Er hat über den Aufstieg und Niedergang von Weltwährungen geforscht und ist jetzt erstmals besorgt über die Zukunft des Dollars. Wenn die US-Wirtschaftspolitik nicht vernünftiger werde, könne es gar zu einer globalen Finanzkrise kommen, sagt Eichengreen im Interview.
Herr Eichengreen, in einem Buch schrieben Sie vor 14 Jahren, dass nicht China den Dollar zum Absturz bringen könnte, sondern nur Misswirtschaft in den USA. Ist dieses Dollar-Crash-Szenario mit der neuen Trump-Regierung nun wahrscheinlicher geworden?
Leider ja. Die Regierung hat erhebliche Zweifel an der globalen Rolle des Dollars geweckt. Die Unabhängigkeit der Notenbank wird infrage gestellt, und es gibt Überlegungen, den Dollar gezielt zu schwächen, was den Wert international gehaltener US-Staatsanleihen senken würde. Auch die Idee, bestehende Anleihen in extrem langfristige Papiere mit künstlich niedrigem Zins umzuwandeln, wurde angedeutet. Das senkt das Vertrauen anderer Länder in die USA als verlässlichen Partner – und damit die Bereitschaft, Dollar zu halten.
Aber noch sehen wir keinen Crash des Dollars.
Nein, weil es noch keine Alternative zum Dollar gibt. Der Euro ist für den Rest der Welt keine, weil aus regulatorischen Gründen so viele in Euro denominierte Anleihen von Europas eigenen Banken gehalten werden. Der chinesische Yuan hat global nur wenig Gewicht. Attraktive Alternativen wie der australische oder der kanadische Dollar, die dänische oder die norwegische Krone oder der Schweizerfranken stammen zwar aus stabilen Ländern mit gut geführten Zentralbanken. Sie reichen mengenmässig aber bei weitem nicht aus, um den Dollar zu ersetzen. Die Politik von Donald Trump führt jetzt jedoch dazu, dass Zentralbanken und Investoren verstärkt nach Alternativen suchen. Deshalb steigt auch der Goldpreis.
Geopolitische Einordnung im Überblick
Kurzgefasst: Die merkantilistische Handelspolitik der neuen Trump-Regierung und deren Versuche, den Dollar zu schwächen, sind ökonomisch unsinnig und laufen Gefahr, das internationale Finanzsystem zu destabilisieren. Sie unterminieren das Privileg des Dollars, Weltwährung zu sein.
Geopolitische Einschätzung: Die Politik der neuen US-Regierung schadet Amerika. Sie setzt aber auch Europa unter Druck, eigenständig zu handeln. Die europäischen Staaten müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass die Globalisierung zurückgedreht wird und es gar zu einer neuen Finanzkrise kommen könnte.
Blick voraus: Entscheidend wird sein, ob es den europäischen Ländern und Europa gelingt, geeint zu handeln, Koalitionen gegen Protektionismus zu schmieden und damit sowohl Putin als auch Trump Widerstand zu leisten.
Dann könnte auch der Schweizerfranken wieder unter starken Aufwertungsdruck geraten.
Das ist ein anderes Element des Schadens, den die gegenwärtige amerikanische Politik anrichtet.
Die Schweizerische Nationalbank könnte sich mit Devisenmarktinterventionen dagegenstemmen. Sie liefe dann aber Gefahr, von den USA als Währungsmanipulator mit Sanktionen belegt zu werden.
In der Vergangenheit haben Staaten auch Kapitalverkehrskontrollen und Negativzinsen eingeführt, um Kapitalzuflüsse fernzuhalten. Die Trump-Administration könnte jedoch gegen alle diese Instrumente, die eine zu starke Währung verhindern sollen, mit Sanktionen vorgehen.
Eigentlich verspricht Trump ja, Amerika wieder ökonomisch gross zu machen. Was ist falsch daran?
Amerikas Grösse im 21. Jahrhundert beruht nicht mehr auf klassischen Industrien wie dem Stahlsektor oder dem Schiffbau, sondern auf Hightech, Forschung und Innovation. An den Finanzmärkten und in der Gesellschaft wächst die Sorge, dass genau diese Grundlagen amerikanischer Exzellenz momentan untergraben werden. Die führenden Universitäten und staatlichen Forschungseinrichtungen werden zerschlagen. Und was einmal abgebaut wurde, ist nur schwer wiederherzustellen.
