Der NZZ-Liveticker zu dem Wochenende, an dem die Welt auf die Schweiz schaut.
Das Wichtigste in Kürze:
- Auf dem Bürgenstock treffen sich am Samstag und Sonntag 100 internationale Delegationen, darunter die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz oder der französische Präsident Emmanuel Macron.
- Einst als Friedensgipfel angekündigt, wird die Ukraine-Konferenz nun «Konferenz zum Frieden» genannt. Einen Friedensvertrag wird es nicht geben. Russland ist nicht eingeladen. Ist das ein Mangel oder sogar ein Vorteil? Der NZZ-Kommentar.
- Die wichtigsten Fragen und Antworten im Vorfeld lesen Sie hier: Die Bürgenstock-Konferenz: Chance oder Farce?
11.34 Uhr: Kamala Harris ist gelandet – andere Staatschefs verspäten sich
Kurz nach elf Uhr sind zwei Regierungsmaschinen der Vereinigten Staaten von Amerika gelandet, in einem der beiden Boeings sass die Vizepräsidentin Kamala Harris, die ihren Präsidenten Joe Biden auf dem Bürgenstock vertritt. Sie wird damit pünktlich zum Beginn der Konferenz vor Ort sein.
Andere Regierungschefs kommen später an – laut Flugzeugradar teilweise erst nach der Pressekonferenz von Wolodimir Selenski und Viola Amherd, die um 13.30 Uhr stattfindet. So ist das Flugzeug von Justin Trudeau, dem kanadischen Premierminister, laut Flightradar24 um 15.22 Uhr in Zürich-Kloten angekündigt. Rishi Sunak, sein Amtskollege in England, ist für 15.56 Uhr angekündigt. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron soll um 16.43 Uhr landen. Zyperns Staatspräsident Nikos Christodoulides ist sogar erst für 20.00 Uhr angekündigt. Die Landezeiten können aber noch ändern.
Nach der Landung von Kamala Harris steigt derweil der Pulsschlag der Polizisten, Soldaten und privaten Sicherheitskräfte am Checkpoint Obbürgen zum ersten Mal. Angeführt von einem Polizeiwagen mit blickenden Lichtern, nähert sich eine Delegation mit schweren amerikanischen SUV. Die Wimpel an den beiden ersten Autos zeigen an: Es handelt sich um einen Teil der US-Delegation. Wer an Bord ist, lässt sich nicht feststellen. Um Kamala Harris handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit nicht.
11.09 Uhr: Der Bürgenstock – ein Werk von Parkettfabrikanten
Dass der Bürgenstock einst einmal die internationale Weltpolitik beherbergen würde, konnten seine Gründer nicht erahnen: Franz Josef Bucher, Sohn eines reichen Bauern, und Josef Durrer, Sohn eines Schreiners, kamen im 19. Jahrhundert mit der ersten Parkettfabrik der Schweiz zu Geld. So kauften sie 1871 die 600 000 Quadratmeter grosse Alp Tritt, die als fast wertlos eingestuft war, und bauten darauf ein Grand-Hotel: den Bürgenstock.
Lesen Sie hier die wechselhafte Geschichte dieses Hotelbergs, die gezeichnet ist von Prominenten und Pioniertaten, von Trennungen und von einem tragischen Tod.
10.53 Uhr: In Nidwalden läuten acht Minuten lang alle Kirchenglocken
Obbürgen ist an diesem Wochenende das Nadelöhr, durch das praktisch alle Konferenzteilnehmer müssen, die nicht mit dem Helikopter eingeflogen werden. Die Mitglieder der Delegationen, die Medienschaffenden und die Hotelangestellten werden einer letzten Kontrolle unterzogen, bevor es zur Hotelanlage hoch geht. Der Weiler gleicht denn auch einem kleinen Heerlager. Überall patrouillieren Armeeangehörige und Polizisten. Die Einwohner lassen sich von dem Wirbel nicht beeindrucken.
