Rechtzeitig zum Ablauf des Waffenstillstandsabkommens hat sich Israels Armee mehrheitlich aus Südlibanon zurückgezogen. An fünf Stellen wollen die Israeli aber vorerst bleiben. Wie reagiert der Hizbullah?
Bis vor kurzem war Yaroun ein unzugänglicher Ort. Wer an den Rand des zerstörten und von Israel besetzten Grenzdorfes im tiefen Süden Libanons fuhr, traf dort bloss auf ein paar Uno-Blauhelme, drei libanesische Soldaten und ein Fernsehteam des Hizbullah-Senders al-Manar. Da drüben seien noch israelische Soldaten, erklärte einer der Journalisten und zeigte auf ein kaputtes Haus nicht weit entfernt.
Inzwischen ist Yaroun wieder zugänglich. In der Nacht auf Dienstag haben die israelischen Truppen das Dorf geräumt und sich über die nahe Grenze zurückgezogen – genau rechtzeitig zum Ablauf des Waffenstillstandsabkommens. Aber ganz verschwunden sind die Israeli nicht. Auf einer Hügelkuppe unweit von Yaroun haben sie einen Armeeposten errichtet.
Israel will fünf Beobachtungsposten behalten
Es ist einer von fünf Beobachtungsposten in Südlibanon, die die Israeli auch weiterhin halten wollen. Der Abzug der Truppen, die im Oktober einmarschiert waren, um die mit Iran verbündete Schiitenmiliz Hizbullah aus dem Grenzgebiet zu verjagen, bleibt unvollständig – trotz anderslautender Vereinbarung.
Bei den fünf strategischen Militärposten handle es sich um Aussichtspunkte, von denen israelisches Gebiet überwacht werden könne, sagt der israelische Militärsprecher Nadav Shoshani. Die weitere Besetzung libanesischen Territoriums sei mit den Garantiemächten des Waffenstillstands, Frankreich und USA, abgesprochen und werde von ihnen gebilligt. Laut der Armee will Israel sichergehen, dass sich der Hizbullah nicht wieder direkt an der Grenze einnistet. «Schliesslich werden wir auch diese Positionen der libanesischen Armee übergeben», sagt Shoshani.
Bereits am Dienstag verkündete Libanons neuer Staatspräsident Joseph Aoun, er werde einen Verbleib der Israeli im Süden nicht hinnehmen. Viel ausrichten kann seine Regierung allerdings nicht. Libanons Armee hat nicht nur den Israeli wenig entgegenzusetzen. Sie hat auch Schwierigkeiten, den Hizbullah aus der Grenzzone zu entfernen – und somit den libanesischen Teil des Waffenstillstandsabkommens umzusetzen.
Der Hizbullah scheint anderweitig beschäftigt
Der Hizbullah hingegen, der die Israeli mit dem von ihm im Oktober 2023 begonnenen Krieg erst ins Land geholt hatte, spielt sich als Wahrer der libanesischen Interessen auf. Man werde dem Treiben nicht tatenlos zusehen, warnte der Hizbullah-Chef Naim Kassem bereits am Sonntag und drohte vage Konsequenzen an, sollten sich die Israeli nicht vollständig zurückziehen.
Doch die einst gefürchtete Truppe wirkt nach der schweren Niederlage, die Israels Armee dem Hizbullah zugefügt hat, orientierungslos. Auf israelische Luftangriffe in der Bekaa-Ebene reagierte er ebenso wenig wie auf die gezielte Tötung eines Hamas-Kaders in Südlibanon. Ende Januar hatte die Miliz noch ihre Anhänger gegen die Besetzer im Süden losgeschickt, die daraufhin israelische Stellungen stürmten. Dabei wurden mehr als zwanzig Zivilisten erschossen.
Diesmal blieb es im Süden jedoch ruhig. Der Hizbullah scheint anderweitig beschäftigt. So lieferten sich die Anhänger der Miliz zuletzt Scharmützel mit der libanesischen Armee. Die Schiiten hatten gegen eine Entscheidung der Beiruter Regierung protestiert, Linienflüge aus Iran auszusetzen. Dem Landeverbot waren offenbar israelische Drohungen vorausgegangen.
Nasrallah-Beerdigung als Machtdemonstration
Bei den Demonstrationen waren mehrere Soldaten verletzt und ein Fahrzeug der Blauhelmtruppe Unifil angezündet worden. Die libanesische Armee reagierte mit Härte und führte sogar in der als Hizbullah-Hochburg geltenden Beiruter Vorstadt Dahiye Verhaftungen durch. Vor ein paar Monaten noch wäre so etwas undenkbar gewesen.
Nun will der Hizbullah zeigen, dass trotz allen Rückschlägen immer noch mit ihm zu rechnen ist. Die Gelegenheit dazu bietet sich am kommenden Sonntag, wenn die Truppe ihren von Israel im September getöteten, ehemaligen Führer Hassan Nasrallah zu Grabe trägt. Zu der Beerdigung werden Zehntausende Anhänger der proiranischen Miliz erwartet.