Anleger sollten auf eine weitere Abwertung der US-Währung vorbereitet sein. Die Leitindizes in New York sind noch ein gutes Stück höher bewertet als in früheren Rezessionen. Auch deshalb drohen dort weitere Kursverluste.
Das weltweite Börsengeschehen wird weiterhin durch US-Präsident Donald Trump bestimmt: wegen der Zollfrage und wegen des extremen Drucks, den Trump auf den US-Notenbankpräsidenten Jerome Powell ausübt. Aber auch Trumps Entscheidungen hinsichtlich der künftigen amerikanischen Staatsneuverschuldung und der Bedeutung des US-Dollars als Weltreservewährung wirken auf Konjunktur und Börse. Der Markt muss also nicht nur mit der Unsicherheit über zukünftige US-Zölle und der damit gegebenen Möglichkeit einer Rezession leben, sondern auch mit der Unsicherheit über die zukünftige Fiskal- und Geldpolitik der USA.
Der bisher von Trump angerichtete Schaden im globalen Vertrauen ist beträchtlich, wie die Indizes der wirtschaftlichen Unsicherheit zeigen. Doch es dürfte letztlich von Trumps Verhalten in der Zollfrage abhängen, ob es zu einer Rezession in den USA kommt.
Zölle drohen eine Weltrezession auszulösen
Die Auswirkungen hoher Zölle sind relativ eindeutig vorhersehbar. Der Abbau von Zöllen in den letzten knapp 100 Jahren hat besonders nach dem Zweiten Weltkrieg weltweites Wirtschaftswachstum durch die Globalisierung ausgelöst. Wenn (wie von der klassischen Volkswirtschaftslehre gefordert) Güter dort produziert werden, wo Qualität und Preis am vorteilhaftesten sind, hebt dies den Lebensstandard der Weltbevölkerung.
Höhere Zölle wie Steuern führen zu niedrigerem Lebensstandard der Verbraucher und (wie die erste Amtszeit von Trump gezeigt hat) nicht unbedingt zu mehr Beschäftigung. Dazu passt auch, dass bei einer Umfrage zwar über die Hälfte der Amerikaner eine Ausdehnung der US-Produktion bejaht, aber die Bereitschaft, selbst von einem Dienstleistungsjob in einen Produktionsjob zu wechseln, sehr niedrig ist: vier von fünf Befragten sind dazu nicht bereit.
Massnahmen zu einer vorsichtigen Rückführung der US-Handelsbilanzdefizite sind durchaus richtig, aber nicht die Trump’schen Extremzölle. Völlig übersehen wird, dass die USA nicht nur ein hohes Handelsbilanzdefizit in Waren, sondern gleichzeitig auch einen hohen Handelsbilanzüberschuss im Dienstleistungsbereich aufweisen, der zwar niedriger ist, aber dafür im stetigen Anstieg begriffen ist, gerade gegenüber Europa. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die EU den Amerikanern droht, ihrerseits Zölle für Dienstleistungen von Google und anderen Unternehmen einzuführen.
Als Folge der US-Zölle erwartet Goldman Sachs jetzt in diesem Jahr ein US-Wirtschaftswachstum von nur noch 0,5%. Das ist ein wenig mehr Wirtschaftswachstum, als man für Deutschland in diesem Jahr erwartet. Bei solchen Prognosen sind Gegenmassnahmen des Auslands gegen amerikanische Zölle noch nicht einmal eingerechnet. Käme es zu einem globalen Handelskrieg, wäre eine Weltrezession wahrscheinlich.
Zinssenkungen könnten am Anleihemarkt verpuffen
Trump will eine Rezession verhindern, indem er den Notenbankpräsidenten auswechselt und dann das US-Finanzsystem mit Liquidität und niedrigeren Zinsen flutet. Ob dies allerdings den üblichen, wirtschaftsbelebenden Effekt haben würde, ist angesichts der Zölle fraglich. Der US-Wohnungsbau ist zwar stark von den Zinsen abhängig, aber bei hohen Zöllen würde das verfügbare Einkommen der Amerikaner fallen und die Erschwinglichkeit eines Immobilienerwerbs (obwohl schon sehr tief) würde weiter fallen.
Es ist also keineswegs sicher, ob niedrigere US-Leitzinsen tatsächlich eine positive Konjunkturwirkung hätten. Es ist auch denkbar, dass eine Politik des leichten Geldes in den USA wegen erwarteter höherer Inflationsraten die langfristigen US-Zinsen steigen lässt. Denn sie werden vom Markt gemacht und nicht von der Notenbank. Da die US-Hypotheken in der Regel mit 30-jähriger Laufzeit ausgegeben werden, wäre also ein positiver Effekt für den Immobilienmarkt nicht sicher.
