Donald Trump hat eine der längsten Reden eines Präsidenten vor dem US-Kongress gehalten: Es geht um neue Zölle, den Anspruch auf den Panamakanal – und um «starke Signale», dass auch Russland bereit sei, Frieden mit der Ukraine zu schliessen.
Donald Trump ist fulminant in seine zweite Amtszeit gestartet. In sechs Wochen hat er mehr als 100 Verordnungen unterzeichnet, Tausende von Bundesbeamten entlassen, die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit praktisch aufgelöst, die Grenze zu Mexiko für Migranten weitgehend dichtgemacht. Trump hat einen Waffenstillstand im Nahostkonflikt vermittelt, einen Handelskrieg mit China, Mexiko und Kanada angezettelt und Europa mit seiner Annäherung an Russland verunsichert. Nun zog der amerikanische Präsident am Dienstagabend in einer Rede vor den beiden Kongresskammern eine erste Bilanz – und gab einen Ausblick auf seine Amtszeit.
Gewöhnlich dauern solche Reden rund 60 Minuten. Doch Trump ist zurzeit derart in Fahrt, dass er sich volle 100 Minuten Zeit nahm. Wie bereits bei seiner Inauguration zeichnete er die Zukunft in den schönsten Farben: «Der amerikanische Traum kehrt grösser und besser zurück als je zuvor», sagte Trump. «Und wir haben gerade erst angefangen.» Sein erster Monat im Amt sei der erfolgreichste in der Geschichte des Landes gewesen.
Häme für die Demokraten
Trump feierte zunächst vor allem den Erfolg seiner kompromisslosen Migrationspolitik. Er habe kurz nach seinem Amtsantritt einen Notstand erklärt und das Militär an die Südgrenze geschickt. «Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist auf das tiefste Niveau gefallen, das je gemessen wurde.» Die Migranten hätten auf seine Worte gehört und entschieden, nicht zu kommen.
«Unter Joe Biden, dem schlechtesten Präsidenten in unserer Geschichte, kamen jeden Monat Hunderttausende.» Die Demokraten hätten immer gesagt, es brauche neue Gesetze, um die Situation an der Grenze in den Griff zu bekommen. «Wie sich nun zeigt, brauchte es nur einen neuen Präsidenten», sagte Trump.
Einige demokratische Abgeordnete und Senatoren blieben der Rede ganz fern, andere verliessen sie vorzeitig. Die Anwesenden sassen meist in ihren Sitzen und riefen ab und zu dazwischen, während die Republikaner ihrem Präsidenten immer wieder stehend applaudierten. Der Demokrat Al Green wurde aus dem Saal geführt, nachdem er Trump mehrmals mit Zwischenrufen unterbrochen hatte.
Er halte nun zum fünften Mal eine solche Rede vor dem Kongress, meinte Trump. Aber wenn er sich die Demokraten nun anschaue, realisiere er: «Ich kann absolut nichts tun, um sie glücklich zu machen.» Er könnte eine schlimme Krankheit heilen, die Kriminalität beseitigen oder für eine florierende Wirtschaft sorgen. Aber die Demokraten würden ihm für solche «astronomischen Erfolge» nicht zujubeln.
Um für emotionale Momente zu sorgen, lud Trump eine Reihe von Gästen ein: zum Beispiel die Mutter und die Schwester von Laken Riley. Die angehende Krankenschwester wurde vor einem Jahr beim Joggen von einem Venezolaner getötet, der illegal über die Südgrenze ins Land gekommen war.
Auch an den Eierpreisen ist Biden schuld
Ein wichtiges Wahlversprechen hat Trump bisher jedoch nicht eingelöst. Er hatte angekündigt, ab seinem ersten Amtstag für sinkende Preise zu sorgen. Er werde Amerika wieder erschwinglich machen, betonte Trump auch in seiner Rede. Doch bis jetzt ist davon nichts zu spüren. Vor allem die Preise für Eier sind aufgrund der grassierenden Vogelgrippe weiter gestiegen. Trump machte dafür auch seinen Vorgänger Biden verantwortlich.
Mit den gegen Kanada, Mexiko und China verhängten Zollerhöhungen drohen die Preise für viele andere Produkte zu steigen. Trump meinte jedoch, dass sich die Situation in den USA nach einer Anpassungsphase wieder beruhigen werde. Er hofft, dass er mit den zusätzlichen Zolleinnahmen bald einen ausgeglichenen Staatshaushalt präsentieren kann. Vom Protektionismus verspricht er sich zudem auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den USA. Trump sieht die Zölle quasi als Allheilmittel: «Die Zölle beschützen die Seele unseres Landes.»
Er kündigte deshalb auch weitere Einfuhrzölle von 25 Prozent auf Aluminium, Stahl, Kupfer und Holz an. Am 2. April will der amerikanische Präsident alle Handelspartner mit reziproken Zöllen belasten. Erhebt ein anderes Land bestimmte Abgaben auf ein Produkt, sollen die USA ebenfalls Einfuhrzölle in gleicher Höhe verlangen.
Ob der Traum eines ausgeglichenen Budgets realistisch ist, muss sich zeigen. Denn Trump hat vor dem Kongress auch gefordert, Steuern auf Trinkgelder, Überzeit und Renten zu streichen. Dies würde aber vermutlich den kürzlich vom Repräsentantenhaus verabschiedeten Budgetplan sprengen. Trump versprach zudem auch Steuererleichterungen, um den Bau von kommerziellen Schiffen und Kriegsschiffen zu fördern.
