Der Nationalrat tut so, als hätten fremde Mächte unser Wirtschaftsmodell unterwandert. Dabei ist es die von ihm geforderte neue Investitionskontrolle, die das liberale Erfolgsmodell Schweiz schwächt.
Selten kommt es vor, dass sich der Bundesrat kategorisch gegen einen Machtzuwachs seiner Verwaltung wehrt. Doch beim Investitionsprüfgesetz ist genau dies der Fall. Nach reiflicher Prüfung und Analyse vergleichbarer Regelungen im Ausland ist der Bundesrat zu dem Schluss gekommen, dass die Schaffung einer staatlichen Investitionskontrollbehörde der Schweiz keinen Zusatznutzen bringt.
Dafür kostet sie, braucht in der vom Nationalrat geforderten Version sieben bis zehn neue Beamte, schafft Unsicherheit, höhlt die Rechte der Eigentümer aus und bremst so für den Wirtschaftsstandort positive Investitionen. Zudem erhöht sie die Wahrscheinlichkeit, dass schweizerische Firmen im Ausland ebenfalls weniger willkommen geheissen werden.
Doch eine grosse Mehrheit des Nationalrats sah das diese Woche anders. Sie zeichnete das Bild einer von allerlei ausländischen Investoren bedrohten Schweiz und verschärfte die vom Bundesrat mit Widerwillen vorgeschlagene Schaffung einer Investitionskontrolle erheblich. Neu sollen nicht nur staatliche, sondern auch private ausländische Übernahmen von Schweizer Firmen staatlich überprüft und eingeschränkt werden. Und dies nicht nur bei Investitionen in sogenannt systemrelevante Unternehmen, sondern auch überall, wo «essenzielle Güter und Dienstleistungen» betroffen sind, was einen breiten Interpretationsspielraum lässt.
Von untergrabener Sicherheit keine Spur
Bis anhin kennt die Schweiz keine staatliche Investitionskontrolle und ist damit – anders als von den vielen Heimatschützern im Nationalrat behauptet – nicht schlecht gefahren. Schweizer Firmen halten Direktinvestitionen im Ausland im Wert von über 1300 Milliarden Franken, und ausländische Unternehmen haben hierzulande über 1055 Milliarden Franken investiert. Auch fast alle grossen schweizerischen Konzerne haben mehrheitlich ausländische Aktionäre. Der stark international geprägte Charakter der Schweizer Wirtschaft ist zentral für ihren Erfolg.
Sicherheitsrelevante kritische Infrastruktur im Energie- und Verkehrssektor, bei der Rüstung und den Banken hingegen ist in der Schweiz sowieso schon in der Hand von staatlich beherrschten oder stark staatlich regulierten Unternehmen. Dafür braucht es keine neue Investitionskontrolle.
Ihre Befürworter halten dem entgegen, dass Unternehmen aus Ländern wie China oder Russland unsere liberale Marktwirtschaft gefährdeten, indem sie aus strategischen Motiven Schweizer Firmen zu überhöhten Preisen übernähmen. Doch in der Praxis ist eine solche Gefährdung nirgends auszumachen. Der an chinesische Investoren verkaufte Agrochemiekonzern Syngenta profitiert von seinem Marktzugang zu China und beschäftigt in der Basler Zentrale weiterhin Spitzenleute. Wie seine Zukunft ohne die Chinesen ausgesehen hätte, ist ungewiss. Und ob der OC-Oerlikon-Konzern noch existieren würde, hätte der russische Industrielle Victor Vekselberg nicht seine Beteiligung mehrfach ausgebaut, ist höchst fraglich.
Tatsächlich kamen chinesische Investoren in der Schweiz öfters bei Firmen zum Zuge, die niemand anderes mehr wollte (wie etwa der einstige Lastwagen- und heutige Textilmaschinenhersteller Saurer). Verschiedentlich haben sie sich mangels Erfolg auch wieder zurückgezogen (wie etwa bei der Maschinenfabrik Netstal oder dem Caterer Gategroup).
Mehr Vertrauen tut not
Ein anderes oft genanntes Argument lautet, dass die Schweiz liberalen Marktzugang nur noch Firmen aus Staaten gewähren sollte, die ihrerseits Schweizer Unternehmen reziproken Zugang gewähren. Doch wenn sie das täte, müsste sich die Schweiz weg vom liberalen Erfolgsmodell rasch dem indischen oder chinesischen Protektionismus einer Mehrheit dieser Welt annähern. Mehr Vertrauen in die Überlegenheit des eigenen Modells wäre angebracht.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Mit seinem Investitionsprüfgesetz betreibt das Parlament reine Symbolpolitik. Es ist ein Lehrstück, wie leichtfertig und unnötig Politiker immer wieder den Fussabdruck des Staates und der Bürokratie vergrössern und damit dem Standort schaden, bloss weil sie dies gerade für populär halten. Bleibt die Hoffnung auf einen verantwortungsbewusster agierenden Ständerat.