Merken Sie das als Universitätsprofessor?
Hier an der University of California, Berkeley – die den Anspruch hat, zu den weltweit führenden öffentlichen Universitäten zu zählen –, wurde kürzlich ein Einstellungsstopp verhängt. Grund sind staatliche Ausgabenkürzungen und politische Unsicherheiten. Auch grosse Unternehmen, etwa im Silicon Valley, zögern mit Investitionen, weil unklar ist, wie sich die politische Lage entwickeln wird.
Derzeit fiebern alle dem 2. April entgegen – laut Trump der «Tag der Befreiung», an dem er auch reziproke Zölle ankündigen will. Das würde bedeuten, dass die USA überall dort Zölle anheben, wo sie derzeit weniger verlangen als ihre Handelspartner. Klingt eigentlich fair, oder?
Die Idee ist kaum umsetzbar. Sie würde die Erhöhung von zahllosen verschiedenen Zöllen auf zahllosen verschiedenen Produkten in zahllosen verschiedenen Ländern erfordern. Eine Änderung des US-Zollrechts in diesem Ausmass ist kurzfristig unrealistisch. Zudem kündigte Trump bereits Ausnahmen an. Meines Erachtens geht es nicht um reziproke, sondern um willkürliche Zölle. Diese verhängt man gegenüber Ländern, die Trump nicht mag. Etwa Kanada, weil es nicht zum 51. Gliedstaat der USA werden will. Oder Dänemark, weil es Grönland nicht abtreten will.
Stichwort Kanada: Die ersten Zölle Trumps galten ausgerechnet dem Nachbarn und langjährigen Alliierten. Welches Signal sendet das aus?
Dass es nicht länger ein Vorteil ist, ein guter Nachbar der USA zu sein – weder wirtschaftlich noch sicherheitspolitisch. Zudem wird deutlich, dass die amerikanische Regierung wirtschaftlich völlig rücksichtslos agiert. Denn Kanada, die USA und Mexiko sind wirtschaftlich eng verflochten, ähnlich eng wie die Länder der EU. Wer hätte je gedacht, dass wir 2025 in einer Welt leben, in der Kanada laut darüber nachdenkt, der EU beizutreten?
Es ist doch nicht nur rücksichtslos, sondern auch entgegen den eigenen Interessen. Bisher trugen Amerikas Bündnisse auch dazu bei, dass die Alliierten ihr Geld im Dollar anlegten. Das hielt die Zinsen niedrig und ermöglichte den USA, mehr zu investieren, als sie sparten, und mehr zu konsumieren, als sie produzierten. Warum verzichten die USA darauf?
Wenn Sie die Frage so stellen, erwarten Sie eine ökonomische Logik hinter dem Handeln der Trump-Regierung – doch genau die fehlt. Es ist Panikmache, wobei der Schreckschuss den eigenen Fuss trifft.
Warum diese fixe Idee, dass Handelsbilanzdefizite schädlich sind?
Es ist ein Rückgriff auf eine alte diskreditierte Idee namens Merkantilismus. Sie besagt: Eine positive Handelsbilanz ist gleichbedeutend mit einer starken Wirtschaft – Ende der Geschichte! Doch bekanntlich entspricht die Handelsbilanz – beziehungsweise die Leistungsbilanz – auch der Differenz zwischen Investitionen und Ersparnissen. Wenn Trump etwas tut, was die Investitionen einbrechen lässt, würde dies die Handelsbilanz der USA verbessern. Doch das wäre fatal für die US-Wirtschaft.
Anders als in Trumps erster Präsidentschaft tendiert die amerikanische Börse negativ. Haben die Märkte das Risiko von Trump unterschätzt und jetzt das Vertrauen in ihn verloren?
Die Märkte reagierten zunächst positiv auf die Wahl, vor allem wegen der Aussicht auf Steuersenkungen zusammen mit Ausgabenkürzungen zur Eindämmung des Haushaltsdefizits. Sie hielten extreme Ankündigungen bezüglich Zöllen zunächst für Verhandlungstaktik – nicht für echte Politik. Doch dann setzte Trump auf eine «Flood-the-zone»-Strategie: täglich eine Flut neuer, zum Teil chaotischer Massnahmen, die potenziellen Widerstand überrollten. Dieses Chaos mögen die Märkte nicht. Zudem wird immer klarer, dass Trump in Zöllen nicht nur ein Drohmittel sieht, sondern eine Lösung für fast jedes Problem.
