Donald Trump hat mit seinen Annexionsgelüsten und Zollerhöhungen das Verhältnis zu Kanada vergiftet. Beim Besuch des neuen Premierministers Mark Carney bemühte sich der US-Präsident um nette Worte, aber stocherte auch in der kanadischen Wunde.
Das Weisse Haus versuchte die Bedeutung des hohen Besuchs aus Kanada im Vorfeld herunterzuspielen. Der neue kanadische Premierminister Mark Carney sei ein Staatsgast wie jeder andere auch, erklärte ein Regierungsmitarbeiter gegenüber «Politico». Der amerikanische Präsident Donald Trump meinte am Montag über Carneys bevorstehende Visite: «Er kommt, um mich zu sehen. Ich bin mir nicht sicher, worum es ihm geht.»
Tatsächlich aber war das Treffen für beide Seiten ein schwieriger Balanceakt. Manche Beobachter fürchteten gar eine ähnliche Eskalation im Oval Office wie im Februar mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Immer wieder sprach Trump in den vergangenen Monaten davon, Kanada zum 51. Gliedstaat der USA machen zu wollen. Gleichzeitig verhängte er schmerzhafte Zölle gegen das Nachbarland. Damit provozierte der amerikanische Präsident in Kanada eine patriotische Trotzreaktion. Carneys Liberale Partei gewann die Wahlen vergangene Woche, obwohl sie in den Umfragen im November noch wie die sichere Verliererin aussah.
Gratulation für «eines der grössten Comebacks»
Carney surfte auf der von Trump ausgelösten Welle zum Wahlsieg. Die alte Partnerschaft mit den USA sei «vorbei», betonte der ehemalige Zentralbankchef im Wahlkampf immer wieder. «Präsident Trump will uns brechen, um uns zu besitzen. Aber das wird niemals passieren», erklärte Carney in seiner Siegesrede vergangene Woche.
An diesem «niemals» hielt Carney auch im Oval Office fest. Trump versuchte zunächst aber mit seinen einleitenden Worten für eine positive Atmosphäre zu sorgen. Er gratulierte Carney zum Wahlsieg und zur erfolgreichen Aufholjagd seiner Partei: «Das war vermutlich eines der grössten Comebacks in der Geschichte der Politik. Vielleicht sogar grösser als meines», sagte der amerikanische Präsident. «Kanada hat eine sehr gute und talentierte Person gewählt.»
Carney lobte Trump als einen «transformativen Präsidenten», der sich unablässig um die Interessen der amerikanischen Arbeiter, den Schutz der Grenzen und die globale Sicherheit kümmere. Er sei ebenfalls gewählt worden, um Kanada mit einem «ähnlichen Fokus zu transformieren». Er erinnerte Trump daran: «Wir sind stärker, wenn wir zusammenarbeiten.»
Trump ist jedoch nicht glücklich darüber, wie diese Zusammenarbeit derzeit abläuft. Und das konnte er in der Folge auch nicht mehr ganz verbergen. Ein Journalist stellte eine Frage zu seiner Idee, Kanada zum 51. Gliedstaat zu machen. Als Immobilieninvestor und «künstlerischer Mensch» fände er es schöner, wenn die künstlich gezogene Grenzlinie verschwinden würde, meinte Trump. Die Kanadier könnten sich auf tiefere Steuern und eine kostenfreie Landesverteidigung freuen. Gleichzeitig sei dies bei den Gesprächen mit Carney aber kein Thema: «Ich finde es ist viel besser für Kanada, aber wir werden dies nicht diskutieren, ausser jemand möchte es besprechen.» Trump hielt aber fest: «Es wäre wirklich eine wundervolle Heirat.»
Dem widersprach Carney: «Wie Sie es vom Immobiliengeschäft kennen, gibt es Objekte, die unverkäuflich sind.» Er und Trump befänden sich gerade in einem, dem Oval Office. «Ich habe mich während des Wahlkampfs mit Kanadas Eigentümern getroffen. Es wird niemals zum Verkauf stehen.» Die Möglichkeiten lägen einzig in einer Partnerschaft. So sei Kanada etwa bereit, mehr in die Verteidigung zu investieren. «Kanada erhöht seinen militärischen Beitrag», gab Trump zu. Trotzdem erklärte er: «Sag niemals nie.»
Behandlung als kleiner Bittsteller
Der amerikanische Präsident blieb freundlich. Trotzdem liess er sich einen Seitenhieb gegen den früheren kanadischen Premierminister und Carneys Parteikollegen Justin Trudeau nicht nehmen: «Ich mochte seinen Amtsvorgänger nicht», erklärte Trump. Zudem gab er Carney immer wieder zu verstehen, dass Kanada ein kleiner Bittsteller in dieser Beziehung mit dem amerikanischen «Super-Luxusladen» sei. «Wir machen keine grossen Geschäfte mit Kanada. Sie kaufen viele Dinge von uns.»
Trump hat damit nicht ganz unrecht. Rund 75 Prozent der kanadischen Warenexporte gehen in die USA. Umgekehrt ist dieser Anteil viel niedriger. Im Jahr 2022 exportierte Amerika knapp 18 Prozent Ausfuhren nach Kanada. Mehr exportieren die USA allerdings in kein anderes Land. Carney erinnerte Trump deshalb daran: «Wir sind der grösste Kunde der Vereinigten Staaten.»
Aber auch dieses Argument überzeugte Trump nicht. Sie würden diesen Konflikt «sehr freundlich» austragen, versicherte der amerikanische Präsident und erinnerte dabei offenbar an das Wortgefecht mit Selenski: «Wir hatten einen anderen kleinen Krach mit jemandem. Das war etwas ganz anderes.» Trump gab aber deutlich zu verstehen, dass er an den Zollerhöhungen eigentlich nicht viel ändern möchte. «Wir wollen keine Autos von Kanada. Wir wollen keinen kanadischen Stahl und kein kanadisches Aluminium. Wir wollen das selbst herstellen.» Er verwies dabei auf das Handelsbilanzdefizit gegenüber dem Nachbarland: «Es gibt keinen Grund für uns, Kanada zu subventionieren.» Kanada müsse lernen, wie es wirtschaftlich selbst zurechtkomme.
Auch gegenüber Kanada fuhr Trump jedoch keinen geradlinigen Kurs. Die USA haben seit März kanadische Waren mit Zöllen von bis zu 25 Prozent belegt. Kanada reagierte seinerseits mit Gegenzöllen. Washington setzte die Zölle für unter dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA gefertigte Produkte allerdings teilweise wieder aus und reduzierte etwa den Zoll für kanadische Pottasche auf 10 Prozent. Ob Carney nun hinter den Kulissen den amerikanischen Präsidenten für ein weiteres Umdenken gewinnen kann, muss sich zeigen. Offensichtlich war aber, dass er sich im Gegensatz zu Selenski dazu entschieden hatte, die strittigen Fragen mit Trump nicht vor laufenden Kameras zu verhandeln.