Er liebe Zölle, sagte Donald Trump im Wahlkampf. Inzwischen setzt der neue US-Präsident seine Ankündigungen um. Bei einem Konflikt mit der EU würden voraussichtlich vor allem die Autohersteller leiden.
Der sich entwickelnde internationale Handels- und Zollkrieg könnte die deutsche Autoindustrie empfindlich treffen. Für die Hersteller und Zulieferer sind China und die USA die mit Abstand wichtigsten Märkte, wobei sie in der Regel jeweils auch in beiden Ländern produzieren und von dort exportieren.
Aufgrund einer möglichen Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwan schielt die deutsche Autobranche inzwischen noch stärker in Richtung der USA, um möglichst diversifiziert zu sein. Sollte Präsident Donald Trump nun jedoch einen Zollkonflikt vom Zaun brechen, würde das diese Pläne durchkreuzen. Doch es trifft nicht nur die Autoindustrie. Insgesamt produzieren rund 2100 deutsche Unternehmen in Mexiko für den amerikanischen Markt.
Verhandlungen mit Mexiko und Kanada
Trump hatte vor einer Woche pauschal 25 Prozent Zoll auf alle Importe aus Mexiko und Kanada angekündigt. Wenig später setzte er die Pläne jedoch für Verhandlungen mit den beiden Staaten wieder aus.
In Mexiko haben sich im Vertrauen auf dauerhaft niedrige Zölle in der nordamerikanischen Freihandelszone zahlreiche Autohersteller und Zulieferer angesiedelt – nicht nur aus der EU, sondern auch aus den USA und aus Asien. Im Rahmen der Produktions- und Lieferketten werden Komponenten teilweise mehrfach über die Grenze hin- und hertransportiert. Sollte sich der Zollkrieg zwischen den Ländern realisieren, würden die Inputkosten für die Autohersteller sowie ihr Aufwand stark steigen.
Zölle gehen zuerst zulasten des Importeurs. Die Frage ist dann, wie gut dieser die höheren Kosten an seine Firmen- und an Privatkunden weitergeben kann. Je grösser der Wettbewerb in einem Markt ist, desto schwieriger dürfte das sein. Ein 25-prozentiger Zoll auf ein Fahrzeug aus Mexiko und Kanada mit einem durchschnittlichen Preis von 25 000 Dollar würde zusätzliche Kosten von mehr als 6000 Dollar hervorrufen.
Laut der Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) stellen die amerikanischen Unternehmen General Motors (GM) und Ford bereits seit rund 100 Jahren Fahrzeuge in Kanada und Mexiko her. Für Volkswagen gelte das in Mexiko seit 1967 und für Nissan seit 1992. Die Konzerne Toyota und Honda hätten schliesslich mit Fabriken in Kanada Mitte der 1980er Jahre nachgezogen und in diesem Jahrhundert Werke in Mexiko eröffnet. Über die Jahre sei die Produktion in Kanada jedoch gesunken, während sie in Mexiko gestiegen sei.
Stark betroffen sind vor allem vier Marken. An erster Stelle steht laut S&P der Volkswagen-Konzern. Über 43 Prozent aller Fahrzeugverkäufe in den USA kämen aus mexikanischer Produktion. Danach folgten Stellantis mit 23 Prozent, GM mit 22 Prozent und Ford mit unter 15 Prozent. Stellantis ist aus Fusionen von Fiat mit Chrysler sowie später mit Peugeot-Citroën entstanden, weshalb das Unternehmen mit Marken wie Chrysler, Jeep, Dodge oder RAM einen starken amerikanischen Fussabdruck hat. Am geringsten exponiert sind von den grossen, internationalen Herstellern laut S&P Mercedes-Benz und BMW.
Laut den Finanzanalytikern von Stifel könnte das für Volkswagen eine Umsatzeinbusse von bis zu 8 Milliarden Euro bedeuten, bei Stellantis seien es sogar bis zu 16 Milliarden. Im schlimmsten Fall könne das den Gewinn vor Steuern und Zinsen bei VW um 12 Prozent und bei Stellantis sogar um 40 Prozent im laufenden Jahr drücken. Zu Stellantis gehört auch die deutsche Marke Opel, die in den USA jedoch nicht vertreten ist.
BMW und Mercedes mit eigenen Werken
Der Volkswagen-Konzern produziert zwar in den USA, importiert jedoch auch zahlreiche Fahrzeuge aus Mexiko, Brasilien, Deutschland und anderen Ländern. Laut Stifel wären etwa 65 Prozent der Fahrzeuge, die Volkswagen in den USA absetzt, bei den angekündigten Zöllen nicht mehr wettbewerbsfähig. Besonders problematisch ist für den Konzern, dass die margenträchtigen Marken Audi und Porsche keine eigene Produktion in den USA haben. Porsche setzt zugleich jedoch jedes vierte Fahrzeug in den Vereinigten Staaten ab.
BMW dagegen produziert seit 1992 in Spartanburg in South Carolina Fahrzeuge, derzeit sportliche Geländewagen der Baureihen X3 bis X7 sowie den XM. Im vergangenen Jahr waren es knapp 400 000 Einheiten. Das entspricht etwa auch dem Verkaufsvolumen des Konzerns in den USA. Allerdings werden nicht alle dort produzierten Fahrzeuge auch vor Ort verkauft. Etwas mehr als die Hälfte geht in den Export in mehr als 100 Länder, vor allem jedoch in die EU, aber zu grossen Teilen auch nach China und Grossbritannien, etwas weniger nach Kanada und Mexiko.