Was ist Ihr Ratschlag an Europa, wie soll es in diesem Zollstreit agieren?
Lasst euch nicht provozieren, verzichtet auf aggressive Vergeltungsmassnahmen, und haltet Ausschau nach gleichgesinnten Volkswirtschaften, die noch an ein offenes und multilaterales Handelssystem glauben. Was sinnvoll sein kann, sind intelligente und selektive Formen der Vergeltung, die gezielt Trumps Wählern Schmerzen bereiten. Und wichtig ist, dass Europa zusammenhält: Eine gemeinsame Antwort ist besser als die Antwort einzelner Länder.
Das wird nicht einfach.
Ich glaube, dass Europa als Leuchtturm des gesunden Menschenverstands agieren kann. Das bedeutet: Bündnisse schliessen, Putin nicht nachgeben – und auch nicht Trump –, und versuchen, offene Handelsabkommen mit anderen Ländern zu schliessen.
Wie würden Sie Trumps Blick auf Europa beschreiben?
Trump hat gesagt, dass niemand die USA mehr abzocke als Europa. Warum er das glaubt, weiss ich nicht. Es zeigt sich aber, dass er jene Länder am wenigsten mag, die am freundlichsten sind zu den USA und mit denen wir historisch gesehen die engsten Beziehungen haben.
Einige Historiker vergleichen unsere Zeit mit den 1930er Jahren, als ebenfalls Protektionismus und ökonomischer Nationalismus um sich griffen. Ist der Vergleich berechtigt?
Es gibt eine beunruhigende Parallele: Protektionismus und politische Konflikte gehen Hand in Hand. Das war in den 1930er Jahren so, und wir sehen es auch heute. Die Zölle torpedieren das seit 75 Jahren bestehende transatlantische Bündnis. In den 1930er Jahren kam es zum Zusammenbruch des globalen Währungs- und Finanzsystems. Wenn der derzeitige Vertrauensverlust gegenüber dem Dollar als Weltwährung anhält und es keinen adäquaten Ersatz für den Dollar gibt, droht Ähnliches. Die globale Liquidität, auf der die Handels- und Finanzsysteme basieren, würde versiegen.
Verstehen wir Sie richtig: Es gibt ein realistisches Szenario, das zum Kollaps des globalen Finanzsystems führt?
Ich bin vorsichtig im Umgang mit Wörtern wie «realistisch». Aber es gibt eine besorgniserregende Möglichkeit, über die wir nachdenken und mit der wir planen sollten.
Angesichts solcher Gefahren: Gehört die Globalisierung bald der Vergangenheit an?
Bis Januar 2025 hätte ich gesagt, dass nur die Hyperglobalisierung vorbei sei. Jene Phase also, in der die internationalen Transaktionen schneller gewachsen sind als die Weltwirtschaft. Heute gibt es aber Anzeichen dafür, dass nicht nur die Hyperglobalisierung, sondern die Globalisierung an und für sich zurückgedrängt wird. Vor allem dann, wenn Trump reziproke Zölle anwendet, der Freihandel in Nordamerika erodiert und die grenzüberschreitenden Finanztransaktionen zurückgehen, weil das Vehikel dafür, der Dollar, immer unpopulärer wird.
Was verlören die USA, sollte der Dollar seinen Status als Leitwährung einbüssen?
Ich sehe drei Vorteile der Dominanz des Dollars für die USA: Erstens können die Amerikaner weltweit Geschäfte in ihrer eigenen Währung abwickeln und haben somit kein Wechselkursrisiko. Zweitens kann sich der Staat zu niedrigeren Zinsen verschulden, da es eine stetige Nachfrage nach Dollar durch ausländische Zentralbanken und Regierungen gibt. Drittens fungiert die Währung als eine Art automatische Versicherung. Wenn es in der Welt zu Krisen kommt, flüchten Investoren in den Dollar, da er als sicherer Hafen gilt und der US-Finanzmarkt besonders gross und liquide ist.
