Während dreier Wochen trainierten 950 Schweizer Armeeangehörige in Österreich den Panzerkampf. Die Armee zeigt sich zufrieden, verweist aber auf entdeckte Fähigkeitslücken. Zwei Unfälle überschatten die sonst gut verlaufene Übung.
Die Schweizer Armee zieht eine positive erste Bilanz der Übung auf dem österreichischen Waffenplatz Allentsteig. Zum ersten Mal hätten die Schweizer Panzertruppen einsatznah trainieren können, sagt Brigadier Christoph Roduner. Sprich in einem völlig unbekannten Gelände, mit Dimensionen, die jenen in einer Kriegssituation entsprächen. In der Schweiz könne lediglich zehn Prozent dessen geübt werden, was in Allentsteig möglich gewesen sei.
Roduner kommandiert die Mechanisierte Brigade 11. Diese trainierte während der letzten drei Wochen mit 950 Schweizer Soldaten und 60 gepanzerten Fahrzeugen den Verteidigungskampf in Allentsteig, einem 157 Quadratkilometer grossen Waffenplatz in Niederösterreich. Am sogenannten «Truppenversuch im Ausland», kurz «Trias 25», nahmen auch 120 Soldaten aus Österreich und 160 aus Deutschland teil.
Inzwischen ist ein Gros des Materials und der Truppe wieder zurück in der Schweiz. Auf dem Waffenplatz Thun finden bis Ende Woche die Aufräumarbeiten statt. Panzer und Maschinengewehre werden gereinigt und für die nächsten Verbände bereitgestellt.
Daneben zieht Roduner, der die Übungen in Österreich leitete, mit seinem Vorgesetzten, Divisionär Benedikt Roos, Kommandant des Heeres, eine erste Bilanz. Diese fiel grundsätzlich positiv aus.
Schweizer Miliz hält mit Berufsarmeen mit
Die Armee habe an Erfahrung gewonnen, ihre Verteidigungsfähigkeit sowie die Interoperabilität mit dem österreichischen Bundesheer und der deutschen Bundeswehr stärken können, lautet das offizielle Fazit des Heereskommandanten Roos. Jetzt, sagt er, gelte es aus den Erkenntnissen Lehren zu ziehen, «damit wir beim nächsten Mal noch besser sind».
Die Übung habe eine Reihe von Fähigkeits- und Ausrüstungslücken aufgezeigt, sagt Roduner. Die heutigen Aufklärungsmittel etwa seien unzureichend, die Minidrohnen verfügten über eine zu kurze Flugdauer, würden keine Live-Bilder übertragen und könnten im Feld nicht aufgeladen werden. Dass die Schweizer Armee über keine Panzerabwehrwaffen mehr verfüge, habe sich als weiteres Problem erwiesen. Vor drei Jahren stellte die Armee die Panzerjäger ausser Dienst. Diese Erkenntnisse sollen nun in die zukünftige Ausrichtung der Bodentruppen einfliessen, um Lücken zu füllen.
Äusserst zufrieden zeigt sich Roduner mit dem Niveau seiner Schweizer Milizsoldaten, verglichen mit den deutschen und österreichischen Berufskameraden. Diese seien zwar bei gewissen Standards besser, zum Beispiel der Geschwindigkeit von Funksprüchen. Beim Gefechtsschiessen hätten die Schweizer aber ohne weiteres mithalten können. Roduner sagt: «Könnten wir zwei bis drei Monate auf einem solchen Gelände trainieren, wären wir mindestens gleichauf mit den Berufsarmeen.»
Eine vollständige Liste der Lehren werden die Kommandanten voraussichtlich im Sommer als Abschlussbericht dem Chef der Armee vorlegen.
Soldat und Zivilistin bei zwei Unfällen schwer verletzt
Die grundsätzlich positive Bilanz wird von zwei schweren Unfällen und einem Zwischenfall getrübt. Der erste Unfall ereignete sich in der Nacht auf den 30. April. Ein Schweizer Soldat fuhr dabei mit einem 5,5 Tonnen schweren Aufklärungsfahrzeug über die Beine eines Kameraden, der in seinem Schlafsack lag. Dieser erlitt offene Brüche und musste per Helikopter in ein Spital geflogen und operiert werden.
Zwei Tage später kam es zum zweiten Unfall. Am Morgen des 2. Mai fuhr ein Schweizer Soldat mit einem leichten Militärfahrzeug auf eine Landstrasse und kollidierte dort mit dem Pkw einer jungen Zivilistin. Die Kollision schleuderte beide Fahrzeuge von der Strasse, wo sie auf der Seite liegen blieben. Der Soldat zog sich leichte Verletzungen zu. Die Zivilistin jedoch musste erst von der Feuerwehr aus ihrem Auto befreit werden, bevor sie mit einem Rettungshelikopter in ein Spital geflogen werden konnte.
Inzwischen sind beide Soldaten wieder in der Schweiz. Auch der österreichischen Zivilistin gehe es den Umständen entsprechend gut. Die Schweizer Militärjustiz hat in beiden Fällen Strafverfahren eröffnet und ermittelt. Sie will sich auf Anfrage nicht genauer zu den Unfallhergängen äussern.
Auf die Unfälle angesprochen, sagt Brigadier Roduner: «Jeder Unfall ist einer zu viel.» Alle Kader seien sich ihrer Verantwortung bewusst. Jedoch seien in Allentsteig fast 1300 Soldaten und beinahe 100 gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz gewesen. Dies sei keine Entschuldigung, aber die Eintretenswahrscheinlichkeit für Unfälle sei leider gegeben.
Ein kleinerer Zwischenfall endete glimpflich: Am 30. April kam es während der Übung aus ungeklärten Gründen zu einem Waldbrand. Schweizer Armeeangehörige unterstützten die Feuerwehr spontan bei den Löscharbeiten. Zwei der Soldaten beklagten sich danach über Kopfschmerzen. Sie wurden sicherheitshalber für eine Untersuchung wegen Rauchvergiftung in ein Spital gebracht, konnten dieses aber nach kurzer Zeit wieder verlassen.
Laut ersten Medienberichten sollen sich die Soldaten die vermeintliche Rauchvergiftung in einem Panzer zugezogen haben. Ihnen sei befohlen worden, über den Brandherd zu fahren, um diesen so zu löschen. Diese Darstellung wurde in Thun jedoch dementiert. Die Übung im betroffenen Teil des Waffenplatzes sei angehalten worden, die Alarmierung habe einwandfrei funktioniert, und alle Soldaten hätten sich an die Anweisungen der Feuerwehr gehalten.
Nächste Auslandübung voraussichtlich 2027
Die Soldaten selber zeigten sich begeistert von der Übung. Ein junger Leopard-Fahrer äusserte sich beeindruckt davon, dass er einfach querbeet durch das Übungsgelände fahren durfte. In der Schweiz sei dies undenkbar. Auch habe er von den deutschen und österreichischen Kameraden profitiert. Einige von ihnen seien in Afghanistan stationiert gewesen. Sie hätten lehrreiche Tipps für das Leben und Überleben in Gefechtssituationen geben können. Ob er wieder freiwillig an einem Wiederholungskurs im Ausland teilnehmen würde? «Sofort.»
Sein Wunsch könnte sich bald erfüllen. Die Schweizer Armee plant in den Jahren 2027 und 2029 weitere Übungen auf ausländischen Waffenplätzen. Genaueres könne er dazu noch nicht sagen, erklärte Divisionär Roos. Nur, dass 2027 eine Übung im gleichen Umfang wie jetzt geplant sei, entweder in Deutschland oder wieder in Österreich.