Das Tischtuch zwischen Finanzministerin Karin Keller-Sutter und der UBS-Spitze ist zerschnitten. Umso heftiger kämpft die Grossbank auf anderen Kanälen gegen verschärfte Kapitalauflagen. Episoden aus der grössten Lobbying-Aktion, die die Schweiz je erlebt hat.
Montag, der 24. März, Hotel Bellevue Palace in Bern. Die UBS-Spitze lädt ausgewählte Ständeräte zum Dinner. Die Affiche ist hochrangig: Der CEO Sergio Ermotti und Lukas Gähwiler, der Vizepräsident des Verwaltungsrates, vertreten die Bank. Ihrer Einladung folgen zwölf der dreizehn Mitglieder der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), des mächtigsten Gremiums für Finanzfragen im Parlament.
Aufgetragen werden Fisch, Rindsfilet und edle Weine – das Standardmenu bei solchen Veranstaltungen im Berner Fünf-Sterne-Haus. Doch was an diesem Montag hinter den verschlossenen Türen abgeht, weicht vom üblichen Programm ab: Die UBS-Granden ziehen mit einer Härte gegen Bundesrätin Karin Keller-Sutter vom Leder, die selbst Veteranen des Berner Politbetriebes erstaunt. Die Aversion gegen die Finanzministerin trage schon fast neurotische Züge, so eine Person, die beim Dinner dabei war.
Der Abend im Berner «Bellevue» ist der vorläufige Höhepunkt der wohl grössten Lobbyaktion der jüngeren Schweizer Geschichte. Die UBS versucht mit allen Mitteln, eine markante Verschärfung der Kapitalregeln zu verhindern. Weil sie damit bislang auf wenig Anklang gestossen ist, wird der Ton zusehends schriller. Halbwahrheiten, Druckversuche und Unterstellungen prägen die Debatte.
Missfällt ein Studiogast, interveniert die UBS bei Medien
Die Grossbank hat sich generalstabsmässig aufgestellt für die Schlacht. Ganz oben steht Präsident Colm Kelleher; er redet mit Keller-Sutter und den Präsidenten von Finanzmarktaufsicht (Finma) und Nationalbank. Der CEO Ermotti und der Vizepräsident Gähwiler bearbeiten Spitzenpolitiker und die operativen Chefs der Behörden. Die Stabseinheiten der Bank für Governmental, Regulatory und Public Affairs kümmern sich um die zweite Garde von Politik und Wirtschaft.
Die Kommunikationsabteilung beschäftigt Spin-Doctors, die die internationale Finanzpresse mit Storys beliefern. Schweizer Medien werden eng begleitet. Da kann es auch passieren, dass ein UBS-Sprecher bei der Redaktion der SRF-Sendung «Eco Talk» interveniert, wenn ihr ein Name auf der Teilnehmerliste nicht genehm ist.
Als verlängerter Arm der UBS fungiert die Bankiervereinigung. Deren Präsident, Direktor und Vizedirektor sind allesamt frühere UBS-Leute, der CEO Roman Studer war zuvor Cheflobbyist der UBS. Seine Organisation bringt die anderen Banken auf Linie, vertritt UBS-Positionen in der Öffentlichkeit und ist auch im Bundeshaus omnipräsent.
Der Mann, der in der UBS die Fäden zieht
Mastermind bei der UBS ist Markus Ronner. Der Group Chief Compliance and Governance Officer verfasst die Grundlagenpapiere, die die UBS bei Verbänden, Politikern und Medien kursieren lässt. Ronner ist nicht nur Chefstratege beim Abwehrkampf der Bank, er wird immer mehr zu ihrem Gesicht. Anders als der leicht reizbare CEO Ermotti lässt sich der Schwyzer durch nichts aus der Ruhe bringen. Auch wenn seine Uhr am Handgelenk so teuer ist wie eine Mittelklasse-Limousine, verströmt Ronner die Solidität eines lokalen Filialleiters, dem man ohne zu zögern die gesamten Ersparnisse anvertraut. Es ist kein Zufall, dass ihn die UBS am Freitag in die SRF-«Arena» schickte.
Kein anderes Schweizer Unternehmen bringt auch nur ansatzweise so viel Lobbying-Power auf die Waage. Doch anstatt die Debatte zu bestimmen, befindet sich die UBS in der Defensive. Was ist schiefgelaufen?