Sollte Europa die Gelegenheit nutzen, um die Bedeutung des Euro am internationalen Kapitalmarkt zu stärken? Etwa, indem zur Finanzierung der Aufrüstung gemeinsame Eurobond-Schulden ausgegeben werden?
Moderate Schritte in diese Richtung hielte ich für konstruktiv. Aber viele europäische Länder sind schon stark verschuldet; nur vier oder fünf – zusammen mit der Schweiz – haben noch AAA-Ratings.
Würde das nicht falsche Anreize schaffen, wenn die weniger verschuldeten Länder ihre geringeren Renditen mit denjenigen der stark verschuldeten poolen würden?
Aussergewöhnliche Zeiten verlangen aussergewöhnliche Massnahmen. Die Tatsache, dass sich Europa nicht länger auf die USA als Allianzpartner verlassen kann, zeigt, dass für die Verteidigungsausgaben aussergewöhnliche Zeiten angebrochen sind. Europa braucht jetzt eine gemeinsame Strategie, um seine Rückstände in der Verteidigung schnell auszumerzen – dafür kann man auch auf Schulden zurückgreifen. Die laufenden Verteidigungsausgaben müssen dann aber aus dem laufenden Haushalt finanziert werden.
Müssten dann die europäischen Länder nicht auch spezifische Einnahmen schaffen, die sie zur Finanzierung gemeinsamer Schulden an die EU abträten?
Es gibt in Europa noch keine Bereitschaft der Staaten, dies dauerhaft zu tun. Was man in der Pandemie getan hat und was man jetzt gerade tut, sind einmalige Kraftakte. Dass es auf EU-Ebene keine eigentliche Steuerverwaltung gibt und die Einnahmen vor allem für Landwirtschaft und Regionalprogramme verwendet werden, ist ein Handicap.
Aus dem Scheinwerferlicht verschwunden scheint China, das in Trumps erster Amtszeit noch im Fokus seiner Angriffe stand. Ist die Rivalität mit Peking nicht länger das dominante Thema in Washington?
Die Aufmerksamkeit verschiebt sich weg von China hin zu Kanada und Europa als unmittelbareren wirtschaftlichen Konkurrenten der USA. China hat sich bisher gegenüber Trump sehr zurückhaltend verhalten. Es hat nur selektiv auf Zölle reagiert und vermieden, Trump rhetorisch zu provozieren.
China als der vernünftigere Akteur auf der Weltbühne?
Wer hätte je gedacht, dass wir dieses Gespräch führen würden und uns einig sind, dass China in den letzten Monaten eine konstruktivere Rolle in der Weltwirtschaft spielte als die USA?
Könnte der chinesische Yuan künftig dem Dollar seinen Platz streitig machen?
China liegt noch weit hinter den USA und anderen Ländern, was seinen Finanzmarkt und seine Währung betrifft. Seit Amerika sein Zentralbanksystem Fed geschaffen hat, sind 110 Jahre vergangen. China hat mit der Internationalisierung des Yuan hingegen erst vor 10 bis 15 Jahren begonnen. Auch Rom wurde nicht an einem Tag gebaut. China müsste seine Währung konvertibel machen und das Vertrauen in seinen Finanzmarkt stärken. Bis jetzt hat es keine unabhängige Zentralbank.
1971 sagte der damalige US-Finanzminister John Connally: «Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem.» Stimmt das noch?
Connally sagte das, weil der Dollar als Weltwährung den USA eine finanzielle und politische Waffe in die Hand gibt, um Staaten, die den Dollar nutzen und auf ihn angewiesen sind, in die Knie zu zwingen. Die Aussage könnte aber bald lauten: «Der Dollar ist unsere Währung und unser Problem.»
Warum? Weil die USA den Dollar zu oft als Waffe einsetzen?
Es geht nicht nur um die Häufigkeit, die tatsächlich zugenommen hat. Wichtiger ist: Bisher wurden Sanktionen in Kooperation mit anderen Ländern umgesetzt, etwa 2022, um Russland den Zugriff auf den Dollar, aber auch den Euro oder das Pfund zu erschweren. Trump jedoch will nicht kooperieren. Das zeigt sich bei den Sanktionen gegenüber Iran. Gut möglich, dass andere Länder nicht mitziehen, weil sie fürchten, in Zukunft von ähnlichen Massnahmen betroffen zu sein. Also wenden sie sich vom Dollar als Leitwährung ab.