So führt Jan Strancich, der Pfarrer von Stansstad, in der kleinen Kirche an diesem Morgen eine Andacht durch, wenige hundert Meter vom Checkpoint entfernt. «Ich finde es gut, dass wir für den Frieden beten», sagt ein Obbürger, der aus der Kirche kommt. Ob es helfe, den Krieg zu beenden, wisse er nicht. «Doch es ist sicher gut, wenn möglichst viele sich für den Frieden einsetzen.» Auch die Landeskirchen wollen ihren Teil beitragen. So läuten am Sonntag um 11 Uhr im Kanton Nidwalden alle Kirchenglocken während acht Minuten.
10.35 Uhr: Bundespräsidentin Amherd führt bereits erste Gespräche
Noch ist die Konferenz nicht offiziell gestartet, aber Bundespräsidentin Viola Amherd und Bundesrat Ignazio Cassis sind bereits seit Freitag auf dem Bürgenstock – angeflogen per Helikopter. Auf einem Rundgang habe sie feststellen können, «dass alle Vorbereitungen nach Plan verlaufen und auch die Sicherheitsmassnahmen gut eingerichtet sind», sagt Viola Amherd in einem Video auf der Plattform X. Cassis und sie inspizierten auch schon den Ort, an dem schliesslich das sogenannte «Familienfoto» aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemacht werden soll. Auf X berichtet Amherd auch von einem ersten Gespräch, das sie mit Vjosa Osmani, der Präsidentin von Kosovo, auf dem Bürgenstock geführt habe.
100 delegations will attend the #UAPeaceSummit. The aim of the summit is to initiate a peace process, generate trust and outline ideas for the next steps towards such a process. The Bürgenstock is an ideal venue for constructive and sustainable dialogue.@ignaziocassis pic.twitter.com/51o5cCNJT0
— Viola Amherd (@Violapamherd) June 14, 2024
10.10 Uhr: Wie ist die Stimmung vor Ort? Anwohner bezeichnet Konferenz als «vollkommen überflüssig»
Wenig deutet in Stansstad darauf hin, dass auf dem Gebiet der Gemeinde in wenigen Stunden Weltpolitik gemacht wird. Zwar patrouillieren Polizeifahrzeuge aus verschiedenen Kantonen durch den Ort und auch einige Soldaten stehen an den Strassenkreuzungen. Doch würde nicht ein Anwohner seinen Frust über «diese vollkommen überflüssige Friedenskonferenz» an der Postautofahrerin auslassen, würde man nicht wissen, was hier los ist. Erstaunlich schnell ist dann auch der erste Checkpoint auf dem Weg zum Bürgenstock passiert. «Jusqu’où allez-vous?», fragt ein Beamter der Genfer Kantonspolizei die wenigen Passagiere. Die Antwort «Obbürgen» genügt, und ohne Ausweiskontrolle geht es zum letzten Checkpoint vor dem Sperrgebiet.
9.58 Uhr: Laut Flugzeugradar kommt Kamala Harris bald in Zürich an – so wird sie in der Schweiz beschützt
Laut Flightradar24 kommt die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris kurz nach 11 Uhr mit einer regierungseigenen Boeing 757 in Zürich an. Ihr Startpunkt war die Joint Air Base Andrews, der Regierungsflughafen von Washington.
Harris wird die wohl bestgeschützte Person auf dem Bürgenstock sein. Jeder ihrer Schritte überwacht der Secret Service mit seinen Agenten. Nach ihrer Landung in Zürich fliegt Harris bei gutem Wetter mit einem Regierungshelikopter auf den Bürgenstock. Bei schlechtem Wetter wartet ein eigens eingeflogener Autokonvoi auf sie – dann müssten Autobahnen und weitere Zufahrtsstrassen abgesperrt werden. Sicher ist sicher. Bereits am Freitag ist ein Flugzeug der amerikanischen Regierung gelandet, Agenten des Secret Service dürften das Gelände rund um den Bürgenstock bereits inspiziert und potenzielle Fluchtwege eruiert haben. In den Tamedia-Zeitungen erklärte ein Secret-Service-Experte, im Tross von Kamala Harris würden immer auch die Nuklearcodes mitgeführt, mit denen sie im Notfall das Atomwaffenarsenal steuern könnte.
