Trotz bedrohter Weltwirtschaft werfen Saudiarabien und andere Länder mehr Öl auf den Markt. Der Preis gerät dauerhaft unter Druck. Den Importeuren darf es recht sein.
Zur Abwechslung gibt es jetzt auch einen Handelskrieg, über den sich Europa freuen kann. Im Schatten von Donald Trump, der mit seinen Zöllen die Weltwirtschaft aus der Bahn wirft, haben am Erdölmarkt einige Förderländer zum Angriff geblasen: Saudiarabien und sieben weitere Produzenten wollen mehr Rohöl aus der Erde holen als noch vor kurzem geplant.
Für die Kunden weltweit ist günstiges Öl eine gute Nachricht in einer Zeit, in der die Furcht vor einer Rezession umgeht. Doch mehr Öl im Angebot ist das Gegenteil von dem, was zu erwarten war. Eher hätte man unterstellen können, dass die Förderländer ihr Angebot verknappen, wenn die Nachfrage leidet.
Mehr Öl, als die Welt gebraucht
Geschehen ist das Gegenteil – mit Folgen: Um rund 10 Dollar je Fass ist der Preis für ein Fass Rohöl der Sorte Brent seit Anfang April abgestürzt. Neu kostet das Schmiermittel der Weltwirtschaft rund 65 Dollar, so wenig wie zuletzt vor vier Jahren. Das absehbare Überangebot drückt auf den Preis. Selbst amerikanische Aktien haben sich besser von dem Trump-Chaos erholt.
Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) hat am Montag ihre Prognose für das Wachstum der globalen Erdölnachfrage im laufenden Jahr um 10 Prozent gesenkt. So schnell kann es gehen: Noch Anfang April ignorierten Saudiarabien und sieben weitere Länder die Realität, als sie von einer anhaltend gesunden Marktlage und einem positiven Ausblick sprachen. Da sorgten bereits Trumps «reziproke» Zölle für Chaos an den Börsen.
Mit den euphemistischen Worten begründeten die Länder, warum sie ab Mai mehr Öl auf den Markt werfen wollen. Doch ihnen geht es nicht um rationale Erklärungen. Vielmehr schmeicheln sie sich mit einem anhaltend niedrigen Ölpreis bei dem US-Präsidenten ein. Zwar behindert günstiges Öl Trumps Plan, die amerikanische Ölproduktion zu steigern. Die Schieferöl-Unternehmen in den USA brauchen einen hohen Preis, um rentabel zu investieren. Aber das ist erst ein mittelfristiges Problem.
Ein Kartell bekämpft seine Abweichler
Kurzfristig mindert günstiges Öl den Teuerungsdruck, der den Amerikanern durch Trumps Zölle droht. Und es macht es für Washington leichter, härtere Sanktionen gegen das Förderland Iran zu verhängen, ohne den Markt zu verunsichern.
Der Wunsch, Trump zu gefallen, spielte bereits Anfang März eine grosse Rolle: Da entschlossen sich die Opec und einige Verbündete wie Russland, eine jahrelange Produktionskürzung schrittweise zurückzunehmen.
Dass manche Länder auf Druck Saudiarabiens jetzt noch schneller vorwärts machen, hat auch interne Gründe: Seit 2022 reglementiert das Opec-Bündnis genau, wie viel seine Mitglieder und seine Verbündete produzieren dürfen. Doch manche von ihnen wichen immer wieder von den erlaubten Mengen ab. Dazu zählen Irak und Kasachstan. Sie sollen jetzt wieder auf Linie gebracht werden, vermuten Experten.
Mit dem niedrigen Preis startet Saudiarabien auch einen Versuch, Marktanteile zurückzuerobern. Erinnerungen werden wach: An das Jahr 2020, als Riad mit Russland um Marktanteile rang. Und an die Abwehrversuche der Opec gegen die Schieferöl-Unternehmen aus den USA vor rund einer Dekade.
Funktioniert hat das nicht: Inzwischen sind die USA der weltgrösste Ölförderer. Der Anteil der Opec und ihrer Verbündeten am Rohölmarkt ist seit Mitte 2022 im Sinkflug und von über 50 auf noch 46 Prozent gefallen. Angriff ist die beste Verteidigung, mag man sich jetzt in der Wüste denken.
Moskaus Rechnung geht nicht mehr auf
Der tiefere Ölpreis schadet den Staatshaushalten der Förderländer, selbst im Fall Saudiarabiens. Je länger, desto mehr leiden auch die Einnahmequellen Russlands und seiner Militärmaschinerie im Kampf gegen die Ukraine. Moskau hat den Staatshaushalt für 2025 mit knapp 70 Dollar je Fass kalkuliert.
Europäische Importeure und Konsumenten dürfen entspannt zusehen, wenn die Opec und ihre Verbündeten untereinander streiten. Was für eine Wohltat, einmal der lachende Dritte zu sein.