Trotz Baurezession entwickelt sich der Sanitärtechnikkonzern prächtig und gewinnt Marktanteile. Weil er keine Akquisitionen tätig, fliesst der gesamte freie Cashflow an die Aktionäre. Geberit-Aktien bleiben ein Kauf.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Die Aktien des Sanitärtechnikkonzerns Geberit sind etwas vom Besten, was die Schweizer Börse zu bieten hat. Vor allem, wie stark sich das Management für die Bedürfnisse der Aktionäre einsetzt, ohne jedoch die Substanz des Unternehmens zu beeinträchtigen, imponiert mir.
Deshalb bringen mich die heutigen Kurseinbussen nicht aus der Ruhe. Vielmehr erachte ich sie als Gelegenheit für Investoren, sich etwas günstiger an diesem Qualitätswert zu beteiligen.
Die Eckzahlen für 2023 hatte das Unternehmen schon im Januar publiziert. Die detaillierten Werte fielen etwas unter den Schätzungen der Analysten aus, was die heutigen Kursabgaben erklärt.
Umfeld bleibt herausfordernd
Im Berichtsjahr waren die Rahmenbedingungen für Geberit herausfordernd und werden es auch dieses Jahr bleiben. Höhere Zinsen und steigende Rohmaterialpreise haben die Baukosten verteuert und die Nachfrage gedämpft. Vor allem der Neubau steckt in einer Rezession, deren Ende noch nicht absehbar ist. Weil diese Situation in Geberits Hauptmarkt Deutschland (Umsatzanteil 2023: 29%) am ausgeprägtesten ist, betrifft dies das Unternehmen besonders stark. 2023 lag dort der Umsatz 13,4% unter Vorjahr (–10,5% in Lokalwährung).
Es sei eines der schwierigsten Geschäftsjahre überhaupt gewesen, erklärte Konzernchef Christian Buhl an der Medien- und Analystenkonferenz. Das muss jedoch nicht schlecht sein – im Gegenteil. Denn in solchen Phasen würden sie in der Regel am meisten Marktanteile gewinnen, ergänzte er. Weil das Unternehmen rund 60% seiner Einnahmen im Renovationsgeschäft erwirtschaftet, kann es der Neubauflaute etwas, wenn auch nicht ganz entkommen.
Nachdem der Umsatz 2023 um über 9% (-4,8% in Lokalwährung) gesunken ist, kann deshalb wohl auch für das laufende Jahr kaum mit einem Wachstum gerechnet werden. Die Einnahmen im Januar und Februar seien leicht geringer als im Vorjahr gewesen, sagte der Konzernchef. Der Rückgang sei jedoch weniger ausgeprägt gewesen, als im Geschäftsjahr 2023 (–4,8%).
Wo sich die Rentabilität in diesem Jahr einpendeln wird, sagt Geberit zu Jahresbeginn wie üblich noch nicht. Mit einer Visibilität von zwei Wochen sei dies nicht möglich, heisst es. Die erneut etwas rückläufigen Rohwarenpreise dürften für etwas Rückenwind sorgen. Andererseits steigen die Löhne. Budgetiert sei eine Lohnteuerung von 5% bis 6% in 2024, meinte der Finanzchef. Schon im vergangenen Jahr sind die Personalkosten gestiegen, obwohl rund 5% der Stellen (meist temporäre) abgebaut wurden, um auf das rückläufige Volumen zu reagieren.
Die robuste Rentabilität (die Ebitda-Marge verbesserte sich von 26,8% auf 29,9%) in einem schwierigen Umfeld ist das Resultat der flexiblen Anpassung der Produktionskapazitäten. Die Produktivität nahm 2023 lediglich um 3% ab. In den vergangenen zehn Jahren betrug die durchschnittliche Zunahme pro Jahr 2,8%.
Die herausragende Gewinnsituation hat das Management nicht dazu verleitet, sich nicht um weitere interne Verbesserungen zu bemühen. Sowohl beim Marketing als auch bei der Forschung- und Entwicklung wird haushälterisch mit den Mitteln umgegangen.
Deshalb stehen ausreichend Mittel für den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten zur Verfügung. Wie im Vorjahr sollen auch dieses Jahr rund 200 Mio. Fr. dafür ausgegeben werden. Beim nächsten konjunkturellen Aufschwung stehen die Kapazitäten dann bereit und stärken Geberits Marktposition.
Alles für den Aktionär
Der freie Cashflow fliesst an die Aktionäre in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen. Seit 2019 kumulierte sich der freie Cashflow auf 3,4 Mrd. Fr., davon gingen 3,2 Mrd. Fr. an die Aktionäre.
Für 2023 sollen sie in den Genuss einer leicht höheren Dividende von 12.70 Fr./Aktie kommen. Damit befindet sich die Ausschüttungsquote am oberen Ende der angepeilten Bandbreite von 50-70%.
Das Mitte 2022 begonnene Aktienrückkaufprogramm über maximal 650 Mio. Fr. läuft diesen Sommer aus. Bis Ende 2023 wurden Aktien im Wert von 524 Mio. Fr. zurückgekauft. Die Aussichten stehen gut, dass es von einem neuen Programm abgelöst wird.
Wie stark das Unternehmen für seine Aktionäre arbeitet, zeigt sich auch in der beeindruckend starken Kapitalrendite, die es Jahr für Jahr erzielt. Mit 23,6% fiel sie 2023 zwar etwas geringer als im Vorjahr aus, blieb aber auf einem sehr hohen Niveau. Nicht zuletzt ist das auch der sehr zurückhaltenden Akquisitionstätigkeit des Unternehmens zu verdanken. Als Geberit in 2014 den finnischen Keramikhersteller Sanitec kaufte, tauchte die Kapitalrendite deutlich.
Qualität kostet
Die bekannten Qualitätsfaktoren von Geberit haben zu Recht eine überdurchschnittlich hohe Bewertung verdient. Im Mehrjahresvergleich scheint sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) lediglich normalisiert zu haben. Seit Herbst 2022 ist es jedoch wieder deutlich von 20 in Richtung 30 gestiegen. Billig sind die Valoren nicht mehr.
Die heutige Marktreaktion unterstreicht, dass es bei einer solchen Flughöhe wenig braucht, damit der Kurs kurzfristig korrigiert. Langfristig in Geberit engagierte Investoren sollte das aber nicht aus der Ruhe bringen.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Giorgio Müller