Die plötzliche Ersetzung des Präsidentschaftskandidaten Biden bringt Donald Trump aus dem Tritt. Bis jetzt hat er keine publikumswirksame Strategie gegen das Duo gefunden.
Trump ist berüchtigt für seine verbalen Giftpfeile. Er hat ein Gespür für die Schwachstellen seiner Gegner und kann sie allein schon mit den Spitznamen, die er ihnen verpasst, fertigmachen. Unvergessen ist sein «Sleepy Joe» für Biden. Aber jetzt, wo er sich plötzlich Kamala Harris und Tim Walz gegenübersieht, versiegt sein böser Wortwitz. Er gerät ins Stammeln oder verstummt.
Trumps Angriffe prallen an Harris ab
Erst versuchte er es mit Harris’ Hautfarbe. Er behauptete, sie sei gar nicht schwarz. Beziehungsweise: Sie habe diese Karte erst jetzt gezückt, um damit auf Stimmenfang zu gehen. Erstens stimmt das nicht. Sie hat immer offen darüber gesprochen, dass ihre Mutter aus Indien stammte und ihr Vater aus Jamaica. Und zweitens: Was tut es zur Sache? Es erinnert an seine vor mehr als zehn Jahren verbreitete falsche Behauptung, Obama sei nicht in den USA geboren und hätte deshalb nie Präsident werden dürfen.
Als Trump realisierte, dass er mit der «Race»-Schiene nicht weiterkam, versuchte er es mit ihrem Lachen. «Laffin’ Kamala» nannte er sie. Es stimmt, dass sie viel lacht. Aber bei den meisten kommt das offenbar gut an. Es strahlt etwas Fröhliches, Lebendiges und Junggebliebenes aus, gerade auch im Gegensatz zu Trump. Zudem klang die Bezeichnung aus Trumps Mund etwas frauenfeindlich. Also ersetzte er den Übernamen mit «Kamabla». Vermutlich will er damit suggerieren, sie schwafle daher: Blablabla. Aber besonders witzig ist auch dieser Versuch nicht.
Dann behauptete er, Harris sei antisemitisch, weil sie nicht Josh Shapiro, den jüdischen Gouverneur von Pennsylvania, zu ihrem Vize gekürt hatte, sondern Tim Walz. Aber Harris’ Ehemann Doug Emhoff ist jüdisch. Wieder ein Fehlschlag. Auch die Behauptung, Harris sei dumm und sie habe einen niedrigen IQ, verfängt nicht.
Auch wenn Trump in den meisten Swing States immer noch knapp führt, hat ihn Harris in nationalen Umfragen überholt und in mehreren wichtigen Staaten Boden gutgemacht.
«Sie bekommt meine Waffe nicht»
Gegen Walz wirkt Trump ebenfalls seltsam hilflos. Erwartungsgemäss bezeichnete er ihn als «Kommunisten». Das ist zwar völlig übertrieben, aber immerhin böte Walz mit seinem linken Programm konkrete, politische Angriffspunkte. Stattdessen schiessen sich die Republikaner auf Nebensächlichkeiten ein wie die Initiative Walz’, den Schülerinnen in Minnesota Gratis-Tampons zur Verfügung zu stellen. «Tampons-Tim» nennen sie ihn deswegen. Es ist zweifelhaft, ob sie damit die Wählerinnen, um die so sehr geworben wird, abholen können.
Auch Trumps Vizepräsidentschaftskandidat, J. D. Vance, dem man nach seinem Bestseller «Hillbilly Elegy» rhetorisch einiges zutraute, geht unter sein Niveau. Er steht unter Beschuss, weil er sich in einem früheren Interview über kinderlose Frauen mokierte und sie als «cat ladies» verunglimpfte.
Kürzlich warnte er in einer Rede davor, dass Harris Fracking, Benzinautos, Gasherde und rotes Fleisch verbieten wolle, und folgerte: «Sie denkt, sie sei besser als ihr.» Darauf doppelte der republikanische Senator Ted Cruz nach: «Sie bekommt meine Waffe nicht. Sie bekommt meinen Verbrennungsmotor nicht. Und sie bekommt zur Hölle nicht meine Steaks und Cheeseburger.» Trump selbst behauptete in einer Rede, sie wolle nicht nur rotes Fleisch, sondern überhaupt Kühe verbieten.
Trump sagt wieder und wieder, Harris sei dumm
Tim Walz sagte in seiner ersten öffentlichen Rede in Philadelphia: «Trump sass nie an einem Küchentisch wie ich, wo man sich in meiner Jugend fragte, wie man die Rechnungen bezahlen soll. Er sass in seiner Villa in Mar-a-Lago und fragte sich, wie man die Steuern für seine reichen Freunde senken könnte.» Trump entgegnete, er habe Firmen aufgebaut, Arbeitsplätze geschaffen sowie die ökonomisch erfolgreichste Regierung aller Zeiten geführt. «Ich sass auch nicht die ganze Zeit in Mar-a-Lago. Ich sass an vielen anderen Orten.»
Jetzt, nachdem Biden von der Wahlkampfbühne verschwunden ist, ist es plötzlich Trump, der mit seinen ältlichen Sottisen und seiner griesgrämigen Art gestrig wirkt. Der Nimbus des erfrischenden, disruptiven Aussenseiters ist verflogen. Das wirklich Neue ist nun, dass auf einmal eine nichtweisse Frau und ein Provinzler ins Rennen steigen.
Auch an der überraschend anberaumten Pressekonferenz vom Donnerstag fiel Trump nichts Substanzielles zu seinen Gegnern ein, ausser der wiederholten Aussage, Harris sei dumm und sie habe Kalifornien zerstört. Ihr grösster Vorteil sei es, eine Frau zu sein: «Das spricht gewisse Leute an.» Zu Walz verstieg er sich zur haltlosen Behauptung, er befürworte Abtreibung bis zur Geburt und sogar noch darüber hinaus.
Walz’ simple Charakterisierung von Trump als «weird»
Den ziellosen und stumpfen Attacken steht ein einziges, wohlgewähltes Wort entgegen, mit dem Tim Walz nationale Berühmtheit erreichte. Am 23. Juli nannte er Republikaner wie Trump und Vance in einer Sendung auf MSNBC «weird», also seltsam, merkwürdig oder komisch. Die Charakterisierung ging viral und wird inzwischen auch von Harris gerne verwendet.
Bemerkenswert daran ist, dass das Wort relativ harmlos ist, verglichen mit der gängigen Dämonisierung Trumps. Aber vielleicht ist es gerade dies, was ihn so nervt. Vielleicht ist er lieber der angeblich gefährliche Finsterling, der Amerikas Zukunft bedroht, als ein komischer Kauz. Das Einzige, was ihm als Entgegnung einfiel, war: «Sie sind selber seltsam. Niemand hat mich jemals seltsam genannt. Ich bin vieles, aber seltsam bin ich nicht.»
Die steigende Popularität von Harris macht viele Republikaner nervös. Sogar das konservative «Wall Street Journal» fragte kürzlich in einem Kommentar: «Wird Trump eine weitere Wahl vermasseln?» Seine Ausfälle gegen Harris bezeichnet die Zeitung als «Schulhofbeleidigungen, die niemanden überzeugen». Seine Reden seien ein Bündel von persönlichen Klagen und impulsivem Stolpern ohne irgendeine konsistente Argumentation gegen Harris. Es sei ein grosses Risiko gewesen, Trump nochmals als Kandidaten zu nominieren, findet das renommierte Leibblatt der Republikaner.







