Seit Jahrzehnten lassen sich Designerinnen und Designer von der Welt des Essens inspirieren. Diese Motive suggerieren Fülle und Sinnlichkeit. Und haben gerade heute das Potenzial, viral zu gehen.
Wer auf der Mailänder Modewoche von Show zu Show rast, kommt selten zum Essen. Umso mehr freut man sich auf den Teller Pasta am Abend. So gesehen lieferte die Marke Moschino immerhin eine Art visuelle Vorspeise, als sie auf ihrer Show während der Fashion Week im vergangenen Februar ein Model mit einer Pasta-Clutch über den Laufsteg schickte.
Von der Tasche hingen Spaghetti-ähnliche Fransen in Nudelgelb herab, darunter lugten kleine Tomaten und Basilikumblätter hervor. Das Accessoire stand nicht als einziges unter dem Food-Thema. Der Chefdesigner Adrian Appiolaza hatte seinen Models auch Keksverpackungen mitgegeben, eine Weinflasche und Schmuck in Nudelform.
Liebeserklärung an Süsses und Wein in der Herbst-/Winterkollektion 2025/26 des italienischen Labels Moschino.
Das steht ganz in der Tradition der Marke Moschino, schliesslich schickte schon der Gründer Franco Moschino 1994 das Model Pat Cleveland mit ein paar Stangen Baguettes über den Laufsteg, und 2014 sorgte der Chefdesigner Jeremy Scott mit einer McDonald’s-Kooperation für Aufsehen.
Motive aus der Food-Welt sind in der Mode schon seit vielen Jahrzehnten und bei vielen verschiedenen Marken beliebt. Schon 1939 entwarf beispielsweise die Couturière Elsa Schiaparelli einen Hut mit einer kunstvollen Komposition aus Heidelbeeren, Brombeeren und Weintrauben. In den 1960er Jahren lancierte der Fertigsuppenhersteller Campbell’s Food Company ein Kleid mit einem Muster aus Logos seiner beliebten Suppen. In den 1980er Jahren verkaufte auch Fendi Ketten mit nudelförmigen Anhängern.
Entwürfe der vergangenen Jahre reichen von Kleidern mit Kirschenprint bei Carolina Herrera, Zitrusfrüchten bei Stella McCartney, bis zu Glace-Prints bei Gucci. Auch auf dem roten Teppich nutzen Celebritys das Thema, um auf sich aufmerksam zu machen. Bei der Met-Gala im Jahr 2019 erschien Katy Perry in einem Kleid in Form eines Hamburgers. Und erst im vergangenen Januar trug die Schauspielerin Emma Stone bei der Jubiläumsparty der amerikanischen Comedy-Show «Saturday Night Live» eine Robe von Louis Vuitton, deren Hüfttaschen wie Popcorn-Tüten aussahen.
Die Liebesgeschichte zwischen Mode und der Farb- und Formenwelt des Essens ist so reichhaltig, dass das Museum des Fashion Institute of Technology dem Thema im Jahr 2023 sogar eine Ausstellung widmete. Doch warum greifen Designer so gerne zu Tomaten, Nudeln oder Eis – und eben nicht in der Küche, sondern im Atelier?
Food-Fashion spricht alle an
Da wären zum einen ästhetische Gründe: Ein praller Apfel, eine reife Erdbeere, eine schimmernde Auster oder ein Teller Nudeln sehen einfach gut und, nun ja, appetitanregend aus. Sie suggerieren Frische, Überfluss, Genuss, Sinnlichkeit – alles Dinge, die positive Assoziationen wecken.
Zudem wird Essen von allen Kulturen, allen Geschlechtern oder Altersgruppen verstanden. Niemandem muss man eine Kirsche erklären, jeder hat einen Bezug zu einem Stück Brot. So spricht man mit einem Look schnell viele Menschen an und verführt sie vielleicht zum Kauf. Der Flirt mit Food steht auch für eine Annäherung des Luxus an bodenständigere Dinge, was für Aufsehen sorgt. So wie die Supermarkt-Modenschau von Chanel, die das Label im Jahr 2014 veranstaltete und deren Bilder um die Welt gingen.
Chanel baute unter dem damaligen Chefdesigner Karl Lagerfeld ein riesiges Supermarkt-Set als Kulisse für die Herbst-/Winterkollektion 2014/15 auf.
In Zeiten der Social-Media-Dominanz sind knallige Food-Motive zudem Garanten dafür, dass über einen Look gesprochen wird und die Bilder geteilt werden. Das kann sogar funktionieren, bevor überhaupt ein Entwurf existiert. So postete im vergangenen Sommer ein User der Plattform X ein Foto einer riesigen gerippten Ochsenherz-Tomate mit dem Kommentar, diese erinnere ihn an die Marke Loewe.
This tomato is so Loewe I can’t explain it https://t.co/0zS7HjHxGv
— CONNOR (@homocowboi) June 3, 2024
Dieser Post wurde vielfach geteilt, und der damalige Chefdesigner Jonathan Anderson, der inzwischen seinen Rücktritt bekanntgegeben hat, reagierte schnell. Er liess sein Team eine Clutch in Form von ebenjener Tomate anfertigen. Diese ging, natürlich, ebenso viral wie der ursprüngliche Post.
Gegenwärtig hat das Label übrigens Handtaschen im Programm, die an eine Erdbeere und eine Ananas erinnern. Das ist ein weiterer Vorteil daran, Food als Inspiration zu nehmen: An manchen köstlichen Dingen wird man sich nie sattsehen.