Die Uno-Generalversammlung hat die Einführung eines Gedenktages für die Opfer von Srebrenica beschlossen. Serbien ist gegen die Vorlage Sturm gelaufen. Die hohe Zahl an Enthaltungen ist für Belgrad ein Erfolg.
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hat in den vergangenen Tagen alle Register der nationalistischen Stimmungsmache gezogen. Anlass war die anstehende Abstimmung der Uno-Generalversammlung über die Schaffung eines internationalen Gedenktages zum Völkermord von Srebrenica.
Eine Kampagne wiederholte seit Wochen auf Plakaten und in Kurzfilmen die immergleiche Botschaft: «Wir sind kein genozidäres Volk.» Seine Abreise nach New York liess Vucic vom serbisch-orthodoxen Patriarchen segnen. Für die Abstimmung am Donnerstag legte sich der Präsident im Uno-Plenarsaal theatralisch eine serbische Flagge um die Schultern. Die Regierungsmitglieder verfolgten das Ereignis am Bildschirm in Belgrad, ebenfalls in eine Trikolore gehüllt. Im Land läuteten die Kirchenglocken.
Eindeutig ein Völkermord
Belgrad stilisierte die Abstimmung zu einem Votum über die nationale Ehre und bediente damit einmal mehr das Narrativ von Serbien als dem ewigen Sündenbock der Weltgeschichte, dem einseitig alle Verantwortung für die Verwerfungen auf dem Balkan zugeschrieben werde. Schliesslich seien ja auch Serben Opfer gewesen, und es habe auch kroatische und muslimische Täter gegeben – vom Nato-Luftkrieg gegen Serbien ganz zu schweigen.
Das ist nicht falsch. Allerdings ist in der Uno-Resolution von Serbien oder den Serben gar keine Rede, und von einer Kollektivschuld sowieso nicht. Es geht um das Gedenken an die Opfer von Srebrenica, dem schwerwiegendsten Massaker auf europäischem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg, um die individuelle Verantwortung der Täter und um die Anerkennung des Verbrechens als Genozid.
In der ostbosnischen Stadt wurden im Juli 1995 innert weniger Tage mehr als 8000 Bosniaken, fast die gesamte männliche muslimische Bevölkerung der über 14-Jährigen, von Truppen des bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladic umgebracht. Das Jugoslawientribunal und später auch der Internationale Gerichtshof haben festgestellt, dass bei dem Verbrechen die juristischen Kriterien eines Genozids erfüllt seien. In Serbien, dem serbischen Landesteil Bosnien-Herzegowinas und in Montenegro stellen dies aber viele in Abrede.
«Moralischer Sieg Serbiens»
Der Antrag ging von Deutschland und Rwanda aus, zwei Staaten, in denen der Umgang mit dem Verbrechen des Völkermords von zentraler Bedeutung für das eigene Staatsverständnis ist. Vucic kritisierte in seiner Rede, dass Deutschland sich berechtigt fühle, «allen, die anderer Meinung sind, moralische Lehren zu erteilen».
Für den Holocaust (27. Januar) und den Völkermord von Rwanda (7. April) gibt es bereits internationale Gedenktage – nicht aber für jenen an den Armeniern. Nun kommt, auch mit Blick auf den 30. Jahrestag des Verbrechens im kommenden Jahr, am 11. Juli das Gedenken an Srebrenica hinzu. Die Resolution wurde am Donnerstag in New York mit 84 zu 19 Stimmen angenommen.
Für wen dieses Ergebnis einen Erfolg darstellt, liegt im Auge des Betrachters. Die Befürworter begrüssten das Votum. Milorad Dodik, der mächtigste serbische Politiker in Bosnien-Herzegowina, rechnete jedoch vor, dass die Mehrheit der Staatenwelt dem Antrag nicht zugestimmt habe. Die regierungsnahen Medien in Serbien übernahmen diese Darstellung. Das Boulevardblatt «Kurir» etwa spricht von einem moralischen Sieg Serbiens.
Belgrad verfügt über diplomatischen Einfluss
Tatsächlich kann die hohe Zahl von Enthaltungen durchaus als Erfolg für die serbische Diplomatie betrachtet werden. 68 Staaten enthielten sich bei der Abstimmung, darunter etwa Griechenland und die Slowakei, die auch in der Kosovo-Frage bis jetzt auf der Seite Serbiens stehen. Aber auch mehrere muslimische Länder, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman oder die Malediven, gaben kein Votum ab.
Belgrad hat bereits bei seiner Kampagne, mit der es Staaten zur Aberkennung der Eigenstaatlichkeit Kosovos bewegen wollte, bewiesen, dass es über Einflussmöglichkeiten auf dem internationalen Parkett verfügt, gerade auch im sogenannten globalen Süden. Auch dürfte sich Vucic einmal mehr in seiner Schaukelpolitik zwischen dem Westen, China und Russland bestätigt fühlen. Neben Ungarn, Serbiens engstem Verbündeten in der EU, stimmten auch Peking und Moskau gegen die Vorlage.