Es sind Hunderte Millionen Dollar, die die Administration Trump den Universitäten kürzt. Das ist einschneidend, aber eine zum Teil berechtigte Reaktion auf woke Programme, die nicht zuletzt Antisemitismus gefördert haben.
Wie bei allem, was die zweite Trump-Administration anpackt, ging es deutlich schneller als erwartet. Seit Trumps Amtsantritt vor nicht einmal neunzig Tagen strich sie führenden amerikanischen Universitäten weit über eine Milliarde Dollar an Forschungsgeldern. Im März gingen der Columbia University deswegen 400 Millionen verloren, der Brown University sogar 500 Millionen. Im April folgten Princeton und die University of Pennsylvania mit insgesamt fast 400 Millionen. In Harvard stehen sage und schreibe 9 Milliarden auf dem Spiel. Die Überprüfung mehrjähriger Förderzusagen durch eine eigens ins Leben gerufene Task-Force gegen Antisemitismus läuft. Hat den amerikanischen Universitäten deshalb das letzte Stündchen geschlagen?
Auch wenn die Hysterie über Trumps unzimperliches Vorgehen, gerade hier in Europa, gross ist, dürfen sich nur naive Zeitgenossen darüber wundern. Es ist Teil einer Schocktherapie, die alle Politikfelder der Ära Trump 2.0 gleichermassen erfasst. Vergessen wir nicht den Kontext, in dem die Breitseite gegen die Universitäten erfolgt. Die «liberalen Eliten» in den politischen und kulturellen Leitinstitutionen der USA bekämpften Trump während seiner ersten Amtszeit bis aufs Blut.
Mitunter am stärksten spürbar war dieser Widerstand an den führenden Universitäten des Landes. Die relative Zurückhaltung, mit der Trump damals auf die Anfeindungen reagierte, hat er jetzt abgelegt. Er weiss, dass er seine Gegner mit aller Gewalt treffen muss, wenn er seine politischen Ziele erreichen will. Insofern sind hier durchaus niedere Beweggründe wie Rache und narzisstische Kränkung am Werk – aber nicht ohne politisches Kalkül.
Das Monopol der Linken
Die propalästinensischen Proteste an den Universitäten spielten Trump dabei direkt in die Hände. Er instrumentalisierte sie gezielt, um ein viel fundamentaleres Thema anzugehen, das die amerikanische Rechte legitimerweise beschäftigt: das politisch-ideologische Monopol, das die Linke auf die Universitäten hat. Die Hochschulen selbst bestreiten diesen Vorwurf vehement. Aber sie sind alles andere als glaubwürdig in ihren Beteuerungen.
In Wirklichkeit haben sie zugelassen, dass die ideologischen Leitplanken des intellektuellen Diskurses sich in eine Richtung verschoben haben, in der Rationalität und Common Sense einen schweren Stand haben. In diesem Klima wird Meinungsfreiheit als eine Form von Gewalt gebrandmarkt, während der Kult der sozialen Gerechtigkeit unliebsame Stimmen abstraft, indem er sie mundtot macht und zu kleinlauten Schuldbeteuerungen verurteilt.
Die Systemkritik ist alles andere als neu. Schon 1951 sträubte sich William F. Buckley in «God and Man at Yale» gegen den intolerant-progressiven Zeitgeist an seiner Alma Mater. Allan Bloom tat es ihm dreissig Jahre später in «The Closing of the American Mind» gleich. Beide bissen sich die Zähne aus. 2021 wagte eine Gruppe von furchtlosen Intellektuellen und Journalisten um Bari Weiss und Niall Ferguson darum das Undenkbare, aber einzig Konsequente: Sie gründeten kurzerhand eine neue Universität.
Gegen den Mainstream
Im Herbst 2024 nahm die University of Austin in Texas offiziell den Lehrbetrieb auf. Ihre Leitlinien sind «akademische Disziplin, respektvoller Diskurs und geistige Risikobereitschaft». In ihrer Gründungsphase bot die UATX «verbotene Kurse» an, in denen sie Studenten anderer Universitäten mit Inhalten konfrontierte, die dem ideologischen Mainstream widersprachen. Das Angebot war ein riesiger Erfolg. Funktionieren konnte das Projekt nur, weil es genug Professoren gibt, die mit der zunehmenden geistigen Verblendung ihrer Arbeitgeberinstitutionen und von deren Führung im Clinch stehen.
Wer das nicht verstehen will, erinnere sich an die denkwürdige Aussage von Claudine Gay, der damaligen Präsidentin von Harvard, die unter Eid zu Protokoll gab, dass «der Aufruf zum Genozid an den Juden kontextabhängig» sei. Es ist (noch) undenkbar, dass dem Rektor einer schweizerischen oder deutschen Hochschule eine solche Aussage je über die Lippen käme.
