Nach dem Unfalltod von Irans Präsidenten Ebrahim Raisi bewerben sich mehrere Dutzend Politiker um seine Nachfolge. Nur wenige haben eine Chance, zur Wahl zugelassen zu werden. Unter den Bewerbern ist auch ein alter Bekannter.
Gut drei Wochen vor der Präsidentenwahl in Iran haben mehr als achtzig Bewerber ihre Kandidatur registrieren lassen, unter ihnen auch vier Frauen. Nur eine Handvoll Kandidaten dürfte am Ende aber tatsächlich vom Wächterrat zur Wahl zugelassen werden. Im System der Islamischen Republik prüft das eng mit dem Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei verbundene Gremium die Eignung aller Kandidaten. Bei den letzten Wahlen hat der zwölfköpfige Rat die allermeisten Bewerber disqualifiziert – unter ihnen auch altgediente Politiker.
Bei den ersten Präsidentenwahlen nach der Revolution 1979 waren von den 124 Bewerbern noch 96 zugelassen worden. Seither hat sich die Zahl aber stark reduziert. Meist wurden 99 Prozent aller Bewerber im Vorfeld disqualifiziert. Nicht nur die Zahl der Kandidaten ist gesunken, auch das politische Spektrum hat sich verengt: So hat der Wächterrat bei den letzten Parlaments- und Präsidentenwahlen praktisch nur noch konservative Hardliner zur Wahl antreten lassen.
Es wird interessant sein zu sehen, welche Politiker dieses Mal zugelassen werden. Ob Khamenei das Spektrum wieder etwas öffnet, ist ungewiss. Einige Stimmen im Regime drängen ihn, den Wählerinnen und Wählern mehr Optionen auf dem Stimmzettel zu lassen. Bei den letzten Wahlen war der Grossteil der Stimmberechtigten den Urnen ferngeblieben, da es kaum echte Alternativen gab. Entsprechend tief war die Wahlbeteiligung, was der Legitimität der Gewählten geschadet hat.
Es bleibt nur wenig Zeit für den Wahlkampf
Notwendig geworden ist die Wahl, weil der bisherige Präsident Ebrahim Raisi am 19. Mai bei einem Helikopterabsturz im Nordosten Irans zu Tode gekommen war. Auch der Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian und andere Vertreter des Regimes kamen bei dem Unglück ums Leben. Gemäss der Verfassung wurde Raisis Vize Mohammed Mokhber zum Interimspräsidenten ernannt und mit der raschen Organisation von Neuwahlen beauftragt. Diese sollen bereits am 28. Juni stattfinden. Für Wahlkampf bleibt da nur noch wenig Zeit.
Anders als von vielen erwartet tritt Mokhber nicht zur Wahl an. Dafür haben diverse Veteranen der iranischen Politik ihre Kandidatur verkündet. Unter ihnen sind der frühere General Mohammed Bagher Ghalibaf, der kürzlich als Parlamentspräsident wiedergewählt worden ist, sein langjähriger Vorgänger in diesem Amt, Ali Larijani, und der frühere Atomunterhändler Said Jalili. Er ist ein Hardliner, während Ghalibaf und Larijani als moderate Konservative gelten.
Ebenfalls ihren Hut in den Ring geworfen haben der frühere Vizepräsident Eshaq Jahangiri und der ehemalige Zentralbankchef Abdolnasser Hemmati, die beide zu den Reformern gezählt werden. Auch der ehemalige Justizminister Mostafa Pour-Mohammadi will antreten. Er ist ein Hardliner und einer der wenigen Geistlichen unter den Kandidaten. Ebenso wie Raisi war er als Mitglied des «Todeskomitees» im Sommer 1988 an der Hinrichtung Tausender politischer Gefangener im Teheraner Evin-Gefängnis beteiligt.
Die meisten Wähler haben sich längst vom Regime abgewandt
Für Aufsehen sorgte die Bewerbung von Mahmud Ahmadinejad. Als Präsident von 2005 bis 2013 war er für seine Angriffe auf Israel und die Leugnung des Holocaust berüchtigt. Seine Wiederwahl 2009, die in Iran weithin als gefälscht betrachtet wurde, sorgte für riesige Proteste, die erst nach Monaten blutig niedergeschlagen wurden. Er galt zunächst als Vertrauter von Khamenei, überwarf sich aber in seiner zweiten Amtszeit mit ihm und fiel in Ungnade. Es ist daher fraglich, ob der Wächterrat seine Kandidatur zulassen wird.
Mehrere der prominentesten Kandidaten sind schon öfter zu Präsidentschaftswahlen angetreten. Ob ihnen die Kandidatur dieses Mal erlaubt wird, ist offen. Pour-Mohammadi etwa durfte im Januar nicht zur Wahl des Expertenrats antreten – eines Gremiums, das den nächsten Revolutionsführer wählt. Larijani, Jahangiri und Ahmadinejad – alles langjährige Angehörige der Elite – wurden von der Präsidentenwahl 2021 ausgeschlossen, womit Raisi der Weg zum Sieg geebnet wurde.
Es wäre auch eine Überraschung, sollte der Wächterrat eine der Frauen, die sich bewerben, zur Wahl zulassen. Obwohl das Gesetz Frauen eine Kandidatur nicht explizit verbietet, wurden bisher alle Bewerberinnen disqualifiziert. Der Wächterrat hat nun bis kommenden Dienstag Zeit, die Bewerber zu prüfen. Ob der Wahlkampf die Wähler mobilisieren kann, wird von den Kandidaten abhängen. Der Grossteil der Bevölkerung hat sich aber längst vom Regime abgewandt und die Hoffnung aufgegeben, dass Wahlen zum Wandel des Systems führen.