9.45 Uhr: Hochsicherheitszone Bürgenstock – sogar die Webcams sind ausser Betrieb
Der Innerschweizer Hotelberg ist seit Donnerstagmittag ein mit Zäunen und Stacheldraht geschütztes Hochsicherheitsgebiet. Bis zu 4000 Angehörige der Armee sind im Einsatz. Kantonspolizeien von Zürich bis zum WEF-erfahrenen Bündner Korps sind aufgeboten. In der Nidwaldner Kantonspolizei, die den Einsatz leitet, gibt es eine Feriensperre. Der Bürgenstock wird durch Checkpoints geschützt, an denen «jedes Fahrzeug komplett durchsucht wird», wie Einsatzleiter Stephan Grieder sagt. «Mit Sensoren, mit Hunden, mit allem, was wir haben.» An alles musste gedacht werden: Um Spionage zu verhindern, sind selbst die Webcams des Hotels seit einigen Tagen ausser Betrieb.
9.35 Uhr: Selenski ist schon da – wer kommt noch? Eine Übersicht zum Teilnehmerfeld
Genau hundert internationale Delegationen kommen auf den Bürgenstock. Mehr als die Hälfte der Länder schicken ihre Staats- oder Regierungschefs. Andere Länder, wie etwa Indien (bei dem eine Teilnahme unsicher war), schicken einen Minister.
Der grösste Teil der angemeldeten Delegationen stammt aus Europa, darunter sind Olaf Scholz (Deutschland), Emmanuel Macron (Frankreich), Giorgia Meloni (Italien) oder Rishi Sunak (England). Sie kommen, wie etwa auch der argentinische Präsident Javier Milei, direkt vom G-7-Gipfel in Italien. Joe Biden, der amerikanische Präsident, der ebenfalls in Italien war, flog für eine Wahlkampfveranstaltung zurück nach Amerika. Er wird von Vizepräsidentin Kamala Harris vertreten.
9.10 Uhr: Die Bürgenstock-Berichterstattung beginnt
Herzlich willkommen zum NZZ-Liveticker über die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock!
Hier informieren wir Sie an diesem Wochenende über die Ankunft der amerikanischen Vizepräsidentin Kamala Harris, des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz und weiteren hochrangigen internationalen Delegationen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ist bereits am Freitagabend in Zürich gelandet und per Helikopter auf den Bürgenstock gebracht worden. Unsere Reporterinnen und Reporter vor Ort berichten über die Geschehnisse und Pressekonferenzen auf dem Bürgenstock und aus dem Kanton Nidwalden.
An der Konferenz werden Ansätze zu einem Frieden für den russischen Krieg in der Ukraine gesucht. Einen Friedensvertrag wird es nicht geben. Russland ist nicht eingeladen und China, sein wichtigster Verbündeter, nimmt nicht teil.
Das Programm für den heutigen Tag gestaltet sich laut Eidgenössischem Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wie folgt:
- 12 Uhr: Ankunft der Delegationen
- 13 Uhr 30: Presseerklärungen von Bundespräsidentin Amherd und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski
- 16 Uhr 30 Offizielle Willkommenszeremonie
- 17 Uhr 30: Eröffnungsstatements
- 19 Uhr: Familienfoto (offizieller Begriff)
Am Sonntag gibt es thematische Sitzungen zu Lebensmittelsicherheit, nuklearer Sicherheit und humanitären Aspekten, bevor 14.30 Uhr schliesslich eine Abschlusskonferenz und später Pressekonferenzen von Wolodimir Selenski sowie von Bundespräsidentin Viola Amherd und Bundesrat Ignazio Cassis folgen. Das Ziel ist eine gemeinsame Abschlusserklärung, der alle Konferenzteilnehmer zustimmen können. Ob es so weit kommt, ist unklar.
Mitarbeit: Georg Häsler, Julia Monn, Erich Aschwanden, Forrest Rogers, Samuel Tanner.