Trump forderte vom Kongress ausserdem ein neues Gesetz, das Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen verbietet und kriminalisiert. Er wolle die «Lüge für immer beenden, dass ein Kind in einem falschen Körper gefangen ist». Solche «woken» Ideen seien schlecht und in den USA nun tot. Die Botschaft an jedes Kind in Amerika müsse sein: «Du bist perfekt, so wie Gott dich geschaffen hat.»
Der US-Präsident bekräftigte zudem den Anspruch auf den Panamakanal: «Wir holen ihn zurück.» Bei Grönland gab sich Trump etwas zurückhaltender. Amerika respektiere das Recht der Grönländer, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. «Aber wenn ihr euch dafür entscheidet, heissen wir euch in den Vereinigten Staaten willkommen.» Dann allerdings fügte Trump an: «Ich denke, wir werden es bekommen. Auf die eine oder die andere Weise.»
Die Ukraine bleibt ein Randthema
«Ich setze mich unermüdlich für die Beendigung des grausamen Konflikts in der Ukraine ein», sagte Trump. Zu viele Ukrainer und Russen seien in diesem «schrecklichen und brutalen Konflikt» getötet oder verwundet worden, und ein Ende sei nicht in Sicht. Nach dem offenen Streit mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im Oval Office am vergangenen Freitag und dem Stopp der amerikanischen Waffenlieferungen an Kiew am Montag gingen viele Beobachter davon aus, dass Trump seine Friedensbemühungen zu einem Schwerpunkt seiner Rede machen könnte. Stattdessen blieb die Ukraine ein Randthema.
Trump berichtete, dass Selenski ihm einen netten Brief geschrieben habe. «Ich weiss das zu schätzen», sagte Trump. Und bedankte sich nun seinerseits bei dem ukrainischen Präsidenten, dem er jüngst Undankbarkeit vorgeworfen hatte. Trump zitierte Passagen aus dem Brief Selenskis. Der Ukrainer habe darin erklärt: «Mein Team und ich sind bereit, unter der starken Führung von Präsident Trump daran zu arbeiten, einen dauerhaften Frieden zu erreichen.» Die Ukraine sei auch jederzeit bereit, das von den USA gewünschte Rohstoffabkommen zu unterzeichnen, behauptete Trump unter Verweis auf das Schreiben Selenskis.
Trump sagte zudem, seine Regierung führe ernsthafte Gespräche mit Moskau und habe «starke Signale» erhalten, dass auch Russland bereit sei, Frieden zu schliessen. «Wäre das nicht schön?», schob Trump nach. «Es ist an der Zeit, diesen Wahnsinn zu beenden. Es ist an der Zeit, das Töten zu beenden. Es ist an der Zeit, den sinnlosen Krieg zu beenden.» Dazu sei es nötig, mit beiden Seiten zu reden.
Zustimmungswerte stagnieren
Nicht alles läuft für Trump indes so reibungslos, wie er es darstellt. Gegen seine vielen Verordnungen sind rund 100 Klagen eingegangen. Einige seiner Massnahmen und Entlassungen wurden von Richtern gestoppt. Obwohl Trump in seinen ersten sechs Wochen im Amt viel in Bewegung setzte, sind seine Zustimmungswerte leicht gesunken. Nach seiner Inauguration am 20. Januar begrüssten rund 52 Prozent der Amerikaner sein Vorgehen. Dieser Durchschnittswert aus einer Vielzahl von Umfragen ist nun gemäss Real Clear Politics auf knapp 49 Prozent gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil der Befragten, die mit Trumps Politik unzufrieden sind, von 43 auf rund 47 Prozent. Das Land ist also mehr oder weniger in zwei Hälften gespalten, wenn es um den Kurs der Regierung geht.
Die Umfragewerte zeigen auch: Trump macht vor allem eine Politik für die Wähler seiner eigenen Partei. Laut einer aktuellen Umfrage des Fernsehsenders CNN sind 90 Prozent der Republikaner mit der Regierungspolitik zufrieden. Unter den unabhängigen Wählern in der Mitte sind indes 59 Prozent unzufrieden. Unter den demokratischen Wählern lehnen 90 Prozent die Politik des amerikanischen Präsidenten ab.
Trumps durchzogene Umfragewerte ändern jedoch nichts daran, dass es für die Demokraten noch viel düsterer aussieht. Gemäss einer Erhebung der Quinnipiac University im Januar haben nur 31 Prozent der Wähler eine vorteilhafte Meinung zur Demokratischen Partei. Und 57 Prozent haben eine negative Meinung. Der Republikanischen Partei sind 43 Prozent der Wähler wohlgesinnt, und 45 Prozent sehen die Konservativen kritisch. Viele Amerikaner haben den Eindruck, dass sich die Demokraten zu wenig um alltägliche Probleme wie die Inflation kümmern und sich zu sehr mit Themen wie dem Recht auf Abtreibung, dem Klimawandel oder den Anliegen von LGBTQ-Personen beschäftigen.
Die Demokraten möchten sich nun deshalb vor allem auf Wirtschaftsthemen konzentrieren. Am Dienstag veröffentlichten demokratische Politiker in den sozialen Netzwerken Videos mit der gleichen Botschaft: «Trump hat ab seinem ersten Tag im Amt sinkende Preise versprochen, aber die Kosten sind seither nur gestiegen.» Gleichzeitig habe der Präsident nichts gegen die Teuerung unternommen. Seine Regierung entlasse Beamte und kürze wichtige Regierungsprogramme, um Steuersenkungen für Milliardäre zu finanzieren. «Der republikanische Plan ist simpel: Familien verlieren, während Milliardäre gewinnen.»
Noch scheinen sie die Amerikaner mit dieser Botschaft jedoch nicht zu erreichen. Auch weil ihnen derzeit eine charismatische Führungsperson wie Trump fehlt.