Kommunikationsprofis sehen den Sündenfall an der Generalversammlung vor einem Jahr. Nach der CS-Übernahme sah sich die UBS als Retterin der Nation und erwartete Dankbarkeit und vorbehaltlose Zustimmung zu ihren Plänen.
Als Erstes erhöhte sie die Löhne des CEO Ermotti und der Verwaltungsratsspitze. Gleichzeitig gab sie aggressive Ziele für Aktienrückkäufe und Dividenden vor. Forderungen nach dickeren Kapitalpuffern erteilte Kelleher eine Absage: «Zusätzliches Kapital ist das falsche Mittel», liess er die Schweiz an der GV im letzten Jahr wissen.
Mit Obstruktion könne man die öffentliche Debatte in der Schweiz nicht gewinnen, sagt ein PR-Profi. Die Bank verspielte die Gunst der Öffentlichkeit. In der Kapitalfrage hat sie heute alle wichtigen Player gegen sich.
Das Leck bei den Auslandtöchtern soll gestopft werden
Dabei geht es nicht um ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger, sondern um eine Grundsatzfrage: Wie viel Kapital muss das UBS-Stammhaus für ihre ausländischen Töchter in der Schweiz halten?
Die Frage treibt Behörden seit Jahren um und stand im Zentrum des CS-Debakels. Der damalige Finanzminister Ueli Maurer wies die Finma 2016 noch an, eine Lösung zu finden, die den Banken genehm ist. So steht es im PUK-Bericht. Die CS erhielt so eine zehnjährige Frist, um mehr Kapital aufzubauen. Hinzu kam ein regulatorischer Filter, der sie viel stabiler erscheinen liess, als sie es tatsächlich war. Das Resultat ist bekannt: In der Krise kollabierte das Konstrukt.
Nun wollen die Behörden das Leck ein für alle Mal stopfen: Der Discount bei den Auslandtöchtern soll gestrichen werden. Dafür müsste die UBS zusätzliches Kapital von 15 bis 25 Milliarden Franken aufbauen.
Das bisherige Maximalangebot der UBS liegt bei 5 Milliarden – bei noch mehr Eigenkapital würde sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Banken verlieren, so ihr Mantra. Die Behörden zeigen sich unbeeindruckt. Trotz allem Lobbying ist es der UBS bisher nicht gelungen, eine Bresche in die Phalanx von Finanzdepartement (EFD), Finma und Nationalbank zu schlagen. Das ist der Grund, dass sie nun auf die Frau und den Mann spielt.
Keine Gespräche? EFD kontert UBS-Vorwürfe
Keller-Sutter war die grosse Verbündete bei der CS-Übernahme. Sie und UBS-Präsident Kelleher galten als neues Dream-Team der Schweizer Finanzwelt. Ihr Beziehungsstatus heute: zerrüttet. Die Finanzministerin, so ist aus der Bank zu vernehmen, sei nicht erreichbar für den UBS-Präsidenten, und wenn sie sich dann doch mal zu einer Audienz herablasse, dann nur unter der Bedingung, dass nicht über das Kapital gesprochen werde.
Informationen des EFD zeigen ein anderes Bild: So fanden 2024 mehr als ein halbes Dutzend Gespräche zwischen Keller-Sutter und der UBS-Spitze statt. Seit Anfang Jahr sprach sie bereits zwei Mal mit Kelleher, am WEF in Davos unterhielt man sich während 45 Minuten. Im Zentrum standen weder das Wetter noch irischer Whiskey. Thema sei die Kapitalisierung der UBS gewesen, sagt das EFD.
Feindbild Nummer zwei ist Finma-Direktor Stefan Walter. Innerhalb eines Jahres hat es der Deutsche geschafft, zum roten Tuch für die Finanzbranche zu werden. Fällt der Name Walter, verlieren auch sonst besonnene Banker die Contenance. Dass Walter seine Rolle noch zu geniessen scheint und bei jeder Gelegenheit betont, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Banken sei nicht Teil seines Aufgabenhefts, lässt die Banker verzweifeln. An einen Finma-Chef, der ihnen den Tarif durchgibt, müssen sie sich erst noch gewöhnen.