Zugleich importiert BMW in sechsstelliger Zahl Fahrzeuge aus der EU in die USA sowie in signifikantem Ausmass ebenso aus Mexiko, Grossbritannien und Südafrika. Dagegen gibt es keine Importe aus China. Für Importe aus dem Reich der Mitte hatte Donald Trump ebenfalls neue Zölle in Höhe von 10 Prozent angekündigt.
Ähnlich sieht es bei Mercedes-Benz aus. Die Firma fertigt seit 1993 in Tuscaloosa in Alabama und zwar ebenfalls überwiegend sportliche Geländewagen Mercedes-Maybach. Rund zwei Drittel der dortigen Produktion geht in den Export in die gesamte Welt. Insgesamt drohen den deutschen Herstellern Einbussen in Milliardenhöhe.
Sowohl BMW als auch Mercedes-Benz sind grosse Arbeitgeber in den USA mit jeweils rund 11 000 Mitarbeitern. Indirekt sichern die beiden Konzerne zusammen etwa 200 000 Stellen in den Vereinigten Staaten. Als global aufgestellte Unternehmen stehen sie für Freihandel als Treiber für Wohlstand und Wachstum. Erst vor kurzem sagte BMW-Konzernchef Oliver Zipse, dass Zölle den freien Handel behindern, Innovationen bremsen und eine Negativspirale in Gang setzen würden.
Trump droht auch der EU mit Zöllen
Deutlich gravierender als die zwischenstaatlichen Zölle in Nordamerika wären für die deutsche und europäische Autoindustrie Zölle der USA auf Importe aus Europa. Zölle für Einfuhren aus der EU würden definitiv kommen, sagte Trump vor kurzem.
Laut den britischen Experten von Oxford Economics haben europäische Autohersteller und Zulieferer im Jahr 2023 Fahrzeuge und Komponenten im Wert von 56 Milliarden Euro in die USA exportiert. Das waren etwa 20 Prozent des Wertes aller Autoexporte aus der EU. Die USA sind demnach das Exportland Nummer eins für Fahrzeuge aus Europa, wodurch die Branche bei einem Handelskrieg besonders verwundbar wäre.
Insgesamt hängen in der EU knapp 14 Millionen Jobs direkt oder indirekt an der Automobilindustrie, das sind gut 6 Prozent aller Arbeitsplätze. Sollten die USA beispielsweise die Importzölle auf europäische Fahrzeuge von derzeit 2,5 Prozent auf 25 Prozent erhöhen, würde dies die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Anbieter in den Vereinigten Staaten gegenüber der amerikanischen Konkurrenz sowie Importen aus Japan oder Korea deutlich verschlechtern.
Das könnte sich mittelfristig auch auf die Arbeitsplätze in Europa auswirken, denn ein Zollkrieg zwischen den USA und der EU würde wohl die Fahrzeugproduktion in Europa dämpfen. Die Exporte in die USA stehen für 15 Prozent der europäischen Automobilproduktion. Von einem Handelskonflikt wären zudem Deutschland und Italien besonders betroffen. Die Exporte dieser beiden Länder in die USA könnten laut Oxford Economics um 7,1 und 6,6 Prozent sinken. Spanien und Frankreich wären mit –2,4 und –2,3 Prozent weniger tangiert.
Bereits entstandener Vertrauensschaden
Zwei Faktoren machen die Lage besonders prekär. Erstens würden Gegenzölle der EU die amerikanischen Autohersteller nur geringfügig beschädigen, da sie in Europa kaum vertreten sind. Die Exporte in die EU machen nur 2 Prozent der gesamten amerikanischen Autoproduktion aus. In Deutschland, dem grössten europäischen Automarkt, hatten amerikanische Hersteller 2024 einen Marktanteil von unter 1 Prozent.
Zweitens würde es europäischen Herstellern schwerfallen, in signifikantem Umfang durch Exporte in andere Regionen, dem Strafzoll der USA auszuweichen. Das liegt beispielsweise an unterschiedlichen Kundenpräferenzen in verschiedenen Ländern, an logistischen Hürden und an differierenden regulatorischen Anforderungen. Zudem nimmt der Wettbewerb durch die aufkommenden chinesischen Konkurrenten in vielen Regionen der Welt ohnehin zu. Insofern könnten die Hersteller die fehlenden Verkäufe in den USA kaum vollständig durch zusätzliche Absätze in anderen Ländern kompensieren.
Noch ist offen, ob es in den kommenden Wochen und Monaten zu einem offenen Handels- und Zollkrieg zwischen den USA sowie Mexiko, Kanada, China oder der EU kommt. Eines ist allerdings schon jetzt klar. Bei vielen Firmen ist bereits ein grosser Vertrauensschaden entstanden. Künftig werden Manager und Unternehmer wegen der sinkenden Rechtssicherheit noch stärker abwägen, wo sie Investitionen tätigen.
Sie können dem Frankfurter Wirtschaftskorrespondenten Michael Rasch auf den Plattformen X, Linkedin und Xing folgen.