Trumps Rachefeldzug gegen die Universitäten, deren Produkt er als Absolvent der University of Pennsylvania auch ist, muss in diesem Licht gesehen werden. Er hat nicht weniger im Sinn, als ihr traditionelles, ideologisches Monopol zu brechen, koste es, was es wolle. Sein Druckmittel sind Steuergelder, und er nimmt dabei keinerlei Rücksicht auf Kollateralschäden.
Effektive Waffe
Davon gibt es viele, keine Frage. Ob medizinische Grundlagenforschung auf dem Spiel steht oder sich Dutzende von hochkarätig besetzten Instituten in Luft auflösen, spielt in Trumps Strategie keine Rolle. Er hat eine effektive Waffe gefunden, er setzt sie ein, und er wird nicht aufhören, bis er die Grundfesten des Systems zum Einstürzen gebracht hat.
Auch das ist nicht neu: Die US-Exekutive, wie in anderen föderalistischen Ländern ebenfalls gebräuchlich, setzt ihren finanziellen Einfluss seit je dafür ein, ihre politische Agenda durchzusetzen. Konkrete Ergebnisse dieser Praxis sind unter anderem die Desegregation des amerikanischen Schulsystems in den 1960ern, das Verbot der Geschlechterdiskriminierung in den 1970ern und die Einführung eines nationalen Mindestalters für Alkoholkonsum in den 1980ern.
Auch Barack Obama gelang die Einführung seiner monumentalen Gesundheitsreform 2010 nur durch die Androhung von drastischen Subventionsentzügen. In all diesen Fällen heiligte der Zweck die Mittel, und niemand würde deren Moral ernsthaft hinterfragen. Dasselbe lässt sich in Bezug auf Trumps anti-akademische Vendetta nicht behaupten, auch wenn an amerikanischen Elitehochschulen viel Reformbedarf besteht. Denn die Konsequenzen sind für viele Betroffene, gerade in der Medizin und den Naturwissenschaften, existenziell.
In Europa keimt Hoffnung
Ärzte, Forscher und Laborleiter in den harten Disziplinen sind primär an wissenschaftlicher Erkenntnis interessiert und nicht an ideologischer Polemik. Vielen von ihnen ging die sozialliberale Schlagseite der Universitäten zu weit, was sie aber nicht zu äussern wagten. Jetzt, da Trump droht, ihnen die Luft abzudrehen, regt sich bei ihnen der Überlebensinstinkt.
In ihrem ureigenen Interesse werden die Wissenschafter dafür sorgen, dass die Universitätsleitungen Trumps Druck nachgeben und seine Forderungen erfüllen. Denn selbst die reichsten Bildungsinstitutionen wie Harvard und Yale sind auf die Milliarden von Zuschüssen angewiesen, die Washington ihnen jährlich überweist. Der Machtkampf, wenn es denn je einer war, ist längst durch Sachzwänge entschieden.
In Europa und Kanada verfällt man deswegen schon in Schadenfreude. Es keimt die Hoffnung auf einen Exodus von Top-Akademikern aus den USA, die in der Ferne vermeintlich aufgeklärtere Rahmenbedingungen suchen. Timothy Snyder, der eminente Yale-Historiker, hat es jüngst vorgemacht. Er verkündete medienwirksam seinen Abgang nach Toronto und nahm gleich noch ein paar Professorenkollegen mit.
Die Privatwirtschaft profitiert
Ein breit angelegter Braindrain ist aber unwahrscheinlich. Dafür ist die Infrastruktur an den führenden amerikanischen Universitäten zu exzellent. Es gibt wenige Institutionen im Ausland, so wie die ETH, die damit mithalten können. Wenn Wissenschafter abwanderungswillig sind, wird davon in erster Linie die Privatwirtschaft profitieren. Sie bietet alle Vorteile einer finanzkräftigen Universität ohne die ideologischen Störgeräusche. Letztere schadeten dem Image amerikanischer Hochschulen zunehmend, weil diese ihren Bildungsauftrag nur noch durch das Prisma von Diversität und Identitätspolitik sahen.
Dass Trump mit dem Zweihänder dazwischengeht, trifft die Falschen. Aber die Universitäten sind agil genug, um damit fertigzuwerden. Soeben kündigte Harvard an, eine Anleihe in Höhe von 750 Millionen Dollar auszugeben, um den Ausfall von Bundesgeldern zu kompensieren. Andere werden nachziehen. Am Ende resultiert daraus hoffentlich eine Universitätslandschaft, die sowohl ideologisch als auch finanziell unabhängiger ist als zuvor.
Simon M. Ingold ist CFO von House of Manus und Absolvent der Yale University.