Die Neuausrichtung der Energiepolitik unter Präsident Trump trifft auch die Schweizer Industrie. Der Solarmodulhersteller Meyer Burger verliert seinen wichtigsten Kunden in den USA. Der Fortbestand der Firma ist akut gefährdet.
Das ging schnell: Nur eine gute Woche nach der Wahl von Donald Trump stellt die amerikanische Solarindustrie die Weichen neu – mit drastischen Konsequenzen für den Schweizer Zulieferer Meyer Burger. Deren wichtigster Kunde in den USA, die Firma Desri, kündigte Ende Woche per sofort den vor zwei Jahren abgeschlossenen Rahmenvertrag mit Meyer Burger.
Die D. E. Shaw Renewable Investments (Desri) gehört zu den führenden Betreibern von Solar-, Wind- und Speicheranlagen in den USA. Die installierte Kapazität beträgt 10 Gigawatt und versorgt gegen 2 Millionen Haushalte mit Strom.
Für Meyer Burger sind die Amerikaner von existenzieller Bedeutung: Im Rahmenvertrag hatten sie sich verpflichtet, ihre Solarkraftwerke mit Anlagen von Meyer Burger auszurüsten und dafür Module mit einer Kapazität von 3,75 bis 5 Gigawatt zu kaufen. Der Vertrag sollte von 2024 bis 2029 laufen. Desri hatte die Option, ihn über die fünf Jahre hinaus zu verlängern oder die Kapazität zu erhöhen.
Trump favorisiert fossile Energie
Schon kurz nach dem Start ziehen die Amerikaner nun aber den Stecker. Weder Desri noch Meyer Burger wollten sich zu den Gründen für die Kündigung äussern. Für Experten aus der Solarbranche besteht aber kein Zweifel, dass sie eine Reaktion auf die Trump-Wahl und die damit verbundene Neuausrichtung der amerikanischen Energiepolitik ist. Der neue Präsident hatte im Wahlkampf wiederholt angekündigt, dass er die Subventionen für erneuerbare Energien zurückfahren und stattdessen vermehrt auf fossile Energieträger setzen will. Meyer Burger sei wohl das erste Opfer der US-Präsidentschaftswahlen, sagt eine Führungsperson einer Schweizer Solarfirma.
Die Biden-Administration hatte die Energiewende mit Subventionen in dreistelliger Milliardenhöhe vorangetrieben. Kernstück ist die Inflation Reduction Act (IRA) aus dem Jahr 2022, die Steuervergünstigungen und finanzielle Zuschüsse für Investitionen in neue Solaranlagen vorsah. Auch der American Jobs Plan und Programme des Energieministeriums fördern die Solarenergie auf verschiedenen Ebenen. Ihnen drohen nun Kürzungen. Die Wahl von Trump gefährde Investitionen für erneuerbare Energien in der Höhe von 369 Milliarden Dollar, schreibt Bloomberg Intelligence in einer Analyse.
Profiteur von Bidens Investitionsprogrammen
Trump hatte zwar in seiner ersten Amtszeit die Zölle auf chinesische Solarpanels erhöht. Zudem kündigte er im Wahlkampf Zölle von 60 Prozent auf sämtliche chinesische Einfuhren an. Offen bleibt aber, ob er dies wirklich umsetzen wird oder ob es sich um eine Drohung handelt, um Konzessionen in anderen Bereichen zu erreichen. Dass Trump die Subventionen für erneuerbare Energien zurückfahren wird, daran besteht aber kaum ein Zweifel. Neue Zölle würden erst langfristig eine Wirkung entfalten, sagt ein Vertreter einer Solarfirma. Der Wegfall von Zuschüssen und Steuerabzügen sei hingegen sofort spürbar.
