App-Entwickler in den USA dürfen künftig ihre Angebote ausserhalb von Apples hauseigenem Store bewerben, entscheidet der Supreme Court. Dies könnte enorme Auswirkungen auf Apples milliardenschweren Geschäftszweig haben.
Der Apple-Konzern hat am Dienstag schlechte Nachrichten erhalten: Er darf seinen milliardenschweren App-Store nicht mehr so rigoros wie bisher abschirmen. Stattdessen können App-Entwickler künftig Möglichkeiten bewerben, wie Kunden Abonnements ausserhalb von Apples App-Store abschliessen können. In einem solchen Fall erhält Apple nicht mehr die Kommission von bis zu 30 Prozent, die der Konzern von Käufen in seinem Store einbehält.
Der amerikanische Supreme Court entschied am Dienstagmorgen, dass er weder der Forderung von Apple noch jener der Gegenpartei Epic Games nachkomme, sich ihres laufenden Rechtsstreits anzunehmen. Damit ist automatisch das Urteil der Vorinstanz, des Bundesberufungsgerichts für Nordkalifornien, rechtskräftig. Das wiederum hatte sich vergangenes Jahr hinter das Urteil des Bundesbezirksgerichts von Oakland aus dem Jahr 2021 gestellt.
Gemäss diesem muss Apple künftig seinen App-Entwicklern in den USA erlauben, innerhalb ihrer iPhone-Apps Werbung für andere, günstigere Möglichkeiten für Abonnements und In-App-Käufe im Internet – also ausserhalb von Apples hauseigenem Store – zu machen.
Der App-Store ist eine Gelddruckmaschine für Apple
Um die Tragweite des Urteils zu verstehen, muss man wissen, dass der App-Store für Apple eine enorm lukrative Einnahmequelle ist. Wie viel Geld der iPhone-Hersteller genau durch die Kommissionen dort verdient, weist er zwar nicht separat aus. Bekannt ist aber, dass dort bereits im Jahr 2019 Verkäufe im Umfang von einer halben Billion Dollar getätigt wurden.
Damit dürfte der App-Store inzwischen die Haupteinnahmequelle der immer wichtigeren Dienstleistungssparte von Apple sein. Diese wiederum macht rund einen Fünftel des Konzernumsatzes von jüngst 383 Milliarden Dollar aus. Weniger Provisionen im App-Store könnten für Apple also Milliardeneinbussen bedeuten.
Den Investoren schien die Tragweite des Urteils am Dienstag direkt bewusst zu sein: Unmittelbar nach dem Entscheid des Supreme Court fielen die Aktien von Apple um 2,5 Prozent.
Rechtsstreit tobt seit 2019
Apple rechtfertigte das Abschirmen seines App-Stores bisher damit, dass man es vor allem aus Sicherheitsgründen den App-Entwicklern verbiete, direkt mit den Zahlungsinformationen von Kunden zu interagieren. Jegliche Bezahlung müsse über Apple abgewickelt werden, um die Kunden vor Betrug zu schützen, so die Logik.
Dagegen hatte Epic Games 2019 Klage eingereicht. Die Firma aus North Carolina ist der Hersteller von «Fortnite», einem Survival-Shooter-Spiel, das zunächst gratis ist, bei dem Nutzer aber für Zusatzfunktionen zahlen müssen. Und genau hier liegt das Problem: Kaufen durften iPhone-Nutzer diese Extras bisher nur über Apples App-Store – und Apple behält von jeder Transaktion seinen üblichen Satz von 30 Prozent ein.
Epic Games hatte moniert, dass Apple Drittfirmen dazu zwinge, den hauseigenen App-Store zu nutzen. Dies sei wettbewerbsschädlich. Nach einem längeren Kräftemessen zwischen den beiden Firmen, im Zuge dessen Apple das Spiel unter anderem aus seinem Store verbannte, landete der Streit im Frühjahr 2021 im kalifornischen Oakland vor Gericht.
Das dortige Bundesbezirksgericht für Nordkalifornien stellte sich in seinem Urteil von September 2021 zwar bei der Frage des Wettbewerbsrechts hinter Apple: Der Konzern verstosse nicht gegen das Wettbewerbsrecht, wie von Epic Games behauptet.
Doch die zuständige Richterin gab dem Kläger Epic Games in einem anderen wichtigen Punkt recht: Apples derzeitige Praxis, den Entwicklern Verweise auf alternative Zahlungsmöglichkeiten zu verbieten, sei durchaus wettbewerbswidrig. Den App-Entwicklern müsse es erlaubt sein, die Kunden auf Angebote ausserhalb von Apples App-Store hinzuweisen.
Daraufhin waren sowohl Apple als auch Epic Games in Berufung gegangen, doch vergebens: Im April 2023 hielt das zuständige Bundesberufungsgericht den Entscheid aus Oakland hoch. Deswegen hatten sich sowohl Apple als auch Epic Games an den Supreme Court gewandt, der den Fall nun allerdings abgelehnt hat. Damit sind alle Revisionsmöglichkeiten ausgeschöpft.
«Ab heute können Entwickler ihr vom Gericht bestätigtes Recht ausüben und ihre amerikanischen Kunden auf bessere Preise im Internet hinweisen», schrieb am Dienstag Tim Sweeney, der CEO von Epic Games, auf der Plattform X. Er drückte aber auch sein Bedauern aus, dass nicht noch mehr für App-Entwickler erreicht wurde, etwa dass Apple sein App-Ökosystem in den USA komplett öffnen muss, ähnlich wie es nun in der EU der Fall sein wird.
As of today, developers can begin exercising their court-established right to tell US customers about better prices on the web. These awful Apple-mandated confusion screens are over and done forever. pic.twitter.com/YnFWt85MRF
— Tim Sweeney (@TimSweeneyEpic) January 16, 2024
Google steckt überraschend eine Niederlage gegen Epic Games ein
Der Entscheid des Supreme Court, den Fall nicht anzuhören, könnte auch Implikationen für einen anderen aufsehenerregenden Rechtsstreit haben. So hat der Spielehersteller Epic Games nicht nur Klage gegen Apple, sondern auch gegen Google eingereicht – ebenfalls mit dem Argument, dass die Kommission für Apps auf dem Android-Betriebssystem zu hoch sei.
In diesem Rechtsstreit hatte ein Gericht in Kalifornien im Dezember überraschend Epic Games vollumfänglich recht gegeben – auch in der Frage, ob Google damit gegen das Kartellrecht verstosse. Anders als im Streitfall mit Apple hatte hier ein Geschworenengericht und keine Einzelrichterin entschieden. In den kommenden Wochen soll bekannt werden, welche Anpassungen Google nun gegenüber App-Entwicklern wie Epic Games vornehmen muss. Allerdings hat Google bereits angekündigt, in Berufung zu gehen. Dass sich der Supreme Court in den Streit einmischen wird, scheint seit Dienstag jedoch unwahrscheinlich.