Die Aussicht auf die Präsidentschaft von Donald Trump konfrontiert die Finanzwelt mit zahlreichen Fragen. Statt zu versuchen, Ereignisse zu prognostizieren, sollten Investoren in Szenarien denken und auf eine robuste Portfoliokonstruktion achten.
Im «The Big Picture» vom 23. November hat Mark Dittli ganz nach dem Titel seiner Kolumne das grosse Ganze herausgearbeitet und aufgezeigt, was sich trotz Donald Trump im Weissen Haus für die Finanzmärkte nicht ändern wird. Doch wie können Anleger damit in ihrem Portfolio konkret umgehen?
Aus meiner Perspektive helfen drei grundsätzliche Überlegungen dabei, erfolgreich durch die Finanzmärkte zu navigieren: Erstens, das Denken in Szenarien nutzen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Zweitens, Volatilität nicht als Bedrohung, sondern als ein Werkzeug sehen. Drittens, Prognosen misstrauen und Unsicherheiten aktiv managen.
Die Illusion des perfekten Timings
Die Versuchung, die Finanzmärkte «timing-gerecht» zu navigieren, ist allgegenwärtig. Wann soll man kaufen? Wann verkaufen? Diese Entscheidungen sind entscheidend – und dennoch oft vergeblich.
Zu früh auszusteigen, kann massgeblich Performance kosten. Dies wird so lange akzentuiert und macht es psychologisch nicht einfacher, bis die eigene Überzeugung korrigiert wird. Ebenso verhält es sich bei einem zu späten Einstiegszeitpunkt. All das ist aber immer erst ex-post festzumachen, und auch diese Beobachtung hängt vom Zeitpunkt ab, an dem sie gemacht wird. Sechs Monate später ist das Fazit möglicherweise ein völlig anderes.
Daher ist ein Szenario-Ansatz zielführender. Anstatt sich im ständigen Versuch des Markttimings zu verlieren, sollten Anleger sich fragen: «Welche Entwicklungen könnten eintreten, und wie positioniere ich mein Portfolio, um Chancen zu nutzen und Verluste zu begrenzen?»
Szenarien schaffen Klarheit in unsicheren Zeiten
Das «Big Picture» im Blick, sollten Investoren ihr Portfolio so strukturieren, dass es unter verschiedenen Szenarien widerstandsfähig bleibt. Dabei gilt: Nicht alle Szenarien müssen negativ sein. Positive Überraschungen – etwa unerwartete Handelsabkommen oder erfolgreiche politische Manöver – können auch Chancen schaffen.
Donald Trump ist ein Paradebeispiel dafür, wie Marktvolatilität und politische Unvorhersehbarkeit sich gegenseitig verstärken. Kluge Strategien können diese Dynamiken nutzen. Es braucht jedoch den Mut, traditionelle Ansätze – etwa die sture Orientierung an Benchmarks – infrage zu stellen.
Benchmarks sind in der Finanzwelt ein gängiger Referenzpunkt, doch sie haben Schwächen. Indizes beruhen in der Regel auf Marktkapitalisierungen, die lediglich die Grösse eines Unternehmens spiegeln – nicht dessen Wertpotenzial. Dennoch scheuen viele Fondsmanager Abweichungen vom Benchmark, aus Angst vor dem erhöhten Nachbildungsfehler («Tracking Error»). Letzterer wird in der Finanzzunft als vermeintliches Risiko wahrgenommen. Dabei sind solche Abweichungen essenziell, um Mehrwert zu schaffen. Eine aktive Strategie erfordert Mut zur Differenzierung und die Bereitschaft, ausserhalb von starren Benchmark-Parametern zu investieren.
Kreativität ist gefragt: vier Szenarien für die Trump-Ära
Welche Szenarien könnten während der Trump-Ära – oder in vergleichbaren politischen Kontexten – relevant sein? Hier vier Beispiele:
1. Volatilität nutzen; Handeln, wenn am Markt die Nerven flattern
Volatilität wird oft als Risiko betrachtet, doch in Wahrheit ist sie einzig Ausdruck von Emotionen, wie C. Thomas Howard im Buch «Behavioral Portfolio Management» argumentiert. Wenn Märkte nervös sind, können sich attraktive Einstiegspunkte ergeben. Anleger sollten daher Liquidität bereithalten, um in turbulenten Zeiten zu investieren, statt passiv abzuwarten.
