Der helvetische Einsatz für das Gute in der Welt ist nobel, wird unter Donald Trump 2.0 aber noch stärker an Grenzen stossen. Gefragt ist eine opportunistische, wendige Aussenpolitik.
Das Jahr 2025 hat turbulent begonnen. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat in den wenigen Wochen, in denen er im Amt ist, bereits für grosse Unruhe gesorgt. Seine zweite Administration ist besser vorbereitet als die erste. Gebannt verfolgen die Schweiz und die EU-Staaten die hohen Zölle, die Trump für Einfuhren aus Mexiko, Kanada und China angeordnet hat, teilweise mit einer Gnadenfrist. Der Präsident hat irritierende Ideen lanciert, von Grönland bis Gaza.
Europa ist sich uneinig, wie es reagieren soll – das Muster reicht von Anbiederung über Kraftmeierei bis zu Panikmache. In Deutschland sickerte kurz vor Trumps Inauguration ein Bericht durch, in dem Berlins Botschafter in den USA ein düsteres Bild der Zukunft der amerikanischen Demokratie zeichnete. Die Schweiz mit ihrem speziellen Regierungssystem passt nicht so einfach in ein Muster. Die Aussicht auf eine zweite Amtszeit Trumps löste im Bundesrat zwar ebenfalls Besorgnis aus. Doch nicht alle teilen diese: Mit Albert Rösti (SVP) liess im Vorfeld der Wahl ein Regierungsmitglied durchblicken, dass es Trump bevorzugt.
Noch stochert Europa im Nebel in der Frage, was Trump für den Kontinent und den Krieg in der Ukraine bringt. Die grundsätzlichen Tendenzen sind jedoch absehbar. Der Präsident verfolgt eine transaktionale Aussenpolitik und setzt auf das Recht des Stärkeren – ob es um Partner oder um geopolitische Rivalen geht. Statt einer wertebasierten Agenda verfolgt er alleine das Eigeninteresse der USA. Internationale Normen und Institutionen, den Grundstein einer regelbasierten Ordnung, schätzt Trump gering. Kaum war er im Amt, ordnete er den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen an.
Völkerrecht und Multilateralismus unter Druck
Für die Schweiz sind das ungemütliche Aussichten. In der Klimapolitik werden sich jene bestätigt sehen, die ohnehin finden, die kleine Schweiz könne nichts tun – obwohl diese als wohlhabendes Land überproportional viele Ressourcen verbraucht. Auch Projekte von Schweizer Hilfswerken sind vom Zahlungsstopp der USA für die Entwicklungsbehörde USAID betroffen. Vor allem aber ist die Schweiz eine überzeugte Verfechterin des Multilateralismus und der internationalen Kooperation. Sie sieht sich als Hüterin des Völkerrechts, in den letzten beiden Jahren im Uno-Sicherheitsrat oder mit dem internationalen Genf.
Das Aussendepartement (EDA) schreckt denn auch nicht davor zurück, Lektionen zu erteilen. Nachdem Israels Parlament beschlossen hatte, das Uno-Hilfswerk für die Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) aus dem Land zu verbannen, veröffentlichte das EDA einen kritischen Kurzbericht. Die israelischen Gesetze zur UNRWA seien grösstenteils völkerrechtswidrig, hielt die Direktion für Völkerrecht fest. Gemäss der Uno-Charta sei es nicht zulässig, die Aktivitäten des Uno-Hilfswerks zu verhindern. Doch die Akzeptanz des Völkerrechts ist schon vor Trump geringer geworden – und wird mit ihm weiter unter Druck geraten.
Das zeigt sich auch beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Gemäss dem EDA ist dieser wichtig, um gegen die Straflosigkeit bei den schwersten Verbrechen zu kämpfen – und das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte durchzusetzen. Doch der ICC steht stärker im Gegenwind denn je. Im Januar stimmte das US-Repräsentantenhaus einem Gesetz zu. Es will Unterstützer des Gerichtshofs mit Sanktionen belegen. Mit Trump nehmen die Probleme noch zu: Vor wenigen Tagen hat er Sanktionen gegen Mitarbeitende des ICC angeordnet – kurz nach einem Besuch von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Gegen diesen haben die Richter in Den Haag wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen einen Haftbefehl erlassen. Der ICC wirkt wie ein Relikt der Aufbruchstimmung von 1989, die längst verflogen ist.
Die Schweiz muss sich auf eine amerikanische Aussenpolitik einstellen, die manchen ihrer Positionen diametral widerspricht – noch stärker als während Trumps erster Amtszeit. Dabei ist die Schweiz so gut positioniert wie kaum ein anderer europäischer Staat. Während der ersten Präsidentschaft hatte sie hervorragende Beziehungen zur Administration Trump, die es nun wiederaufzubauen oder zu erneuern gilt. Trump und sein Aussenminister Mike Pompeo lobten die Rolle, die die Schweiz mit dem Schutzmachtmandat für die USA in Iran spielt, geradezu überschwänglich. Bis heute geniesst sie bei Trump Sympathien.
