicherheitsvorkehrungen für Trump würden überprüft. Man solle keine Spekulationen über die Motive des Täters anstellen und das FBI seine Arbeit machen lassen, sagte er, offensichtlich um Deeskalation bemüht.
Auch andere führende Demokraten wie die Vizepräsidentin Kamala Harris, der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, der ehemalige Präsident Obama und die ehemalige Speakerin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verurteilten die Tat und wünschten Trump rasche Genesung.
Genesungswünsche aus aller Welt, ausser aus Moskau
Zahlreiche Staatschefs wie der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der chinesische Staatschef Xi Jinping, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu verurteilten die Tat. Auch Uno-Generalsekretär António Guterres und Bundespräsidentin Viola Amherd sandten Genesungswünsche. Viele warnten vor einer Eskalation der Gewalt.
Bloss die Meldung aus Moskau unterschied sich vom Gros der Kommentare. Der Kreml nannte das versuchte Attentat eine Folge von Washingtons «Politik des Schürens von Hass». Die USA sollten eine Bestandsaufnahme ihrer Politik gegen Gegner, Länder und Völker machen, sagte die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa. Sie empfahl den USA, Geld lieber für die Ordnung im eigenen Land auszugeben, anstatt Waffen in die Ukraine zu liefern.
Der Tesla-CEO Elon Musk wünschte Trump auf seinem sozialen Netzwerk X kurz nach der Tat eine rasche Genesung und gab bekannt, dass er ihn nun offiziell im Wahlkampf unterstütze.
Immer wieder Attentate im Laufe der US-Geschichte
Am Montag wird in Milwaukee im Gliedstaat Wisconsin der Parteitag der Republikaner beginnen. 2500 Delegierte küren Trump dort offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Auch wird erwartet, dass er während der viertägigen Veranstaltung seinen «running mate» bekanntgibt, der ihm im Falle eines Sieges als Vizepräsident zur Seite stehen wird. Die Teilnehmer könnten Trump nun als Märtyrer empfangen, meinte der Politstratege David Axelrod in einem Interview mit CNN. Die Veranstaltung werde möglicherweise wütender und finsterer.
Tatsächlich zeitigt der Attentatsversuch bereits Folgen für den Wahlkampf. Während bei den Demokraten gestritten wird, ob man Biden nach seinem missglückten Auftritt bei der TV-Debatte vom 27. Juni als Kandidaten ersetzen soll, sind Trumps Wahlchancen nach dem Anschlag in Butler laut den Wettbüros auf über sechzig Prozent gestiegen.
Im Laufe der amerikanischen Geschichte gab es immer wieder Anschläge auf Präsidenten. In den 1960er Jahren fielen Präsident John F. Kennedy, sein Bruder Robert Kennedy und der Bürgerrechtler Martin Luther King Attentaten zum Opfer. Aber schon viel früher wurden Abraham Lincoln (1865), James Garfield (1881) und William McKinley (1901) getötet. Versuchte Mordanschläge gab es auf Theodore Roosevelt, Gerald Ford und Ronald Reagan, der 1981 beim Verlassen eines Hotels in Washington verletzt wurde.
Manche giessen Öl ins Feuer, andere versuchen zu beruhigen
In den letzten Jahren hat die Gewalt auch gegen weniger hochrangige Politiker zugenommen, und es werden immer aggressivere Töne angeschlagen. Sowohl Demokraten wie Republikaner neigen häufiger dazu, die andere Seite nicht mehr als politischen Gegner, sondern als Feind zu betrachten. Die Wahl vom 5. November wird gerne zur Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse hochstilisiert. Ob der Anschlag auf Trump nun zu einem Weckruf wird, der zu rhetorischer Abrüstung führt, oder ob er noch mehr Hass und Rachegelüste schürt, ist eine offene Frage.
Der republikanische Abgeordnete Steve Scalia aus Louisiana, der 2017 selbst bei einem Anschlag von einem politischen Gegner verletzt worden war, kritisierte hingegen auf X die Demokraten, weil sie lächerliche Hysterie geschürt hätten, dass die Wahl von Trump das Ende der Demokratie bedeuten würde. «Diese aufwieglerische Rhetorik muss aufhören», schrieb er.
J. D. Vance, Senator aus Ohio und potenzieller Kandidat für die Vizepräsidentschaft unter Trump, äusserte sich ähnlich. Aus seiner Sicht hat die Rhetorik von Bidens Wahlkampfteam direkt zum versuchten Mordanschlag geführt.
Der republikanische Speaker des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, rief hingegen zur Mässigung auf. «Wir müssen die Temperatur in unserem Land herunterschrauben», sagte er am Sonntag vor der Presse. «Wir müssen das in beiden Parteien klarmachen, so dass wir vorwärtsgehen und unsere freie Gesellschaft aufrechterhalten können.» Ähnlich äusserte sich Donald Trumps Frau Melania. Sie rief die Amerikaner im sozialen Netzwerk X dazu auf, sich auf ihre Gemeinsamkeiten zu besinnen und sich daran zu erinnern, dass alle, ob Demokraten oder Republikaner, letztlich zusammen für ein besseres Leben kämpften. Auch Trump selbst hält sich bis jetzt auffällig mit Schuldzuweisungen zurück.