Der Schlüssel liegt in der Vorbereitung und der Zurechtlegung eines Plans. Welche Aktien und wie viele davon möchte ich langfristig im Portfolio haben? Emotionen am Markt sind eine Gelegenheit, nicht ein Hindernis. Wenn etwa Präsident Trump demnächst irgendwo auf der Welt auf den Tisch haut und verrückte Forderungen an Handelspartner stellt, dann bedenke man die langfristige Ausrichtung des eigenen Portfolios.
2. Handelspolitische Annäherung
Deals sind Trumps Lieblingsdisziplin, egal, wie gut oder schlecht sie sein mögen. Eine Annäherung zwischen den USA und China – so unwahrscheinlich sie derzeit auch scheinen mag – könnte Branchen wie Luxusgüter, Transport und Rohstoffe neuen Auftrieb geben. Diese Sektoren bieten Potenzial für einen Turnaround, wenn sich herausstellt, dass Peking und Washington tatsächlich Wege zu einem Deal finden.
Dabei müssen sich Anleger gar nicht durch direkte Engagements im rechtsunsicheren China umschauen. Es finden sich zahlreiche qualitativ hochstehende und gesund finanzierte Unternehmen wie Richemont in der Schweiz sowie LVMH, DHL Deutsche Post oder Rio Tinto in Europa, welche in diesem Szenario profitieren würden.
3. Schuldenausbau und Inflation
Durch weiter stark steigende Staatsausgaben könnten Inflationsrisiken rasch zurückkehren und die Geldpolitik vor schwierige Entscheidungen stellen. Unternehmen wie Mircosoft oder booking.com mit Preissetzungsmacht und Innovationsfähigkeit, insbesondere in der digitalen Transformation, sind in diesem Szenario besonders attraktiv. Auch europäische Energietitel wie Shell und TotalEnergies mit stabilen Dividenden und hohem Cashflow würden in diesem Szenario wieder in die Gunst der Anleger kommen.
4. Geopolitische Wendepunkte
Ob in der Ukraine, Taiwan oder dem Nahen Osten – selbst aus heutiger Perspektive unwahrscheinliche Deeskalationen könnten für positive Überraschungen und entsprechend heftige Kursänderungen an den Märkten sorgen. Rüstungsunternehmen, aber auch traditionelle «sichere Häfen» wie Gold oder der Franken würden neu bewertet und dürften kurzfristig Momentum verlieren. Zugleich bleiben sie im Sinne des «Big Picture» wichtige Bestandteile eines diversifizierten Portfolios. Eine Anpassung an geopolitische Dynamiken ist keine Frage des «Ob», sondern des «Wie».
Diversifikation durch Szenarien
Das Denken in Szenarien ist letztlich eine besondere Form der Diversifikation. Es geht nicht nur darum, das Risiko durch die Verteilung auf verschiedene Anlagen zu reduzieren, sondern vielmehr darum, sich für unterschiedliche mögliche Veränderungen zu positionieren. Die Kunst besteht darin, Flexibilität zu bewahren und Chancen zu erkennen.
Märkte sind unvorhersehbar, und das Vertrauen auf Prognosen ist ein riskantes Unterfangen. Bilden wir uns zu viel auf die eigene Prognosefähigkeit ein, laufen wir Gefahr, ganz nach Hegel eingestehen zu müssen: «Umso schlimmer für die Wirklichkeit, ich hab’s ja nur gut gemeint.» Szenario-Denken hingegen ermöglicht es, Portfolios robuster zu gestalten und gleichzeitig von überraschenden Wendungen zu profitieren.
Tristan Bregy
Tristan Bregy war im Alter von 29 Jahren Gründer des unabhängigen Vermögensverwalters Valère Consulting in Zürich und später Gründungspartner der Valeria Capital AG in Liechtenstein, einem europäischen Asset-Manager. Für Letzteren verwaltet er eine aktive Multi-Asset Fondsstrategie. Mit einem Master-Abschluss in Applied History und einer internationalen Qualifikation als Finanzanalytiker (CIIA) bringt er ein Verständnis der modernen Geschichtswissenschaft verbunden mit wirtschaftlichen Zusammenhängen in seine Arbeit ein.