Bald aber wird sich die Frage stellen, ob die Schweizer Diplomatie bereit ist, diese zu nutzen. Dafür muss sie Abstriche in Kauf nehmen, wo sie Trumps Politik missbilligt. Gefragt ist eine opportunistische, wendige Aussenpolitik. Der Einsatz für das Gute in der Welt und Institutionen wie den ICC ist nobel, wird unter Trump 2.0 aber noch stärker an Grenzen stossen, als es bis anhin der Fall war.
Nicht alles an Trumps Aussenpolitik ist schlecht. Beim Waffenstillstand in Gaza brachte Trump eine neue Dynamik, bevor er sein Amt angetreten hatte – auch wenn er nun die Palästinenser umsiedeln will. Zwar greift seine Administration bei der Entwicklungszusammenarbeit zur Abrissbirne. Aber dass diese stärker auf nationale Interessen ausgerichtet werden soll, haben Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und der Bundesrat schon vor Jahren erkannt.
Mit einer geschickten Aussenpolitik ergeben sich für die Schweiz neue Chancen. In Iran wird sie mit ihren Guten Diensten weiterhin gefragt sein. Trump wird zudem versuchen, Deals zu machen, nicht nur im Nahen Osten. Wenn die Berner Diplomatie im übergeordneten Interesse bereit ist, mit den USA zu arbeiten, kann sie dabei eine Rolle spielen. Für das internationale Genf eröffnen sich ebenfalls Perspektiven. Das EDA hat sich bereit erklärt, ein Gipfeltreffen zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu organisieren, wenn dies beide Seiten wünschen.
Im kommenden Jahr übernimmt Bern zudem den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), auf Wunsch mehrerer Mitgliedsstaaten. Das zeigt, dass die neutrale Schweiz nach wie vor eine Rolle übernehmen kann – ungeachtet des Theaters um die Neutralität, das Moskau veranstaltet. Die totgesagte Organisation könnte bei einem Waffenstillstand oder einem Friedensprozess in der Ukraine ins Spiel kommen, da ihr Russland, die Ukraine und die USA angehören.
Die OSZE ist für die Schweiz bis heute relevant, weil das Land in allen anderen Foren keine Rolle spielt. Die Schweiz darf sich jedoch nicht überschätzen. Sie wird nicht im Alleingang die Organisation wieder relevanter machen oder einen Frieden in der Ukraine vermitteln. Russland ist auf dem Schlachtfeld im Vorteil. Putin ist wenig motiviert, Zugeständnisse zu machen, und verfolgt weiterhin maximalistische Ziele. Die Schweiz und andere OSZE-Staaten sollten den Fehler von 2014 vermeiden, der eine kurzfristige Stabilisierung brachte, die Putin für eine Verschnaufpause nutzte.
Mehr Freihandel, aber mit anderen Staaten
Gute Dienste haben den willkommenen Nebeneffekt, dass sie in Washington Türen öffnen. Ein Freihandelsabkommen mit den USA könnte wieder aufs Tapet kommen, wie es unter Trumps erster Administration der Fall war. Dennoch ist Skepsis angebracht. Ein Abkommen dürfte es nur gegen Zugeständnisse im Agrarbereich geben, was die mächtige Schweizer Bauernlobby verhindert. Das Beispiel Kanadas zeigt zudem, dass selbst ein Freihandelsabkommen nicht vor willkürlichen Zöllen schützt. Vielversprechender ist, was die Schweiz gegenwärtig erfolgreich tut: den Freihandel mit anderen Ländern ausbauen, vom grossen Indien über Thailand bis zum kleinen Kosovo.
Diese Abkommen sind eine wichtige Ergänzung, aber kein Ersatz für die engen Beziehungen zur Europäischen Union. Diese gehen über ein Freihandelsabkommen hinaus und umfassen politische Errungenschaften wie die Reisefreiheit und die Sicherheitszusammenarbeit (Schengen). Gerade in unruhigen Zeiten wird es wichtiger, die Bilateralen mit der wirtschaftlich und politisch wichtigsten Partnerin abzusichern und auszubauen.
Im Gegenzug darf die Schweiz erwarten, dass die EU sie besser behandelt, als es beim Handelskonflikt mit den USA während Trumps erster Amtszeit der Fall war. Falls Brüssel mit Gegenzöllen auf mögliche Importzölle Trumps reagiert, muss es für die Schweiz eine Ausnahme geben. Sonst werden die geplanten EU-Verträge innenpolitisch einen noch schwereren Stand haben, als es ohnehin der Fall ist.
Bern hat unlängst einen Vorgeschmack darauf erhalten, was es heissen kann, zwischen die Blöcke zu geraten. Noch unter Trumps Vorgänger Joe Biden verfügten die USA neue Exportkontrollen für KI-Chips, die ab dem Mai gelten sollen. Washington zählt die Schweiz nicht zu den vertrauenswürdigen Staaten, die uneingeschränkt Zugang zu Computerchips haben sollen, die für die Anwendung und Erforschung von künstlicher Intelligenz entscheidend sind.
Offensichtlich spielten Sicherheitsbedenken eine Rolle, zumal die Schweiz gegenüber China und Forschern aus Staaten wie Iran zu lange naiv war. Ob Trump die Restriktionen wie erhofft lockert, ist offen. Denn in einem Punkt unterscheiden sich Trump und Biden sowie Republikaner und Demokraten kaum: im harten Kurs gegenüber China.