Einen Tag nach dem Gespräch mit dem Kremlchef Wladimir Putin hat Donald Trump am Mittwoch mit Wolodimir Selenski telefoniert. Der vereinbarte Waffenstillstand in der Luft war davor bereits in der ersten Nacht gebrochen worden.
Donald Trump hat am Mittwoch mit seinem ukrainischen Amtskollegen über einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine gesprochen. «Wir sind sehr gut unterwegs», sagte der amerikanische Präsident. Es war das erste Telefonat zwischen dem Ukrainer und dem Amerikaner seit dem Eklat im Weissen Haus Ende Februar.
Am Dienstag hatte Trump deutlich länger mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Die beiden Männer hatten sich auf einen einmonatigen teilweisen Waffenstillstand geeinigt, in dessen Rahmen alle Angriffe gegen die Energieinfrastruktur Russlands und der Ukraine eingestellt werden sollen. Selenski erklärte, er habe diesem Schritt zugestimmt. Zusammen mit Trump wolle er eine Ausweitung der Feuerpause auf das Meer und den Boden erreichen. In den nächsten Tagen würden sich amerikanisch-ukrainische Teams treffen, um technische Details auszuarbeiten.
I had a positive, very substantive, and frank conversation with President of the United States Donald Trump @POTUS. I thanked him for a good and productive start to the work of the Ukrainian and American teams in Jeddah on March 11—this meeting of the teams significantly helped… pic.twitter.com/JFBd5EeIkg
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) March 19, 2025
Russlands und Kiews Luftangriffe
Die erste Nacht nach den Gesprächen zwischen Trump und Putin liess allerdings nicht auf grossen Friedenswillen schliessen. Bereits kurz nach Ende des Telefonats griffen die Russen ostukrainische Anlagen an. In der Stadt Slowjansk kam es zu Stromausfällen. Die Ukrainer attackierten einige Stunden später ihrerseits Öltanks in der Region Krasnodar, die Russen zweimal ein Unterwerk der ukrainischen Eisenbahn. Für Selenski war deshalb bereits am Abend erwiesen, dass Putin einen Waffenstillstand ablehnt.
Damit drückt der Präsident die Skepsis seines Landes über die Absichten der Russen aus, die am Dienstagabend gesamthaft 145 Drohnen und 6 Raketen auf die Ukraine abfeuerten. Vieles spricht dafür, dass Putin Trumps Friedensrhetorik nur zum Schein mitträgt: Er hat wenig Interesse an einem umfassenden Waffenstillstand, wie ihn Amerikaner und Ukrainer vorschlugen. Wenn auch sehr langsam, rücken seine Truppen doch vor. Er verspürt keinen Zeitdruck. Deshalb liess sich Putin am Dienstag nur auf eine minimale Konzession ein, um Trump nicht offen zu brüskieren.
Es bleibt dabei sogar unklar, worauf sich Putin und der Amerikaner einigten: Washington sprach von einer Aussetzung der Angriffe gegen «Energie und Infrastruktur». Moskau will davon aber nichts wissen und legte sich nur auf die Energie-Infrastruktur fest, wie der Kremlsprecher am Mittwoch noch einmal betonte. Doch selbst dieser Begriff ist dehnbar. Selenski will nun eine Liste mit geschützten Objekten vorlegen, die allerdings nicht nur den Energiebereich betreffen.
Dass selbst solch grundlegende Fragen unklar sind, deutet auf ein wenig koordiniertes Vorgehen hin. «Die Amerikaner setzen viel Druck auf und drücken auf die Geschwindigkeit, aber es gibt kaum Einzelheiten», sagt dazu ein gut vernetzter europäischer Diplomat in Kiew. Das beginnt mit dem Umgang mit Putins Maximalforderungen: Der Russe will ein Ende der Waffenhilfe für Kiew und ein Verbot der Aufstellung neuer Truppen. Eine solche Schwächung der Ukrainer müsste für ihre amerikanischen Verbündeten eigentlich unannehmbar sein.
Die Überwachung eines Waffenstillstands
Zu den politischen und militärischen Hürden kommen aber auch organisatorische. Die wichtigste Frage lautet dabei, wie ein Waffenstillstand jeglicher Art überwacht werden soll. Bleibt dieser auf die Luft und vielleicht das Meer beschränkt, könnten technische Mittel eine zentrale Rolle spielen, was die Aufgabe erleichterte. Wie das Weisse Haus am Mittwoch mitteilte, ging Trump auf eine Bitte Selenskis ein. Die USA werden die Ukraine dabei unterstützen, in Europa zusätzliche Systeme für die Flugabwehr aufzutreiben.
Bereits heute verfügen die Ukrainer mit Swuk und Sky Fortress über zwei Systeme, die mithilfe von Mikrofonen und elektronischen Sensoren russische Raketen und Marschflugkörper frühzeitig erkennen. Unterstützt werden sie durch amerikanische Satelliten sowie Aufklärungsdrohnen und -flugzeuge. Kombiniert mit russischen Informationen, könnten diese Systeme einen Waffenstillstand überwachen und Verletzungen melden, sofern alle Seiten zustimmen.
Extrem kompliziert würde es hingegen bei einer Ausweitung der Feuerpause auf den Boden. Dabei zirkulieren Ideen wie jene einer europäischen «Friedenstruppe», die als eine Art Rückversicherung der Ukraine gegen zukünftige russische Angriffe funktionieren soll. Für Moskau ist das nicht akzeptabel, da man dort die Europäer als Kriegspartei sieht.
Die Suche nach einem Akteur, den beide Seiten akzeptieren, fokussiert sich deshalb zunehmend auf die Uno oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Erstere hat global grosse Erfahrung mit friedenssichernden Missionen, während die OSZE zwischen 2014 und 2022 die brüchige Waffenstillstandslinie im Donbass überwachte. In Wien laufen nun Planspiele für eine zukünftige Mission.
Wohl Zehntausende von Soldaten nötig
Allerdings wäre eine solche kaum vergleichbar mit jener vor Russlands Grossangriff. Heute stehen sich an einer aktiven, über tausend Kilometer langen Front zwei der stärksten Armeen der Welt gegenüber. Bereits vor 2022 bekundete die OSZE grosse Mühe mit der Überwachung, da ihr im Konsens mit Russland gefasstes Mandat schwach war. Das Geneva Centre for Security Policy schätzt, dass für eine Überwachung der Waffenstillstandslinie 15 000 Mann nötig wären.
Dies wäre allerdings eine rein friedenssichernde Mission, für die eine weitgehende Friedensbereitschaft beider Seiten Voraussetzung ist. Eine militärisch robuster ausgestattete, kampffähige Truppe müsste demnach mindestens 50 000 Mann umfassen, andere Schätzungen gehen von noch höheren Zahlen aus. Dies setzte ein erheblich höheres Engagement und eine deutlich grössere Risikobereitschaft ausländischer Akteure voraus, als heute erkennbar ist.