Auch Wissenschafter müssen mit einer Abreibung rechnen
Je erfolgloser sich die UBS an den Behörden abarbeitet, umso mehr verstärkt sie ihr Lobbying auf anderen Kanälen. Die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters publizierten in den letzten Wochen fast täglich Geschichten, dass die Bank ins Ausland ziehen wolle, zum Übernahmekandidaten werde oder aber freiwillig mehr Kapital aufbaue.
Verschärft lobbyiert wird auch bei den Politikern. In den letzten Wochen vor der Publikation des PUK-Berichts im vergangenen Dezember hätten sich die Einladungen zu Veranstaltungen aus Bankenkreisen gehäuft, sagen mehrere Politiker. Damals ging es darum, die Gesetzesanpassungen zu formulieren, die eine Neuauflage des CS-Debakels verhindern sollten.
Auch Wissenschafter mit abweichenden Meinungen knöpft sich die UBS vor. Wer härtere Auflagen fordert, muss damit rechnen, als Populist abgekanzelt zu werden. «Es gibt zu viele schlecht informierte, populistische und Angst schürende Stimmen in den Medien, der Politik und der Wissenschaft, auch hier an dieser Universität», sagte Ermotti an einem Vortrag an der Universität Luzern.
Der Ökonom Adriel Jost sagte in einem Interview der «NZZ am Sonntag», dass Banken wie die UBS versteckte Subventionen vom Staat erhielten. Bei der Grossbank stiess das auf wenig Verständnis, wie sie Jost in der Folge klarmachte. «Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Da ist es als Experte umso wichtiger, sachlich zu bleiben», sagt der Ökonom.
Auch andere Wissenschafter zeigen sich irritiert. Eine derartige Lobbying-Kampagne habe sie in der Schweiz noch nie erlebt, sagt eine Person, die bereits das Geschacher im Nachgang zur Finanzkrise erlebte. Die Bank tue sich damit keinen Gefallen. Viele seien genervt über die Penetranz, mit der die Bank ihre Position durchzusetzen versuche.
Die UBS nahm zu den Vorwürfen nur summarisch Stellung. Als Grossunternehmen, drittgrösste private Arbeitgeberin des Landes und wesentliche Kreditgeberin der Schweizer Wirtschaft pflege man einen regelmässigen Austausch mit vielen Stakeholdern, auch mit der Politik, teilte die Bank mit. «Wir erachten es als essenziell, insbesondere bei Themen mit grosser Tragweite für UBS, den Finanzplatz und das Land unsere Position einzubringen und konstruktiv an der Debatte teilzunehmen», heisst es in der Stellungnahme.
Auch Politiker kritisieren die Vehemenz, mit der die Grossbank auftritt. «Es ist eine verkachelte Situation, weil die UBS ihre Vorschläge über die Medien kommuniziert», sagt der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann. So verhandle man nicht mit dem Bundesrat, den Konflikt in der Öffentlichkeit auszutragen, schwäche die Institutionen. Die Grossbank soll auf Keller-Sutter zugehen, fordert Salzmann.
Die Entscheidungsschlacht steht erst noch an
Der Kampf ums Kapital hat erst begonnen. Die UBS hat die erste Schlacht verloren, doch der Krieg ist längst nicht entschieden. Nächstes Jahr wird der Bundesrat eine Vorlage für das neue Bankengesetz präsentieren und in die Vernehmlassung schicken. Dann liegt der Ball beim Parlament.
Entscheidend wird sein, ob die UBS die FDP, die Partei von Karin Keller-Sutter, auf ihre Linie bringt. Die Lobbying-Aktivitäten der Bank zeigten bereits Wirkung, sagt ein bürgerlicher Politiker. Viele liessen sich beeindrucken von der Drohkulisse, die die Bank aufbaue. Auch ein früherer Top-Beamter erwartet, dass die Bank bei vielen Politikern auf offene Ohren stossen wird.
Ein Kompromissvorschlag liegt bereits vor. Der SVP-Politiker Thomas Matter will systemrelevanten Banken vorschreiben, das besonders riskante Investment-Banking auf 30 Prozent der Bilanzsumme zu beschränken. Für die UBS wäre die Umsetzung gratis – ihr heutiger Anteil liegt bei 25 Prozent.
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