Bis zum Zweiten Weltkrieg war das britische Pfund die dominante Währung. Was kann man vom damaligen Wechsel zum Dollar für die heutige Situation lernen?
Erstens haben damals die beiden Weltkriege die monetäre und finanzielle Stellung Grossbritanniens schwer erschüttert und das Pfund geschwächt. Zweitens schufen die USA eine wirklich unabhängige Zentralbank, die den Dollar internationalisierte und damit einen echten Konkurrenten für das Pfund schuf. Ein Wechsel zwischen führenden Währungen braucht beides. Jetzt erleben wir vielleicht einen grossen negativen Schock, den Trump dem Dollar zufügt. Aber es ist noch nicht klar, ob irgendwo die geldpolitischen Institutionen im Aufbau begriffen sind, die für eine echte Alternative notwendig wären.
Die USA können also ihr Weltwährungsprivileg gar nicht verlieren?
Sie können es verlieren, wenn niemand mehr Dollar halten will. Aber das hätte kolossale Kollateralschäden zur Folge. Grenzüberschreitende Zahlungen würden teuer und schwierig. Es wäre das Ende der Globalisierung.
Manche sehen in Kryptowährungen und Stablecoins die Alternative zum Dollar.
Ich gehöre nicht dazu. Ich halte Kryptowährungen für zu volatil und als Wertaufbewahrungsmittel für zu wenig vertrauenswürdig. Stablecoins sind entweder instabil, wenn sie nur teilweise mit Sicherheiten unterlegt sind, oder dann zu wenig skalierbar. Digitales Zentralbankgeld könnte theoretisch eine Alternative zum Dollar werden, müsste dann aber international interoperabel sein. Das Projekt M-Bridge, das dies ermöglichen soll, wird bis anhin vor allem von der chinesischen Zentralbank betrieben. Aus den gleichen Gründen, aus denen viele Länder ihre Geschäfte nicht in chinesischen Yuan abwickeln wollen, zögern sie auch, sich dem M-Bridge-Projekt anzuschliessen.
Nach dieser doch eher düsteren Gegenwartsanalyse: Können wir wenigstens darauf hoffen, dass nach vier Jahren Trump die Vernunft wieder siegt, die Zölle zurückgenommen werden und die Globalisierung wieder Oberhand gewinnt?
Ich hoffe sehr, dass die USA in Zukunft wieder zu einer ökonomisch vernünftigeren Politik zurückkehren. Es gibt hier viele Menschen und Politiker, die die Vorteile von Freihandel, internationaler Arbeitsteilung und geopolitischer Kooperation sehen und verstehen. Aber ich fürchte, dass gegenwärtig ein Schaden angerichtet wird, der nicht so leicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Denn wenn sich die USA einmal für diesen nationalistisch-isolationistischen Kurs entscheiden, wer sagt dann, dass dies in acht Jahren nicht erneut passieren kann? Ich fürchte daher, andere Länder werden sich von den USA abwenden und zunehmend untereinander kooperieren.
Eine herausragende Stimme der Vernunft
pfi. Barry Eichengreen forscht und lehrt seit 1987 an der amerikanischen Topuniversität UC Berkeley. Der Ökonom und Wirtschaftshistoriker hat sich intensiv mit der Entwicklung des internationalen Finanzsystems, den grossen Finanzkrisen und den Veränderungen im Währungsgefüge befasst. Nebst unzähligen Forschungsarbeiten sind daraus mehrere Bücher entstanden, darunter das bereits 2011 erschienene «Exorbitant Privilege: The Rise and Fall of the Dollar and the Future of the International Monetary System». Die Europäische Währungsunion kritisierte Eichengreen einst als politische Fehlkonstruktion. Doch ihre Rückabwicklung hält er jetzt für zu kostspielig. Nun fürchtet er um den Dollar. Immer wieder berät Eichengreen internationale Organisationen, Zentralbanken und Regierungen rund um die Welt. Der 1979 an der Yale University promovierte Eichengreen ist Träger zahlreicher Auszeichnungen, Research Associate des amerikanischen National Bureau of Economic Research (NBER) und Research Fellow des europäischen Center for Economic Policy Research (CEPR).