Meyer Burger gehörte zu den grossen Profiteuren von Bidens Investitionsprogrammen. Laut dem Geschäftsbericht versprach sich das Unternehmen in den USA Subventionen von 1,4 Milliarden Dollar bis 2032. Dank Absatzgarantien und langfristig fixierten Preisen rechnete Meyer Burger in den USA mit einer Gewinnmarge von 25 Prozent. Angesichts dieser Perspektiven richtete die Firma ihre Strategie voll auf den US-Markt aus. Ziel war es, die Produktion von Deutschland in die USA zu verlagern.
Mitten in der Zügelaktion ging Meyer Burger aber das Geld aus. Die Pläne für den Bau einer neuen Fabrik in Colorado Spring wurden gestoppt. Stattdessen produziert Meyer Burger die Solarpanels vorderhand weiter in Deutschland und setzt die Module im Werk in Goodyear in Arizona zusammen. Im Juni ging dort die erste Fertigungslinie für Hochleistungs-Solarmodule in Betrieb. In Goodyear werden auch die Module für Desri hergestellt. Nach der Vertragskündigung droht nun der Produktionsstopp.
Management hat Glaube an die Zukunft verloren
Die Zukunft des Unternehmens steht auf Messers Schneide. Der Aktienkurs stürzte am Freitag um mehr als 60 Prozent auf 43 Rappen ab. Während des ersten Solarbooms zu Beginn der 2010er Jahre wurden die Titel für 4300 Franken gehandelt, 10 000-mal mehr als heute. Noch Anfang des vergangenen Jahres lag der Kurs bei 500 Franken, 2024 setzte der Niedergang Richtung Nullpunkt ein. Selbst Meyer Burger zweifelt mittlerweile an der eigenen Zukunftsfähigkeit: «Sollte die finanzielle Restrukturierung scheitern, könnte das Unternehmen nicht mehr in der Lage sein, seine Unternehmensfortführung zu gewährleisten», steht in der Mitteilung vom Freitag.
Krisen sind Teil der Firmengeschichte von Meyer Burger. In den vergangenen 15 Jahren benötigte das Unternehmen sechs Finanzspritzen, um das Überleben zu sichern. Die letzte Kapitalerhöhung über 207 Millionen Franken wurde erst im April durchgeführt, doch inzwischen sind die Mittel bereits wieder aufgebraucht. Im ersten Halbjahr betrug der Nettoverlust 317 Millionen Franken.
Meyer Burger ist eine Geschichte der unerfüllten Versprechen. Die Solarmodule waren zwar teurer, galten aber als technisch überlegen und qualitativ besser als die der Konkurrenz. Doch dieser Vorsprung hat sich längst in Luft aufgelöst.
Ende September publizierte die Berner Fachhochschule die Ergebnisse eines Vergleichs der Solarmodule von fünf Herstellern. Das Resultat: Vier der fünf Module lieferten weniger Leistung ab, als im Produktebeschrieb deklariert worden war. Zwei davon stammten aus China – und zwei von Meyer Burger. Nach 16 Monaten Betriebszeit zeigten die Messungen zudem: Der durch die Alterung hervorgerufene Leistungsverlust war bei zwei Produkten am grössten: bei einem aus chinesischer Produktion. Und bei einem von Meyer Burger.
Chinesische Module kosten nicht einmal die Hälfte
Ein Kenner der Schweizer Solarbranche sagt, er sehe inzwischen keine Chance mehr für den Konzern. Ein Grund sei die massive Konkurrenz aus China. Heute könne man bei einem Grosshändler ein Standard-Solarmodul von Meyer Burger für 165 Franken kaufen. Doch für nur gerade 60 Franken sei beim gleichen Händler ein chinesisches Konkurrenzprodukt erhältlich, das erst noch leicht bessere Leistungsdaten habe.
Die Technologie von Meyer Burger habe zwar in einzelnen Bereichen Vorteile. Doch die Qualität und Langlebigkeit der Produkte sei nicht so ausserordentlich, wie immer wieder angepriesen worden sei. Der fehlende technologische Vorsprung sei wohl auch der Grund, warum Meyer Burger nie von einem chinesischen Konkurrenten aufgekauft worden sei, sagt der Mann.
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