Anleger sollten mit weiter fallendem Dollar rechnen
Während die Folgen einer Zinssenkungspolitik eines neuen US-Notenbankpräsidenten bezogen auf die langfristigen Zinsen schwierig voraussehbar sind, dürfte klar sein, dass der US-Dollar auf eine expansive neue Notenbankpolitik negativ reagieren würde. Bedingt durch höhere Inflation würde der US-Realzins, der schon heute mit gut einem Prozent nicht sehr hoch ist, wahrscheinlich negativ werden, was besonders internationale institutionelle Anleger zu verstärkten Dollarverkäufen bewegen würde.
Da solche Dollarverkäufe in der Regel verbunden sein dürften mit Dollar-Anleiheverkäufen (die zinssteigernd wirken), wirkt einem positiven Konjunktureffekt (steigende Exporte durch niedrigeren Dollar) ein negativer Zinseffekt entgegen.
Fazit: Für den Anleger erscheint es jedenfalls sinnvoll, auf einen weiter fallenden Dollar vorbereitet zu sein, zumal dies auch eines der Trump- Ziele ist. Paradoxe Folge der Trump-Politik scheinen fallender Dollar und fallende Anleihekurse zu sein.
Weiteres Rückschlagspotenzial für US-Aktien
Während der deutsche Dax und der Schweizer SMI seit dem Februar-Hoch gut 10% gefallen sind, haben europäische Anleger in den USA inklusive Dollarverlust bei den grossen US-Indizes 20 bis 25% verloren. Trotzdem sind US-Aktien weiterhin teurer als europäische Aktien. Und das obwohl die von der Marktkapitalisierung grössten Aktien der Welt Apple und Nvidia vom Hoch gut ein Drittel verloren haben (für Europäer addiert sich dazu der Dollarverlust von gut 9%).
Während der fünf grösseren US-Börsenrezessionen seit 1980 hat der S&P 500 im Durchschnitt 37% verloren. Typischerweise fällt das US-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV, Gewinn geschätzt für 2025) auf durchschnittlich rund 14 zurück (in Extremsituationen wie der globalen Finanzkrise sogar auf rund 11). Zuletzt lag das US-KGV aber immer noch bei über 18. Zudem werden die Gewinnschätzungen für 2025 ständig zurückgenommen und weiter sinkende Gewinnschätzungen steigern das KGV, falls die Kurse konstant bleiben. Aufgrund des noch immer für Rezessionszeiten hohen KGV, das noch dazu auf vermutlich allzu optimistisch geschätzten Gewinnen beruht, könnte der S&P 500 theoretisch noch einmal deutlich fallen.
Wahrscheinlich ist die bisherige Bereinigungsphase nach der langen Übertreibungsphase im letzten Jahr zu kurz, um schon jetzt eine Wende herbeizuführen. Auch die Bewertung von US-Aktien (aber auch Anleihen, Dollar und Immobilien) ist im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch.
Hauptrisiko bleibt das Verhalten des US-Präsidenten
Der Hauptfaktor für die weitere Börsentendenz dürfte aber das Verhalten des US-Präsidenten sein. Sinken seine Beliebtheitswerte weiter und unterschreitet der Aktienmarkt seine kürzlichen Tiefs, könnte der Druck auf Trump so gross werden, dass er seine Politik drastisch ändert, was eine Hausse auslösen sollte.
Allerdings müssten dafür auch die extrem hohen gegenseitigen Zölle mit China gesenkt werden. Wenn die zwei wirtschaftlich grössten Länder der Welt einen derartig extremen Handelskrieg führen, leidet darunter auch der Rest der Welt durch die verflochtenen Zulieferwege.
Definitiv sollten die Underperformance der USA und die Kursverluste der vergangenen Monate ein Signal für Trump sein, welches ihm nicht entgeht. Kaum vorstellbar, dass er diesen Konflikt bis zum bitteren Ende durchzieht. Nichtsdestotrotz gibt es durchaus Indizien für das Durchziehen wie das vermeintliche Mar-a-Lago-Protokoll, welches potenziell die gesamte Wirtschaftsordung auf den Kopf stellen würde.
Wird das Zollruder nicht bald von Trump herumgerissen, droht eine globale Rezession. Nicht unterschätzt werden sollte auch das sinkende Vertrauen in den amerikanischen Kapitalmarkt und die US-Reservewährung. Sollten sich wirklich Annahmen bewahrheiten, nach denen Trump in den US-Staatsanleihemarkt eingreifen will, drohen global Gefahren für Aktien und Anleihen.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.
Jens Ehrhardt
Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.