Inmitten von grossen Kunstmuseen sorgt die bedeutendste Kunstmesse der Welt im renovierten Grand Palais für einen weiteren kulturellen Höhepunkt der französischen Hauptstadt.
Das Grand Palais in Paris wurde letztes Jahr fertig renoviert. Und jetzt findet die Art Basel darin statt: mit Tageslicht und neuem Namen. Von «Paris plus» hat sie sich zu «Art Basel Paris» umbenannt, was besser zu den anderen Messen in Basel, Hongkong und Miami Beach passt, die sich alle nach dem Standort nennen. Das Tageslicht ist insofern nicht zu unterschätzen, als Besucher und Mitarbeiter der Galerien auf Kunstmessen für gewöhnlich keines bekommen. Vor allem aber sieht man die Kunst im Tageslicht. Und das sind sicherlich Gründe, die für gute Stimmung sorgen. Auch wenn die Stimmung auf Kunstmessen grundsätzlich meist gut ist.
Niemand darf sich jedenfalls anmerken lassen, dass der Markt vielleicht gerade etwas schlingert. Und so zeigt der Galerienriese Hauser & Wirth selbstbewusst einen grossen Philip Guston («Tears», 1977) für 8,5 Millionen Franken. Abzuschrecken scheinen solche Preise niemanden, im Gegenteil, der Stand ist voll von Kunstinteressierten, genauso wie der Rest der Messe. Marc Payot von Hauser & Wirth kommt zu folgendem Schluss: «Beim Comeback im Grand Palais kulminiert die Energie der Pariser Institutionen und der internationalen Galerien.»
Das fasst es gut zusammen. Selten sind so viele Werke von Künstlerinnen und Künstlern gezeigt worden, die gleichzeitig gerade grosse Einzelausstellungen haben oder auf der Biennale in Venedig zu sehen sind. So etwa Bouchra Khalili, von welcher ein Wandteppich im Arsenale in Venedig in der Ausstellung «Strangers Everywhere» hängt. In Paris kann man die letzte Edition davon bei Mor Charpentier für 45 000 Euro erwerben.
Es ist schon merkwürdig, dass das, was sozusagen unantastbar als Artefakt auf einer der wichtigsten Kunstausstellungen der westlichen Welt zu sehen ist, hier nun zum Verkauf steht. Und doch darf man nicht vergessen, dass der Kunstmarkt ein wichtiger Teil dessen ist, was man Kunstwelt nennt. Künstler, die von ihrer Kunst leben wollen, müssen diese auch verkaufen.
Viele Frauen
Es gibt viele Positionen von Frauen älterer Jahrgänge in den lichtdurchfluteten Gängen des Grand Palais zu sehen. Miriam Cahn, die gerade den Kaiserring in Goslar erhalten hat, ist bei zwei Galerien vertreten. Zwei kleinere Werke kann man bei Jocelyn Wolff für 60 000 Franken und eine grössere Arbeit direkt nebenan bei Meyer Riegger für 180 000 Franken kaufen.
Kaum günstiger fährt man mit Carol Rama, deren grosse Retrospektive gerade in der Frankfurter Schirn eröffnet hat. Für rund 170 000 Dollar gibt es Werke der 2015 verstorbenen italienischen Künstlerin zu erstehen: nämlich aufgeklebte Augen auf Papier, die wirken, als könnten sie alles über Zukunft und Vergangenheit erzählen.
Man merkt, dass die Pariser Messe etwas bieten muss, nachdem gerade erst die renommierte Frieze-Kunstmesse in London zu Ende gegangen ist. Das tut die Art Basel mit einem ausgeklügelten Programm, mit dem die Messe fest in der Stadt verankert wird. Das Public Program bringt die Besucher von der Messe in die Museen und Kunstinstitutionen.
Grosse Namen
Eine so grosse Messe lebt aber vor allem auch davon, die Klassiker zu verkaufen. Den Richter, den Wesselmann, den Hockney. Und doch sind es oft die kleineren Werke, die beeindrucken. Sei es die von Do Ho Suh aus delikatem, durchsichtigem Stoff nachgebaute Badewanne bei Victoria Miro (190 000 Dollar) oder sei es die feine Zeichnung von Otobong Nkanga am Stand der Lisson Gallery (15 000 Euro).
Ein wiederkehrendes Thema, das eher überrascht: der Boden des Grand Palais. Genauer gesagt, seine nach der Renovierung neu angenommene Farbe. Von manchen als Puderrosa, von anderen als Leberwurst beschrieben, scheint er den einen oder anderen Galeristen vor Herausforderungen gestellt zu haben, was die Kuratierung der Ausstellungsstände betrifft. Wenn man sich allerdings die Werke und die Verkäufe anschaut, dann scheinen sich die Aussteller damit doch arrangiert zu haben: Die ersten Bilder werden bereits abgehängt und gegen neue Ware ausgetauscht.
Besonders bemerkenswert ist die grosse Wandarbeit aus Keramik von Etel Adnan, die die Galerie Sfeir-Semler mit Adressen in Beirut und Hamburg mitgebracht hat. Sie ist auch eine der wenigen Galerien, die die Konflikte der Gegenwart thematisieren – dies, ganz ohne auf Pathos oder Aktivismus zurückzugreifen.
So schaffen es beispielsweise die hier gezeigten Werke von Taysir Batniji (15 000 Euro), den Krieg in Nahost zu thematisieren. Malerisch hält der Künstler den Moment fest, in dem sich ein Foto, das man bei Whatsapp herunterladen kann, materialisiert: der Moment, in dem man noch nicht genau erkennt, was zu sehen ist. Es sind Bilder, die ihm sein Neffe aus Gaza schickt.
Gerade auf so einer Messe können diese Realitäten leicht weit weg erscheinen. Hier wird mit Kunst gehandelt, aber auch die Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum. Durch ihre zahlreichen Verbindungen in die Stadt und in die Institutionen zeigt die Art Basel Paris genau das mit ihrem fulminanten Auftritt. Auch wegen dieser Messe darf man Paris jedenfalls zu Recht als die neue Hauptstadt der Kunst bezeichnen. (Bis 20. Oktober)